Kriegsgräber
Jüdischer Soldatenfriedhof saniert
Heuer jährt sich zum 110. Mal der Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Anlässlich dieses Jahrestags ließ das Bundesministerium für Inneres den jüdischen Soldatenfriedhof in Wien sanieren.
Eröffnung des sanierten jüdischen Soldatenfriedhofs im Wiener Zentralfriedhof: Florian Prutscher, Innenminister Gerhard Karner, Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien © LPD Wien / Bernhard Elbe
Der Erste Weltkrieg, den Historiker Eric Hobsbawm als die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet hat, ist weitgehend aus unserem kollektiven Gedächtnis verschwunden. Und das, obwohl er nicht nur das Ende des österreichisch-ungarischen Vielvölkerstaates und die Entstehung der Republik Österreich bedeutete – auch die Millionen Toten sind heute fast in Vergessenheit geraten. Nur mehr ihre Gräber erinnern an sie. Unter anderem jene der über 30.000 gefallenen österreichisch-ungarischen Soldaten jüdischen Glaubens, von denen ein Teil auf der Gräberanlage 76b des Wiener Zentralfriedhof bestattet wurden.
Der Sommer 2024, 110 Jahre nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, bot daher der Abteilung für historische Angelegenheiten des Bundesministeriums für Inneres (BMI) die Gelegenheit, die Erinnerung an sie wachzurütteln. Diese Abteilung ist mit dem Erhalt und der Pflege der Gräber des Ersten und Zweiten Weltkriegs betraut. Gemeinsam mit der Israelitischen Kultusgemeinde Wien wurden vom BMI im Zusammenwirken mit der Friedhöfe Wien GmbH in den vergangenen zwei Jahren rund 450 Gräber jüdischer Soldaten des Ersten Weltkriegs sowie ein jüdisches Kriegerdenkmal um rund 250.000 Euro saniert.
Festakt.
Am 22. August 2024 eröffnete Innenminister Gerhard Karner gemeinsam mit Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien, den jüdischen Soldatenfriedhof am Wiener Zentralfriedhof nach Abschluss der Sanierung mit einem Festakt und im Beisein zahlreicher Ehrengäste wieder. Der besondere Charakter der Veranstaltung wurde durch gemeinsame Ehrenposten seitens der Polizei und des Bundesheeres, sowie durch jüdische Gebeten zum Ausdruck gebracht.
Zeitgemäße Gedenkkultur.
Nach einleitenden Worten durch Stephan Mlczoch, Abteilungsleiter für historische Angelegenheiten im BMI, und einem jüdischen Totengebet ergriff Innenminister Gerhard Karner das Wort: „Es ist Teil unserer Verantwortung all jener zu gedenken, die in den beiden Weltkriegen ihr Leben lassen mussten. Wir erinnern uns daher heute der österreichisch-ungarischen Soldaten jüdischen Glaubens im Ersten Weltkrieg als Ausdruck einer modernen und zeitgemäßen Gedenkkultur. Das war nicht immer so. Der Einsatz jüdischer Soldaten wurde nach dem Ersten Weltkrieg nicht nur vergessen, sondern auch ihre Familien wurden im Holocaust vertrieben oder ermordet – unsere Gedenkstätten, allen voran das KZ Mauthausen und seine Nebenlager, sind steinerne Zeugen davon.“
Das Gift des Antisemitismus sei auch heute noch wirksam, ergänzte der Innenminister. Neben der Polizeiarbeit lasse sich Antisemitismus aber auch bekämpfen, indem man das jüdische Leben und die jüdische Kultur sichtbar mache – der heutige Tag zähle dazu. „Deshalb freue ich mich, dass wir 110 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkriegs diesen Ort wiedereröffnen dürfen – mein Dank gilt Präsident Deutsch und seinem Team, meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, und allen, die diese Veranstaltung möglich gemacht haben.“
Präsident Oskar Deutsch wiederum schloss sich dem Dank an das Bundesministerium für Inneres für die Sanierung der jüdischen Kriegsgräberstätte an, aber auch für die laufende Zusammenarbeit beim Schutz jüdischer Einrichtungen.
Die Bundesministerin für Landesverteidigung, Klaudia Tanner, zog in ihrer Ansprache einen Bogen bis in die Gegenwart: „Jüdische Soldaten haben im Ersten Weltkrieg für ihre Heimat Österreich ihr Leben gegeben. Aber auch die finstere Zeit des Nationalsozialismus hat Millionen an Opfern gefordert und noch heute kommt die jüdische Bevölkerung nicht zur Ruhe, wenn wir einen Blick in Richtung Israel werfen. Daher ist es unsere Verantwortung, dass wir diesen historischen Friedhof weiterhin erhalten und niemals vergessen, wer diese tapferen jüdischen Soldaten waren, die für Österreich gekämpft haben. Die Restaurierungsarbeiten am jüdischen Soldatenfriedhof und die Erhaltung unserer österreichischen Geschichte ist essenziell – damit wir nicht vergessen, wer wir waren und wer wir heute sind.“
Kranzniederlegung.
Im Anschluss an die Festansprachen wurde mit einer Kranzniederlegung beim ebenfalls sanierten zentralen Denkmal durch die Höchstanwesenden der auf der Anlage bestatteten Soldaten gedacht. Nach dem Abspielen der Bundeshymne durch die Polizeimusik Wien nahm Abteilungsleiter Stephan Mlczoch gemeinsam mit den beiden Bundesministern sowie Präsident Oskar Deutsch einen Rundgang auf der Anlage vor, in dessen Rahmen einzelne sanierte Grabsteine sowie die Biografien der dort bestatteten Personen vorgestellt wurden. Von einem gefallenen Brüderpaar über einen Grabstein, an dem nicht nur einem im ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten, sondern auch an seine, wenige Jahre später im Holocaust ermordeten, Eltern erinnert wurde.
Den Abschluss bildete das Grab des 1916 gefallenen Offiziers Hugo Schlesinger. Hier schloss sich der Kreis von der Geschichte zur Gegenwart. Denn der dort Bestattete ist der Urgroßvater der Vizepräsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, Claudia Prutscher. Ihr Sohn Florian Prutscher, somit der Ururenkel von Hugo Schlesinger, nahm selbst auch an der Veranstaltung teil und gedachte als Vertreter der heutigen jungen Generation am Grab seines verstorbenen Vorfahrens. Als Andenken ist im Grabstein eingraviert: „Sein Leben war ein Aufstieg und verlosch, als er den Gipfel schon sah.“
S. M.
Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 11-12/2024
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