Innenministerium
Verfassungsschutzbericht: Weniger Straftaten mit links- oder rechtsextremistischen Motiven
Die Generaldirektorin für die öffentliche Sicherheit, Dr. Michaela Kardeis, und der Direktor des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, Mag. Peter Gridling, präsentierten am 28. Juni 2018 im Innenministerium in Wien den Verfassungsschutzbericht 2017.
Die Anzahl der links- und auch der rechtsextremistisch motivierte Straftaten ist im Jahr 2017 im Vergleich zu 2016 deutlich gesunken. Die größte Gefahr für die innere Sicherheit Österreichs bleibt der islamistische Extremismus und Terrorismus. Der Gesetzgeber hat auf die islamistische Bedrohung reagiert und Maßnahmen beschlossen, die eine bessere Bekämpfung des islamistischen Extremismus und Terrorismus ermöglichen und technische Lücken schließen.
Besonders wichtig ist in diesem Bereich die Prävention, um dem Extremismus entgegenzuwirken. "Es freut mich, dass Österreich im Bereich der Extremismus-Prävention eine Vorreiterrolle in Europa einnimmt. Die Strukturen, die wir mit dem ‚Bundesweiten Netzwerk für Extremismusprävention und Deradikalisierung‘ aufgebaut haben, sind vorbildhaft. Deshalb werden wir die EU-Ratspräsidentschaft Österreichs dazu nutzen, die Maßnahmen, die wir gemeinsam mit anderen Ministerien, der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft und den Bundesländern initiiert haben, auf europäischer Ebene vorzustellen", sagte Generaldirektorin Dr. Michaela Kardeis.
Bis Jahresende 2017 waren 313 Personen aus Österreich bekannt, die aus Österreich in die Kriegsgebiete Syrien oder Irak gereist sind oder dorthin reisen wollten, um dort zu kämpfen. 59 davon konnten an der Ausreise gehindert werden, 94 sind wieder nach Österreich zurückgekehrt und 55 sind mit höchster Wahrscheinlichkeit im Krisengebiet getötet worden.
In den vergangenen Monaten konnten keine Reisen nach Syrien und in den Irak mehr festgestellt werden. Dies ist einerseits auf die schwindende territoriale Kontrolle und des mit den militärischen Niederlagen einhergehenden Attraktivitäts- bzw. Image-Verlustes der IS-Organisation zurückzuführen. Andererseits sind verstärkte präventive und repressive Maßnahmen der österreichischen Behörden und Präventionspartner sowie die konsequente Strafverfolgung Gründe für diesen Rückgang.
Weniger links- und rechtsextrem motivierte Straftaten
Die Zahl der Tathandlungen und Anzeigen wegen linksextremistisch motivierter Straftaten ist 2017 deutlich gesunken. 2017 gab es mit insgesamt 211 Tathandlungen um 44,9 Prozent weniger als 2016 (383). 2017 resultierten daraus 307 Anzeigen, das sind um 33,7 Prozent weniger als 2016 (463). Die Aufklärungsquote ist auf 14,2 Prozent gestiegen (2016: 13,6 %). Eine Besonderheit waren die im Zuge des Nationalratswahlkampfes gehäuft auftretenden Tathandlungen. Insgesamt wurden in diesem Zusammenhang österreichweit 66 Tathandlungen mit linksextremen Tatmotiven bekannt, das sind 31,3 Prozent aller im Jahr 2017 registrierten einschlägigen Tathandlungen.
Auch bei rechtsextremistisch motivierten Straftaten gab es 2017 einen deutlichen Rückgang.
Die Sicherheitsbehörden haben insgesamt 1.063 Tathandlungen mit rechtsextremistischem Hintergrund verzeichnet. Das sind um 19 Prozent weniger als im Jahr 2016 (1.313). Aus diesen Tathandlungen resultierten 1.576 Anzeigen (2016: 1.867). Die Aufklärungsquote beträgt 58,1 Prozent (2016: 61,3). Bei der Internet-Meldestelle "NS-Wiederbetätigung" gingen 3.523 Informationen und Hinweise ein. Das ist im Vergleich zu 2016 ein Anstieg um 12,8 % (2016: 3.124).
Extremismusbekämpfung durch Prävention und Deradikalisierung
Das BVT initiiert und koordiniert Präventionsmaßnahmen im Staatsschutzbereich und setzt dabei auf einen gesamtstaatlichen Ansatz. 2017 wurde auf Initiative des BVT das "Bundesweite Netzwerk Extremismusprävention und Deradikalisierung" geschaffen und der Prozess zur Einrichtung eines "Ausstiegsprogramms aus dem gewaltbereiten Extremismus" gestartet. Das Ausstiegsprogramm wird von zivilgesellschaftlichen Akteuren umgesetzt und befindet sich derzeit in einem einjährigen Testbetrieb.
Damit die bundesweite Koordinations- und Vernetzungsarbeit geleistet werden kann, wurde 2016 ein eigenes Präventionsreferat im BVT geschaffen. 2017 wurden analog dazu auch Strukturen zum Ausbau der staatschutzrelevanten Präventionsarbeit in den Landesämtern für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) geschaffen.
Schutz Oberster Organe und verfassungsmäßiger Einrichtungen
Im Jahr 2017 wurden zwar keine Ereignisse und Vorfälle registriert, die die Handlungsfähigkeit von Obersten Organen oder verfassungsmäßigen Einrichtungen unmittelbar beeinflussen hätten, es gab aber 65 gefährlichen Drohungen gegen Oberste Organe und 13 gegen verfassungsmäßige Einrichtungen. Verglichen mit 2016 ist das ein Rückgang um 18 Prozent (2016: 97 Drohungen). Von den 78 Drohungen konnten 52 Taten geklärt werden. 47 Täter waren männlichen und fünf Täterinnen weiblichen Geschlechts.
Das Sinken der Tathandlungen lässt sich vor allem auf die im Jahr 2016 polarisierende Bundespräsidentenwahl mit insgesamt drei Wahlgängen und auf die damals in der Öffentlichkeit stark präsente Migrationsthematik zurückführen. Die meisten Drohungen im Jahr 2017 bezogen sich auf politisch motivierte Inhalte. Die extremistischen Drohungen mit Auslandsbezug waren vornehmlich Drohungen türkischer oder türkischstämmiger Personen im Zusammenhang mit der politischen Position Österreichs im diplomatischen Disput mit der Türkei.
Entwicklungen in der Türkei und deren Auswirkungen auf ÖsterreichY
Die sicherheitspolitische Entwicklungen in der Türkei sowie innertürkische Konflikte haben auch Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Österreich. Seit dem Putschversuch im Juli 2016 besteht ein erhöhtes Interesse an der Beeinflussung von in Österreich lebenden türkischstämmigen Menschen.
Die Einflussnahme wirkt sich negativ auf das Zusammenleben und die Integrationsbemühungen in Österreich aus. Sie hat zu Polarisierungen und zu Demonstrationen geführt, in deren Verlauf es zu Gewalttätigkeiten gekommen ist. Es gab nachrichtendienstliche Aktivitäten in Österreich, um mutmaßliche, der türkischen Regierung feindlich gegenüberstehender Personen und Gruppen zu identifizieren. Österreichische Vereine wurden als politische Instrumente externer staatlicher Akteure missbraucht, und es gab Drohungen gegen politische Entscheidungsträger.
"Es ist die Aufgabe des Staatsschutzes, derartige Gefahren zu erkennen, abzuwehren und Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Deshalb wurden und werden auch weiterhin Ermittlungen durch die Staatsschutzbehörden geführt, um unzulässige Einflussnahmen aufzuklären und etwaige Gefahren für die innere Sicherheit Österreichs abzuwehren", sagte BVT-Direktor Mag. Peter Gridling.
Weitere Beiträge des Verfassungsschutzberichtes 2017 beschäftigen sich unter anderem mit den Themen Nachrichtendienst, salafistischen Missionierungsaktivitäten in Österreich, separatistische Strömungen und Cyber-Sicherheit.