Landespolizeidirektion Wien
Schutz des Regierungsviertels
Für den Schutz der verfassungsmäßigen Einrichtungen im „Regierungsviertel“ in der Wiener Innenstadt sorgt seit Dezember 2020 die Einheit für Objektschutz (EOS).
Wien ist der Sitz der Bundesregierung und des Parlaments. Hier befinden sich die meisten diplomatischen Einrichtungen und die Sitze der obersten Organe der Republik. Zudem ist die österreichische Hauptstadt bei Touristen beliebt – 2022 wurden 13,2 Millionen Nächtigungen verzeichnet. Meist tummeln sich diese Touristen im Herzen Wiens, nämlich im ersten Bezirk, wo sich das Regierungsviertel befindet und Staatsbesuche stattfinden. Ausländische Regierungschefs und hohe politische Vertreter werden während ihres offiziellen Besuchs in Österreich von der Bundespolizei geschützt. Der Schutz dieser Einrichtungen bzw. Veranstaltungen stellt eine verfassungsmäßige Aufgabe dar.
Analyse.
Bis 2020 waren für den Schutz der obersten Organe mehrere Organisationseinheiten des Bundesministeriums für Inneres (BMI) bzw. der Landespolizeidirektion (LPD) Wien zuständig – das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT), das Stadtpolizeikommando im ersten Bezirk sowie Bedienstete anderer Stadtpolizeikommanden, die Objektschutzdienste im Schichtdienst verrichteten. Um den Objektschutz im Regierungsviertel zu optimieren, wurden Verantwortliche von 17 europäischen Objektschutzeinheiten befragt und eruiert, über welche Organisations- und Ausbildungsstrukturen sowie Ausrüstungen sie verfügen. Der überwiegende Teil dieser Länder verfügt über spezielle Polizeieinheiten für den Objektschutz der verfassungsmäßigen Einrichtungen. Aufgrund der Erhebungen wurde beschlossen, auch in Wien eine eigene Objektschutzeinheit einzurichten.
Einheit für Objektschutz.
Mit 1. Dezember 2020 wurde Oberst Alexander Schinnerl, BA MA als interimistischer Kommandant der neuen Einheit für Objektschutz („EOS“) eingesetzt, die in die Abteilung Sondereinheiten (ASE) der Landespolizeidirektion Wien eingegliedert ist. Er verfügt aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit als Offizier im Stadtpolizeikommando für den ersten Bezirk in Wien über eine hohe Expertise im Bereich des Objektschutzes und kennt das Regierungsviertel. „Rückblickend betrachtet, war es eine große Herausforderung für mich, da auch von den Verantwortlichen der im Regierungsviertel gelegenen Ressorts aufgrund der medialen Ankündigung und Berichterstattung eine Erwartungshaltung erkennbar war. Wir haben mit den Verantwortlichen Gespräche geführt, um gemeinsam einen Beitrag für die Sicherheit zu leisten“, sagt Schinnerl. Mit der Einrichtung einer Objektschutzeinheit konnten Schnittstellen reduziert und eine Optimierung bei der Verteilung der Kompetenzen, der Koordination und Kommunikation sichergestellt werden. Es wurden klare Aufgaben und Unterstellungsverhältnisse definiert, damit der Objektschutz von Teilaufgaben mehrerer Organisationseinheiten zu einer zentralen Aufgabe einer einzigen Einheit wurde.
Drei Fachbereiche.
Die „Einheit für Objektschutz“ (EOS) verfügt derzeit über 142 Bedienstete. Sie gehört zur Abteilung Sondereinheiten der LPD Wien und ist in drei Fachbereiche aufgeteilt: ziviler Objektschutz, dislozierter Objektschutz, Polizeiinspektion Regierungsviertel. Die EOS ist zuständig für die Innen- und Außensicherung sowie die Veranstaltungssicherheit für das Bundeskanzleramt, das Parlament, die Hofburg/Präsidentschaftskanzlei, den Wohnsitz des Bundespräsidenten, das Bundesministerium für Inneres, das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten und das Palais Dietrichstein.
Abwechslungsreiche Tätigkeiten.
Der Arbeitstag gestaltet sich für die EOS-Bediensteten in einer Abwechslung von stationärem Objektschutz, Fußstreifen und mobilen Streifen mit dem Dienst-Kfz sowie der Servicierung der Videoanlagen. In regelmäßigen Abständen absolvieren sie körperliche, waffentechnische und theoretische Aus- und Fortbildungen.
Die EOS-Bediensteten sind aufgrund ihrer einheitlichen Uniformierung sowie der Funktionsabzeichen in Zivilkleidung erkennbar. Die Mitarbeiter sind ortskundig, kennen die jeweiligen Ansprechpartner und sind in Objektsicherheit geschult.
Rekrutierung, Voraussetzungen.
Die Rekrutierung erfolgt zum größten Teil durch Interessentensuchen, Weitervermittlungen aus dem Kollegenkreis und durch Dienstzuteilungen. Das bedeutet, dass Exekutivbedienstete der LPD Wien kurz nach der Absolvierung der Grundausbildung den vorübergehenden Dienst bei einer von vier Organisationseinheiten (Landesleitzentrale, Bereitschaftseinheit, Abteilung für Fremdenwesen oder Einheit Objektschutz) wahlweise leisten müssen bzw. können. In einem Gespräch mit den Führungskräften der EOS werden die persönlichen und fachlichen Kompetenzen der Interessentinnen und Interessenten ausgelotet.
„Eine ursprünglich geplante zusätzliche Leistungsüberprüfung erfolgt nicht, jedoch wird großer Wert auf Fortbildungsmaßnahmen und auf körperliche Fitness gelegt“, sagt Brigadier Andreas Kohs, BA MA, Leiter der Abteilung Sondereinheiten (ASE) der LPD Wien. Besonders wichtig ist den beiden Führungskräften, dass die Bediensteten Teamfähigkeit, Belastbarkeit, Kommunikationsfähigkeit und sicheres Auftreten mitbringen.
Aus- und Fortbildung, Schulungskonzept.
Nach der Aufnahme in der EOS werden die Bediensteten in ihre künftigen Aufgaben eingewiesen. Es wird ihnen vermittelt, welche Regierungsmitglieder, hohe Verantwortungsträger sowie wichtige Ansprechpersonen in den jeweiligen Schutzobjekten derzeit im Amt sind. In der Ausbildung wird unter anderem das Verhalten gegenüber obersten Organen behandelt, Ortskunde, Evakuierungsmaßnahmen und anderes mehr. Brigadier Kohs sagt, dass spezielle Schulungsinhalte erarbeitet werden sollen, um die professionelle Arbeit der Mitarbeiter weiter steigern zu können. Darunter die Themen „Kommunikation mit ranghohen Persönlichkeiten, Verhalten gegenüber Diplomaten, Etikette etc.“ Es finden Fortbildungen und periodisch praktische Übungen mit bzw. in den unterschiedlichen Ressorts statt.
Es ist wieder eine Übung unter Einbindung anderer polizeilicher Einheiten sowie von Rettungs- oder Feuerwehreinheiten geplant. Das Zusammenwirken mit anderen Blaulicht-Organisationen sowie mit den privaten Sicherheitsdiensten innerhalb der Schutzobjekte muss regelmäßig geübt werden, damit die Zusammenarbeit im Ernstfall gelingt. Grundsätzlich sind die Bediensteten in der Ausübung von Erste-Hilfe-Maßnahmen (z. B.: Bedienung des Defibrillators in den Amtsgebäuden) ausgebildet. Jedoch ist es wichtig, die nachrückenden Rettungskräfte rasch, sicher und zielgerichtet innerhalb der vielen Schutzobjekte zu begleiten.
Zusammenarbeit mit der EKO Cobra/DSE.
Besonders interessant stellt sich die abgestimmte Ausbildung und Einsatztaktik mit der Personenschutzabteilung sowie mit den Drohnen-Abwehr-Einheiten der Direktion für Spezialeinheiten bzw. dem EKO Cobra dar. Im Ernstfall müssen Evakuierungen von Schutzpersonen rasch und effektiv gemeinsam mit den Personenschützern des EKO Cobra ablaufen. Sollte es im Regierungsviertel zu einem unerlaubten Drohnenflug kommen, wird die „Drohnen-Abwehr“ der EKO Cobra/DSE aktiv. Von der EOS gibt es für diese Zwecke eine mobile Streife, die in Abstimmung mit den Drohnenabwehr-Spezialisten den zugehörigen Piloten ausfindig macht und anzeigt.
Über dem Regierungsviertel herrscht eine Flugverbotszone, die auch für Drohnen gilt. Die Bediensteten der EOS werden regelmäßig im Umgang mit Drohneneinsätzen geschult und demnächst soll ein Mitarbeiter zum Drohnenpiloten ausgebildet werden.
Besondere Herausforderungen.
Immer wieder langen Drohschreiben gegen Repräsentanten der Republik und verdächtige Briefsendungen ein. Es finden Sachbeschädigungen unter anderem durch Beschmieren statt und es kommt regelmäßig zu unangemeldeten Kundgebungen sowie aktionistischen Handlungen im Umfeld von Schutzobjekten, bei denen EOS-Bedienstete einschreiten müssen. So kam es bislang zu Situationen, bei denen hausfremde Personen versuchten, in ein Schutzobjekt zu gelangen. Allerdings konnten das von EOS-Bediensteten verhindert werden.
Die größten Herausforderungen ergeben sich in der täglichen Dienstverrichtung, um den Bedürfnissen der Repräsentanten der Republik Österreich zu entsprechen und ein hohes Maß an Sicherheit zu gewährleisten. Die Hofburg umfasst eine Fläche von 24 Hektar und ist der größte für nicht religiöse Zwecke erbaute Gebäudekomplex in Europa.
Die einzelnen Ressorts sowie der Amtssitz des Bundespräsidenten sind meist in historischen Gebäuden untergebracht. Die Architektur und der Denkmalschutz lassen sehr wenig Spielraum für die notwendigen technischen Adaptierungen zur Gewährleistung der Sicherheit zu. Meist sind Flexibilität, Fingerspitzengefühl, Erfahrung und Professionalismus der einzelnen Bediensteten der Einheit für Objektschutz gefragt, um die erforderliche Sicherheit rund um die Uhr aufrecht erhalten zu können.
A. H.
Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2023
Druckversion des Artikels (PDF 509 kB)