Verfassungsschutzbericht 2024
Steigende Online-Radikalisierung
Die Zahl der Cyber-Delikte, digitaler Spionage, besonders im Wirtschaftsbereich, und gezielter Angriffe auf kritische Infrastruktur hat laut Verfassungsschutzbericht 2024 zugenommen. Radikale Ideologien verbreiten sich zunehmend über soziale Medien – insbesondere unter Jugendlichen.
Präsentation des Verfassungsschutzberichts: DSN-Direktor Omar Haijawi-Pirchner, Innenminister Gerhard Karner, Staatssekretär Jörg Leichtfried
© Karl Schober
Die Sicherheitslage in Österreich war 2024 vielschichtiger und dynamischer denn je – das zeigt der aktuelle Verfassungsschutzbericht, den Innenminister Gerhard Karner, Staatssekretär Jörg Leichtfried und DSN-Direktor Omar Haijawi-Pirchner am 26. Mai 2025 vorstellten. Bedrohungen treten nicht mehr isoliert, sondern zunehmend vernetzt auf.
Der Bericht beleuchtet die wachsenden Herausforderungen in den Aufgabenbereichen der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) und der Landesämter Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE). Dazu zählen Extremismus, Terrorismus, digitale Bedrohungen, Spionage und Desinformation.
„Die Sicherheitslage hat sich in Österreich durch den Terrorangriff der Hamas auf Israel sowie durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine nachhaltig verändert. Der islamistische Extremismus stellt die größte Bedrohungslage dar. Nach dem 7. Oktober 2023 kam es zu einer zunehmenden Dynamisierung der Online-Radikalisierung von Jugendlichen“, sagte Innenminister Gerhard Karner.
Vernetzte Bedrohungen fordern hybride Sicherheitsstrategien.
Ob transnationale Terrororganisationen, radikale Akteure mit hoher Gewaltbereitschaft oder zunehmende Spionagetätigkeiten: Die Gefahrenlage erfordert umfassende und koordinierte Maßnahmen. Besonders der Schutz digitaler Räume hat sich zu einer verfassungsschutzrelevanten Priorität entwickelt. Die Zahl an Cyber-Delikten, digitaler Spionage, besonders im Wirtschaftsbereich, und gezielter Angriffe auf kritische Infrastruktur hat 2024 zugenommen.
Radikale Ideologien verbreiten sich zunehmend über soziale Medien – insbesondere unter Jugendlichen. Die Anzahl der jugendlichen Gefährder wächst stetig an. Die Radikalisierung im Internet hat sich in den letzten Jahren mehr als verdoppelt. Staatlich gesteuerte Desinformationskampagnen aus dem Ausland sind eine ernst zu nehmende Gefahr für das Vertrauen in demokratische Institutionen. In der digitalen Ermittlung stellen sich dem Verfassungsschutz aufgrund der geltenden Rechtslage besondere Herausforderungen.
Extremismus.
Verfassungsschutzbericht: Information über Art und Umfang verfassungsfeindlicher Entwicklungen
© BMI
Gewalt auf hohem Niveau. 2024 stieg die Anzahl der erfassten Taten im Zusammenhang mit Rechtsextremismus um 23 Prozent an, insbesondere kam es zu Anzeigen wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung und Anzeigen nach dem Waffengesetz. Zudem führten Beamte des Verfassungsschutzes 260 Hausdurchsuchungen durch und nahmen 53 Personen fest. Die rechtsextreme Szene vernetzte sich zunehmend international – online wie offline – und zeigt eine gefährliche Gewaltbereitschaft. So koordinierte ein 16-jähriger Österreicher eine rechtsextreme Telegramgruppe mit über 150 meist minderjährigen Mitgliedern, in der Gewaltverherrlichung und Hassbotschaften offen geteilt wurden.
Auch der Linksextremismus zeigte eine steigende Gewaltbereitschaft: Mit 214 Tathandlungen stieg die Anzahl im Vergleich zum Vorjahr um 120 Prozent an. Dabei wurden insbesondere Körperverletzungen und Sachbeschädigungen dokumentiert. Ziel waren politische Gegner und öffentliche Einrichtungen.
Im islamistischen Extremismus ist ein Anstieg um über 40 Prozent auf 215 Tathandlungen zu verzeichnen. Die Terrorwarnstufe bleibt auf der Stufe „Hoch“. Soziale Medien und Online-Foren spielen eine wichtige Rolle bei der Radikalisierung von vor allem jungen Menschen.
„Die Radikalisierung im digitalen Raum stellt eine der größten sicherheitspolitischen Herausforderungen unserer Zeit dar“, sagte Staatssekretär Jörg Leichtfried. „Seit 2022 hat sich die Radikalisierung im Internet mehr als verdoppelt. Extremistische Akteurinnen und Akteure nutzen soziale Medien und digitale Plattformen, um Jugendliche und Kinder zu manipulieren, zu vereinnahmen und in radikale Netzwerke einzubinden.“
„Wir sehen bereits jetzt, dass Terrororganisationen wie der Islamische Staat künstliche Intelligenz verwenden und verbreiten, damit die Anhängerinnen und Anhänger selbst künstliche Intelligenz nutzen, um Terrorpropaganda zu erzeugen“, sagte DSN-Direktor Omar Haijawi-Pirchner.
Spionage, Cyber-Bedrohungen und Proliferation.
Omar Haijawi-Pirchner: „Terrororgnisationen wie der Islamische Staat setzen künstliche Intelligenz ein, um Terrorpropaganda zu erzeugen.“
© Gerd Pachauer
Spionage bleibt eine unterschätzte, aber schwerwiegende Bedrohung, besonders für die nationale Wirtschaft, Forschung und Hochtechnologie. Österreich gerät zunehmend ins Visier, insbesondere asiatischer Länder wie China. Der Abfluss sensibler Wirtschaftsinformationen gefährdet sowohl die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs als auch die nationale Sicherheit.
Auch im illegalen Waffenhandel ist Österreich Transit- und Quellland. Im Fokus steht die Verhinderung der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen, besonders im Zusammenhang mit Dual-Use-Gütern, die aufgrund der diversen internationalen Krisenherde relevant sind. Österreich beheimatet Firmen, die zu den Spitzenreitern in der Herstellung von Industriemaschinen zählen.
Kritische Infrastruktur.
2024 wurden 310 Beratungen mit Betreibern kritischer Infrastruktur durchgeführt und über 1.300 Unternehmensanfragen beantwortet. Angriffe und Bedrohungen gegen politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger erforderten Schutzmaßnahmen.
Prävention und internationale Kooperation.
Die DSN setzt in der Extremismusprävention weiterhin auf einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz. Über 780 Präventionsmaßnahmen wurden im Programm RE#work österreichweit umgesetzt. Das bundesweite Netzwerk Extremismusprävention und Deradikalisierung (BNED) sowie das Center for Security Analysis and Intelligence Research (CSAIR) fördern den Austausch mit Wissenschaft und Zivilgesellschaft.
Der österreichische Verfassungsschutz steht dank technischer Modernisierungen, verbesserter Analysemethoden und intensiver internationaler Zusammenarbeit auf einem soliden Fundament. Die dynamische Bedrohungslage erfordert stetige Weiterentwicklung, vor allem bei der Überwachung von Gefährdern und der Ermittlung im digitalen Raum.
Der Verfassungsschutzbericht 2024 ist unter www.dsn.gv.at abzurufen.
Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 7-8/2025
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