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Präventionsgipfel 2024: Islamistischer Extremismus und Terrorismus im Fokus

Expertinnen und Experten diskutierten im Rahmen des von der DSN organisierten Präventionsgipfels am 11. März 2024 in Wien die Lage seit Wiederaufflammen des Nahostkonflikts und die Auswirkungen auf die innere Sicherheit.

Beim fünften von der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) organisierten Präventionsgipfel am 11. März 2024 in Wien diskutierten Expertinnen und Experten zum Thema "Von Hamas bis ISKP: Aktuelle Herausforderungen und Bedrohungen durch islamistischen Extremismus und Terrorismus" über die aktuellen geopolitischen Entwicklungen und die Auswirkungen auf die innere Sicherheit. Der jährlich in Wien stattfindende Präventionsgipfel hat zum Ziel, mit Expertinnen und Experten Probleme in den Bereichen Extremismus und Radikalisierung zu diskutieren und Gegenmaßnahmen zu setzen. In diesem Jahr befassten sich der Präventionsgipfel sowie das anschließende wissenschaftliche Symposium mit der neuerlichen Eskalation im Nahen Osten sowie den aktuellen Akteuren im Bereich des islamistischen Extremismus und Terrorismus.

Moderner Staatsschutz, moderne Herausforderungen

Wie wichtig die Auseinandersetzung und Beschäftigung des Verfassungsschutzes mit diesem Thema ist, wurde in den Eröffnungsstatements von Innenminister Gerhard Karner und vom Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, deutlich.

Innenminister Gerhard Karner sagte: "Mit kühlem Kopf die aktuellen Herausforderungen analysieren und die notwendigen Ableitungen konsequent umsetzen, das ist die Leitlinie des Verfassungsschutzes in Österreich." Karner betonte die diversen Bedrohungen, mit denen sich der Verfassungsschutz aktuell konfrontiert sehe, und erörterte die Notwendigkeit, die technischen Befugnisse der Sicherheitsbehörden an das Jahr 2024 anzupassen: "Der Verfassungsschutz braucht zeitgemäße Befugnisse, damit er seine Aufgaben effizient wahrnehmen kann. Messengerdienste dürfen nicht länger blinder Fleck für die Sicherheitsbehörden in Österreich sein."

Franz Ruf, Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit im Innenministerium, sprach ein im Wahljahr 2024 zentrales Thema an: "Als Strafverfolgungsbehörden bemerken wir eine massenhafte Verbreitung von Fake News, Deepfakes und nicht verifizierter Nachrichten über die sozialen Medien. Diese Desinformationen tragen zur Radikalisierung und ideologischen Vernetzung eines immer breiteren Publikums bei." Er betonte, dass zuletzt verstärkt Exekutivbedienstete in der Präventionsarbeit ausgebildet und ein Präventionsprogramm für unterschiedliche Zielgruppen ausgearbeitet worden sei, um den aktuellen Herausforderungen begegnen zu können. "Extremismus und Terrorismus betrifft uns alle, nicht nur die Sicherheitsbehörden. Wir sind als Gesellschaft gefordert."

Der Direktor der DSN, Omar Haijawi-Pirchner, sagte: "Der Angriff vom 7. Oktober hat uns gezeigt, dass islamistischer Extremismus und Terrorismus alles andere als zurückgegangen sind. Er hat uns aber auch gezeigt, dass das erste Opfer im Krieg die Wahrheit ist. Die Verbreitung von Desinformation wird aktiv von terroristischen Organisationen eingesetzt, um die eigene Agenda voranzutreiben und Angst und Unsicherheit in der Bevölkerung zu schüren." Online-Propaganda und das Internet würden laut Haijawi-Pirchner die Vernetzung von ideologisch Gleichgesinnten und die weitere Radikalisierung der Szene beschleunigen. Durch die Lage in Gaza sei eine Steigerung des Rekrutierungs- und Mobilisierungspotenzials in der islamistischen Szene bereits erkennbar. Besonders besorgniserregend sei die zunehmende Radikalisierung an Schulen, da Schülerinnen und Schüler Propaganda aus dem Internet oder von zu Hause in den Klassenraum mitbringen würden und es dort mitunter auch zu Gewalteskalationen komme, was insbesondere Lehrerinnen und Lehrer an ihre Grenzen bringe. Haijawi-Pirchner betonte: "Um Herausforderungen wirksam zu begegnen, benötigen wir Maßnahmen in Reaktion auf bestehende Bedrohungen und die Prävention zur Verhinderung von Extremismus und Radikalisierung. Die DSN als Frühwarnsystem zum Schutz der Bevölkerung nimmt die Ereignisse in Nahost zum Anlass, um eine Bestandsaufnahme vorzunehmen und mögliche Szenarien zukünftiger Entwicklungen zu diskutieren."

Internationale Expertinnen und Experten zu Entwicklungen seit 7. Oktober 2023

Im Rahmen des Präventionsgipfels analysierte Gerhard Conrad (Lehrbeauftragter an der Hochschule des Bundes in Berlin, Visiting Professor am King’s College in London und an der Sciences Po in Paris) die Frage "Der 7. Oktober 2023 – Zäsur im Nahen Osten?". Er wies darauf hin, dass Motive wie Hass und Vergeltung auch nach Beendigung der Kampfhandlungen im Nahen Osten fortbestehen könnten. Narrative, die im Rahmen des neuerlichen Ausbruchs des Nahostkonflikts geschürt werden, könnten zukünftig in den islamistischen Diskurs Einzug halten sowie identitäts- und motivationsstiftend für gewaltaffine Täter und Tätergruppen wirken.

Jan Busse, Politikwissenschaftler der Universität der Bundeswehr München, beschäftigte sich mit dem Umstand, dass sowohl die aktuelle Eskalation als auch alle früheren Auseinandersetzungen des israelisch-arabischen Konflikts von Terrorismus und Gewalt geprägt waren. Laut Busse sehen sowohl die israelische als auch die arabische Seite seit Beginn der Auseinandersetzungen vor 100 Jahren Gewalt als legitimes Mittel an, um individuelle Interessen, die jeweilige Errichtung eines eigenen Staates, durchzusetzen.

Im Anschluss thematisierte Peter R. Neumann (Professor für Sicherheitsstudien am King’s College London und Berater der Europäischen Kommission zum Thema Extremismus und Extremismusprävention) die Angriffsfläche des Westens: Der Westen werde "kleiner" und andere Akteure machen der USA ihre Weltführerschaft streitig. An allen Ecken und Enden komme es zur Instabilität: von der Ukraine über den Nahen Osten bis hin nach Asien. Der 7. Oktober 2023 und seine Konsequenzen seien hiervon Ausdruck. Wer die Krise lösen möchte, müsse auch ihre geopolitischen Ursachen verstehen.

Der Frage, ob eine neue Welle des Dschihadismus bevorsteht, ging Rüdiger Lohlker in seiner Keynote Speech nach: Der Ausdruck einer "neuen" Welle suggeriere, eine "alte" Welle sei abgeebbt. Eine kontinuierliche Beobachtung des globalen Dschihadismus, der transnational ist, zeige, dass ein solches Abebben nicht stattgefunden habe. Lohlker ist Professor für Islamwissenschaften am Institut für Orientalistik an der Universität Wien. Er ist Vizesprecher des Forschungszentrums "Religion and Transformation in Contemporary Society" und Adjunct Professor am Syrian Research Institut, Northwest University in Xi’an, China.

Den Präventionsgipfel schloss Isolde Vogel mit ihrem Thema "Antisemitismus – links, rechts, islamistisch" ab. Spätestens seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und dem weltweit steigenden Antisemitismus sei öffentlich bekannt, was die Forschung schon lange zeige: Antisemitismus sei kein Alleinstellungsmerkmal der extremen Rechten. Sowohl der politische Islam als auch die von vielen Linken getragene Verharmlosung des Terrors bis zu antiisraelischen Kampagnen in den sozialen Medien müssen unabhängig des politischen oder kulturellen Kontextes in den Blick der Antisemitismuskritik genommen werden.

Innenminister Gerhard Karner beim Präventionsgipfel 2024 in Wien.
Foto: ©  BMI/Gerd Pachauer

Artikel Nr: 26673 vom Dienstag, 12. März 2024, 08:39 Uhr
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