Zeitgeschichte
„Hitlers Exekutive“
Eine Ausstellung im Innenministerium gibt einen Einblick in die Organisation, Aufgaben und Gesinnung der Exekutive im Nationalsozialismus. Anhand von Biografien werden Schicksale und Verhaltensweisen österreichischer Polizisten und Gendarmen gezeigt.
Ausstellung im Bundesministerium für Inneres: „Hitlers Exekutive. Die österreichische Polizei und der Nationalsozialismus“ © BMI/Gerd Pachauer
Innenminister Gerhard Karner und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka eröffneten am 12. März 2024 im Innenministerium in Wien die Ausstellung „Hitlers Exekutive. Die österreichische Polizei und der Nationalsozialismus“. Am Eröffnungstag vor 86 Jahren marschierten deutsche Truppen in Österreich ein. Karner betonte die Wichtigkeit der Ergebnisse für die polizeiliche Grund- und Weiterbildung: „Die Auseinandersetzung mit der eigenen polizeilichen Geschichte bildet die Grundlage für eine moderne und verantwortungsbewusste Polizei. Als Auftakt werden in den kommenden Wochen über 800 Polizeischülerinnen und Polizeischüler aus den Bildungszentren Wien und Traiskirchen die Ausstellung in der Herrengasse besuchen. Danach wird sie in den nächsten Jahren in allen Bundesländern Station machen, wo sie für die Ausbildungsklassen der Polizei und die interessierte Öffentlichkeit zugänglich sein wird.“
Der besondere Dank des Innenministers für die Arbeit galt neben dem wissenschaftlichen Konsortium auch dem BMI-Projektteam, allen voran Abteilungsleiter Gerald Hesztera mit seinen Stellvertreterinnen Eva-Marina Strauß und Nicole Antal. Gemeinsam mit der Anfang Mai 2024 im Böhlau-Verlag veröffentlichten wissenschaftlichen Publikation bildet die Ausstellung den Abschluss des 2021 gestarteten Forschungsprojekts, dessen Agenden nun in die Abteilung für historische Angelegenheiten des Innenministeriums übergegangen sind.
Zusätzlich zur Ausstellung wurde von ORF III ein Dokumentarfilm über die Rolle der österreichischen Polizei während der NS-Zeit produziert. Der Film wurde im Rahmen der Ausstellungseröffnung von ORF-III-Geschäftsführer Peter Schöber vorgestellt.
Inhalt der Ausstellung.
Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb die eigene Täterschaft lange unbeleuchtet. Doch die Polizei spielte eine zentrale Rolle bei der Durchsetzung und Aufrechterhaltung der nationalsozialistischen Herrschaft. Die Ausstellung gibt einen Überblick über die Organisation, die Aufgaben und die Gesinnung der Exekutive im Nationalsozialismus. Anhand von Biografien werden die Schicksale und Verhaltensweisen österreichischer Polizisten und Gendarmen gezeigt. Dabei geht es darum, unterschiedliche Perspektiven und Handlungsspielräume aufzuzeigen. Der Großteil der in der Ausstellung präsentierten Materialien stammt aus den Beständen des BMI und der Landespolizeidirektionen, vor allem Personalakten, Urkunden, Schriften, Amtskorrespondenz, Plakate und Fotografien. Sie resultieren aus Recherchen für die Ausstellung, den Ergebnissen des Forschungsprojekts sowie laufenden exekutivhistorischen Arbeiten des Innenministeriums. In Ergänzung dazu wurden weitere österreichische und internationale Staats- und Landesarchive sowie private Sammlungen herangezogen. „Die Ausstellung erfüllt den demokratiepolitischen Auftrag des Innenministeriums als öffentliche Institution, einen kritischen und informierten Umgang mit der eigenen Vergangenheit zu fördern – nicht nur in der Ausbildung von Polizistinnen und Polizisten, sondern auch der Allgemeinheit gegenüber“, betonte die wissenschaftliche Projektleiterin Univ.-Prof. Dr. Barbara Stelzl-Marx bei der Ausstellungseröffnung.
Ausstellungseröffnung: Peter Schöber (ORF-III), Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, Barbara Stelzl-Marx (BIK), Martina Zerovnik (Kuratorin), Innenminister Gerhard Karner, Barbara Glück (Mauthausen Memorial) und Andreas Kranebitter (DÖW) ©: BMI/Jürgen Makowecz
Ausstellungsgestaltung.
„Die Konzeption und die Gestaltung der Ausstellung greifen das Wesen des Forschungsprojekts auf. Es geht darum, Anhaltspunkte für weiterführende Recherchen und Diskussionen zu bieten. Es wird keine gefällige, eingängige Vermittlung verfolgt, sondern bewusst mit Brüchen gearbeitet, die auch eine Beteiligung des Publikums einfordern“, erläuterte Kuratorin Mag. Martina Zerovnik. Analog zum Vorgang des Forschens erschließt sich nicht alles auf den ersten Blick. Im Schriftbild klaffen Lücken, sodass diese in Bruchstücke zerfallen, die von den Lesenden (wie von Forschenden) wieder zusammengesetzt werden. Die Leerstellen verdeutlichen sowohl die Mühen der Suche nach Bedeutung als auch das Fragmentarische der Materiallage. Die Gestaltung symbolisiert die Lücken im heutigen Wissensstand, aber auch die Verdunkelung, das Verdrängen, Vergessen und Verschweigen, von dem die eigene Geschichtsschreibung lange geprägt war. Sie verweist damit auf offene Fragen, die Brüchigkeit einfacher Antworten und die Notwendigkeit, genauer hinzuschauen.
E.-M. S.
Die Ausstellung ist bis zum 22. Mai in der Sala Terrena des Bundesministeriums für Inneres zu sehen, danach macht sie heuer in der Landespolizeidirektion Burgenland, sowie im Graz Museum Station. Anmeldung: polizeigeschichte@bmi.gv.at.
NS-Vergangenheit
Das Forschungsprojekt
Das Bundesministerium für Inneres (BMI) ist das erste Ressort in Österreich, das sich im Rahmen des Forschungsprojekts „Die Polizei in Österreich: Brüche und Kontinuitäten 1938–1945“ seiner NS-Vergangenheit
stellte. Ein Team der Universität Graz sowie des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgenforschung in Kooperation mit dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes und Mauthausen Memorials mit zentralen Aspekten der nationalsozialistischen Vergangenheit der österreichischen Polizei. Über zwei Jahre lang wurde in den Archiven des BMI sowie der Landespolizeidirektionen die Materiallage gesichtet
und Erkenntnisse gesammelt. Im Verlauf des Projekts präsentierten die Forschenden ihre Arbeiten auf zwei Tagungen und in Form von Textbeiträgen, die gesammelt in der Forschungspublikation im Mai 2024
erscheinen.
E.-M. S.
Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 5-6/2024
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