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Diskussion um Hitler-Geburtshaus: Umgestaltung und Nutzung für Menschenrechte auf Schiene
Nach dem architektonischen Umbau des Hitler-Geburtshauses werden auf Empfehlung einer breiten Expertinnen- und Experten-Kommission künftig eine Polizeiinspektion sowie ein Schulungszentrum für Menschenrechte in dem historisch belasteten Gebäude untergebracht. Ein Abriss des Objektes ist rein rechtlich nicht möglich und steht deshalb in doppelter Weise nicht zur Diskussion.
Wie soll mit einer historisch belasteten Liegenschaft wie dem Geburtshaus von Adolf Hitler umgegangen werden? Um die Kluft zwischen moralischer Pflicht und historischer Belastung zu erörtern, wurde schon 2016 eine breite Kommission aus Expertinnen und Experten mit diesem Thema befasst.
Kernstück dieser interdisziplinären Kommission waren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich seit Jahren und Jahrzehnten mit diesem schwierigen Thema befasst hatten. Darüber hinaus begrüßte die Kommission auch Vertreterinnen und Vertreter der Israelitischen Kultusgemeinde, des Innenministeriums oder auch des Dokumentationsarchives des österreichischen Widerstandes in ihrer Mitte, um ein möglichst breites Spektrum an Fachwissen, Erfahrung und fundierter Meinung zu erhalten.
Die Empfehlungen der Kommission im Oktober 2016 waren einstimmig und eindeutig: Der Verehrerkult und die Mythologie rund um die Person Adolf Hitler durch Rechtsextreme – die dafür teilweise extra nach Braunau zum Hitler-Geburtshaus reisen – müssen nachhaltig gebrochen werden. Die Geschichte machte dieses spezielle Haus in Braunau zu einem Täter-Ort, doch das Gedenken an die NS-Zeit ist opfer- und nicht täterorientiert. Deshalb könne auch dieses Haus nicht zu einem Gedenkort werden, so die einhellige Meinung der Expertinnen und Experten, da es trotz bester Intentionen immer ein Spiel mit dem Mythos Hitler sei.
Dank der Expertise zahlreicher Expertinnen und Experten wurde mit der Nutzung des Hitler-Hauses als Polizeidienststelle eine adäquate Nutzung gefunden "um der moralischen, politischen und rechtlichen Verantwortung gerecht zu werden", sagte Oliver Rathkolb vom Institut für Zeitgeschichte an der Universität Wien anlässlich eines Pressegesprächs am 23. Mai 2023.
Symbolik brechen – Sinn stiften – Verantwortung wahrnehmen
Dem Mitglied dieser "Kommission zum historisch korrekten Umgang mit dem Geburtshaus Adolf Hitlers" ist es ein Anliegen, der Liegenschaft in Braunau ihre "mythische Anziehungskraft auf extremistische Kreise" zu entziehen und diese symbolisch als auch architektonisch "zu brechen". Ein Abriss des Hitler-Hauses war zum Zeitpunkt der Kommission von vornherein ein "No-Go". Dies würde weltweit als Ignoranz gegenüber der historischen Verantwortung Österreichs gegenüber dem Nationalsozialismus betrachtet werden. Heute wäre ein Abriss aufgrund der Verpflichtungen des eigens für das Hitler-Haus geschaffenen Enteignungsgesetzes, das den Bund zur sinnvollen Weiternutzung verpflichtet, bereits rein rechtlich unmöglich.
"Wir müssen uns unserer Vergangenheit stellen und diesem geschichtlich belasteten Ort eine lebensbejahende Perspektive geben", sagte Rathkolb. Dies sei vor allem dadurch erfüllt, dass künftig Polizistinnen und Polizisten in der neugestalteten Polizeiinspektion zum Thema Menschenrechte geschult werden sollen.
Kommissionsmitglied Hermann Feiner, der vor seinem Ruhestand bis 2021 als Sektionschef für Projekte im Bau- und Liegenschaftsbereich des Innenministeriums zuständig war, unterstrich die Menschrechts-Komponente, der künftig in doppelter Weise in diesem Haus Rechnung getragen wird: "Es wird eine Dienststelle für die größte Menschenrechts-Organisation Österreichs – der Polizei – und es wird außerdem ein Zentrum für Schulungen in diesem fundamental wichtigen Thema."
Die vorgesehene Nutzung entspreche sowohl dem inneren Verständnis der Exekutive als auch "dem sicherheitsbehördlichen Auftrag nach außen", als Garant für die Unabhängigkeit der zweiten Republik, sagte Clemens Jabloner vom Institut für Rechtsphilosophie der Universität Wien, der Vorsitzender der Historikerkommission war.
Genese und Kosten
Das Hitler-Haus steht seit dem Auszug der Lebenshilfe im Jahr 2011 leer. Nachdem man sich mit der langjährigen Eigentümerin nicht einigen konnte, wurde die Liegenschaft enteignet. Seit 2016 gehört das Haus der Republik. Die Neugestaltung des Hauses hatte sich pandemiebedingt verzögert. Heute geht man von Gesamtkosten von 20 Millionen Euro aus. Dass zu Beginn von geringeren Kosten – anfangs fünf Millionen Euro – gesprochen wurde, begründete Peter Skorsch, der im Innenministerium für die operative Umsetzung der Vorhaben verantwortlich ist, damit, dass zunächst kein konkretes Bauprojekt feststand und außerdem Nettokosten genannt wurden. Auch der Krieg in der Ukraine hätte zu einer Erhöhung der Baukosten geführt. 2025 soll der Umbau fertig sein, 2026 die Polizeistation und das Bezirkspolizeikommando einziehen.