Gewaltschutz
"Stiller Notruf" neue Maßnahme für Personen in akuter Gefahr
Innenminister Gerhard Karner, Justizministerin Alma Zadic, Frauenministerin Susanne Raab und Meinungsforscher Johannes Klotz erläuterten bei einer Pressekonferenz am 8. Februar 2022 zum Thema "Gewaltschutz" einen Rückblick auf das vergangene Jahr sowie einen Ausblick für 2022.
"Gewalt darf weder im privaten Bereich noch in der Öffentlichkeit akzeptiert werden. Deshalb ist das entschiedene Vorgehen gegen jede Form von Gewalt ein wichtiger Teil der österreichischen Sicherheitsstrategie", sagte Innenminister Gerhard Karner bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Justizministerin Alma Zadic, Frauenministerin Susanne Raab und OGM-Meinungsforscher Johannes Klotz zum Thema Gewaltschutz am 8. Februar 2022 im Innenministerium. "Jede einzelne Gewalthandlung an einer Frau ist ein persönliches Schicksal – dahinter steht ein Leben, zumeist auch eine ganze Familie und vor allem auch Kinder."
"Wenn es um Gewalt gegen Frauen geht, können wir leider nicht an einer einzelnen großen Schraube drehen, um unser Ziel zu erreichen. Es bedarf vieler kleiner Schritte, die wir als Bundesregierung und als Gesellschaft gemeinsam setzen müssen. Nur so können wir Gewaltspiralen, die letzten Endes auch zum Mord führen können, nachhaltig durchbrechen. Die Justiz hat in diesem Bereich bereits wichtige Maßnahmen gesetzt, vom Ausbau der psychosozialen und juristischen Prozessbegleitung bis hin zu einem Gewaltschutzerlass an die Staatsanwaltschaften. Ziel ist es eine gesamtgesellschaftliche Veränderung in Gang zu bringen", sagte Justizministerin Alma Zadic.
"Gewalt gegen Frauen hat in unserer Gesellschaft keinen Platz. Die Morde der vergangenen Jahre sind nur die Spitze des Eisbergs der Gewalt, denn die Dunkelziffer ist immer noch hoch. Es gibt leider keine einzelne Stellschraube an der wir ziehen können, sondern es braucht ein gesamtgesellschaftliches Bestreben für Frauen einzutreten. Mir ist als Frauenministerin wichtig zu betonen, dass keine Frau jemals selbst schuld an der gegen sie ausgeübten Gewalt ist", sagte Frauenministerin Susanne Raab. Experten würden aber auch von einem erhöhten Bewusstsein in der Gesellschaft sprechen, so Raab. "Die Menschen wissen, dass Gewalt in Familien nicht Privatsache ist sondern uns alle angeht."
Rückblick auf 2021
"Die Umfrage zur Wahrnehmung häuslicher Gewalt in der Bevölkerung hat gezeigt, dass es eindeutig zu einer Zunahme häuslicher Gewalt gekommen ist", sagte der Studienleiter des Markt- und Meinungsforschungsinstitut OGM, Johannes Klotz. Ein Drittel der Befragten berichteten von mehr Spannungen in den Familien, die vor allem auf die Corona-Pandemie zurückzuführen seien. Sieben Prozent aller Haushalte hätten im Vorjahr konkrete Fälle häuslicher Gewalt wahrgenommen, wobei nur zu zwei Prozent die Polizei verständigt wurde, ergänzte Klotz.
"Rückblickend auf das vergangene Jahr konnten einige Maßnahmen zum Gewaltschutz umgesetzt werden. Wir konnten außerdem das größte Gewaltschutzpaket der Geschichte mit knapp 25 Millionen Euro schnüren", sagte der Innenminister.
Seit 1. September 2021 sind die Beratungsstellen für Gewaltprävention in Betrieb. Zwischen September 2021 und Ende Jänner 2022 wurden knapp 5.000 Gefährder zu einer Betreuung verpflichtet. "Es ist ein wichtiger Schritt, neben der Opferberatung auch durch die Arbeit mit den Tätern den Schutz der Opfer auszubauen."
Zusätzlich wurde die Zahl der Präventionsbeamtinnen und -beamten auf über 800 aufgestockt. Die Informationskampagnen zur Sensibilisierung bei Gewalt in der Privatsphäre wurden konsequent fortgesetzt. Diese laufen seit April 2020 und werden weiterhin ein Teil des Konzepts im Kampf gegen Gewalt bleiben.
Im vergangenen Jahr wurden zudem mehr als 13.600 Betretungsverbote und Annäherungsverbote ausgesprochen. Das ist ein Anstieg von 17 Prozent im Vergleich zum Jahr 2020. Die Ergebnisse dieser Verbote und der Studien hätten gezeigt, dass das Dunkelfeld verringert werden konnte. "Wir müssen von Gewalt betroffene Frauen und Angehörige, die Gewalt wahrnehmen, noch mehr ermutigen, die Polizei zu rufen, um die Dunkelzahl weiter zu verringern und vor allem die Gewalttat zu verhindern", betonte Karner.
Ausblick auf 2022 – Stiller Notruf
"Stiller Notruf" wird im Jahr 2022 flächendeckend eingeführt und ist ein Notruf für Menschen, die in der Privatsphäre in akuter Gefahr sind. "Der erste Schritt, um die Gewaltspirale zu durchbrechen, ist, die Polizei zu rufen. Um in gefährlichen Situationen – wie bei Gewalthandlungen – den Notruf rascher und sicherer erreichen zu können, startet ab 1. März 2022 der Betrieb einer Notruf-APP", sagte der Innenminister.
Durch einen einfachen Knopfdruck wird die Polizei verständigt und ohne weiteren Rückruf eine Polizeistreife zur auslösenden Person entsandt.
Seit dem 1. Juli 2021 wurde in der Landespolizeidirektion Wien ein dauerhaft besetzter Support für die vor Ort einschreitenden Bediensteten eingeführt. Ziel ist die Unterstützung der einschreitenden Polizistinnen und Polizisten bei der Gefahrenprognose und bei der Beurteilung der rechtlichen Rahmenbedingungen. Dieser Support wird in den kommenden Wochen österreichweit ausgerollt.
Fokus auf Präventionsabeit und Einführung von Gewaltambulanzen
"In diesem Jahr werden wir zwei große Schritte setzen, um die Prävention zu verbessern und die Beweissicherung auszubauen", erklärte Justizministerin Alma Zadic. Ab Juli 2022 werden auch die Gerichte in Verfahren bei einstweiligen Verfügungen, Gefährder zu einer Beratung zur Gewaltprävention verpflichten können. "Der nächste gemeinsame Schritt der Regierung im Kampf gegen Gewalt an Frauen und Mädchen ist die flächendeckende Einführung von Gewaltambulanzen", so Zadic. Opfer von Gewalt sollen die Möglichkeit haben sich kostenfrei untersuchen zu lassen, vorhandene Spuren zu sichern und Verletzungen gerichtsfest zu dokumentieren. "Auf diese Weise wird alles beweissicher festgehalten und steht auch für spätere Verfahren zur Verfügung. Dadurch soll auch die Verurteilungsquote bei Fällen von häuslicher Gewalt erhöht werden", sagte Justizministerin Zadic. Es gibt ein ressortübergreifendes Übereinkommen zwischen BMJ, BMI, Frauenministerium und Gesundheitsministerium bis Ende des Jahres durch eine Studie den Status quo zu evaluieren und ein entsprechendes Konzept zu erstellen.