Sozialleistungsbetrug
Zahl an Betrugsfällen steigt
Seit sechs Jahren geht die Polizei mit einer Taskforce gegen Sozialleistungsbetrug vor. Die Erschleichung einer Leistung soll bekämpft, weitere finanzielle Schäden verhindert werden.
Österreich verfügt über eines der besten Sozialversicherungssysteme der Welt. Sozialleistungen spielen in der sozialen Sicherheit in unserem Land eine wichtige Rolle, denn sie dienen der Unterstützung jener, die aus unterschiedlichen Gründen finanzielle Hilfe vom Staat benötigen. Sozialleistungsbetrug hat weitreichende und tiefgreifende Auswirkungen auf die Gesellschaft, denn für den Staat, der Milliarden von Euro in Sozialleistungen investiert, bedeutet dies erhebliche finanzielle Verluste. Durch den entstandenen Schaden gibt es weniger Ressourcen für diejenigen, die auf Hilfe angewiesen sind.
Vorgehensweisen.
Häufig wird Einkommen oder Vermögen verschwiegen, Bedürftigkeit vorgegeben, werden Leistungen durch falsche Angaben zu familiären Verhältnissen erschlichen oder Beschäftigungsverhältnisse sowie Scheinwohnsitze vorgetäuscht. Die Mitglieder der Taskforce Sozialleistungsbetrug des Bundeskriminalamtes haben mehr als 50 Begehungsformen identifiziert.
Zusammenarbeit.
Eine bedeutende Rolle im Kampf gegen diese Form der Wirtschaftskriminalität spielt die Taskforce Sozialleistungsbetrug (TF Solbe). Seit ihrer Gründung 2018 wurde ein nationales und internationales Netzwerk aufgebaut, um gegen Sozialleistungsbetrüger vorzugehen. Neben der Finanzpolizei, die zentraler Partner ist, tragen die Landespolizeidirektionen, das Bundesamt Fremdenwesen und Asyl sowie Botschaften und Verbindungsbeamtinnen und -beamte im Ausland zu Ermittlungserfolgen bei.
Diese Zusammenarbeit ermöglicht einen umfassenden Informationsaustausch und eine koordinierte Vorgehensweise, die entscheidend bei der Aufdeckung und Verhinderung von Betrugsfällen ist. Zu diesem Zweck finden regelmäßig Vernetzungstreffen statt, da sie den direkten Austausch und die Abstimmung zwischen den beteiligten Behörden und relevanten Stakeholdern fördern.
Seit 2018 wurden mehr als 112 Millionen Euro Schaden aufgedeckt. 2023 konnte die Taskforce einen Schaden von rund 25,5 Millionen Euro ausmachen, indem sie Dauer-Betrugsfälle verhinderte bzw. aufdeckte, sowie 4.650 Verdächtige ausforschten – so viele wie noch nie. Neben verstärkten Kontrollen wurden Sensibilisierungsmaßnahmen für relevante Stakeholder gesetzt, wie etwa die Pensionsversicherungsanstalt oder das Arbeitsmarktservice sowie andere auszahlende Stellen.
Dauer-Delikt.
Beim Sozialleistungsbetrug handelt es sich um ein „Dauer-Delikt“, was bedeutet, dass die unrechtmäßige Bereicherung dauerhaft läuft, wenn der Betrug nicht aufgedeckt wird. Deshalb ist der „verhinderte“ Schaden ein zentraler Punkt. Seit der Installierung der Taskforce wurden 18.700 Delikte angezeigt, mit einem Gesamtschaden von mehr als 112 Millionen Euro. In diesem Zeitraum wurden 20.000 Verdächtige ausfindig gemacht.
TF Solbe.
Die im Bundeskriminalamt installierte Einheit ist nicht nur in Ermittlungen tätig, sondern auch bei Schwerpunktaktionen, wie Kontrollen des internationalen Flugverkehrs. Die Schwerpunktmaßnahmen auf Flughäfen dienen in erster Linie zur Feststellung nicht gemeldeter Auslandsaufenthalte während des gleichzeitigen Bezuges von Sozialleistungen, wie etwa die bedarfsorientierte Mindestsicherung, Notstandshilfe, Ausgleichszulage zur Pension oder diversen Familiensozialleistungen.
Scheinwohnsitze.
Ein weiterer Aspekt der Arbeit der Taskforce sind Sensibilisierungsmaßnahmen, um Betrugsversuche früh zu erkennen. Derzeit liegt ein Schwerpunkt auf der Bekämpfung von Scheinwohnsitzen. Bei diesem Modus Operandi wollen die Täter durch die Angabe falscher Adressen unrechtmäßige Sozialleistungen erschleichen. Scheinwohnsitze werden aufgedeckt durch die Nichtwahrnehmung von Vorstellungsterminen bei auszahlenden Stellen, durch Ermittlungen am Scheinwohnsitz (Unerreichbarkeit, volle Postkästen mit Post an die gesuchte Person), durch Hinweise von Nachbarn, Bekannten und Verwandten sowie durch Beiträge von den Sozialleistungsbeziehern in sozialen Netzwerken. Die Überprüfung und Aufdeckung solcher Scheinwohnsitze hat zu zahlreichen Erfolgen geführt.
Unrechtmäßig bezogene Witwenpension.
Ab 2001 erhielt eine 55-jährige Türkin in Österreich eine monatliche Witwenpension in der Höhe von 613 Euro. 2012 heiratete die Frau, dieses Mal in Norwegen, und meldete das den österreichischen Behörden nicht. Die PVA erfuhr vom Betrug durch eine Sendung aus der Türkei, wo die Scheidung bekannt gegeben worden war. Über elf Jahre bezog die Frau unrechtmäßig eine Witwenpension und verursachte damit einen Schaden von über 66.000 Euro.
Flüchtiger Deutscher.
Ein 75-jähriger Deutscher wird verdächtigt, zwei Betrugshandlungen begangen zu haben: Der in Salzburg wohnhafte Mann verschwieg dem Sozialamt der Stadt sein Einkommen und Vermögen aus Zinsen, Dividenden, realisierten Wertsteigerungen sowie Miet- und Verkaufseinkünften, um die Kriterien für den Erhalt der Mindestsicherung zu erfüllen. Über mehr als drei Jahre hatte er sich unrechtmäßig bereichert und einen Schaden von 34.000 Euro beim Sozialamt verursacht. Auch gegenüber der PVA verschwieg der Deutsche seine Einkünfte, um die EWR-Ausgleichszulage zu seiner deutschen Rente zu erhalten. Knapp neun Jahre lang hielt er den Schein aufrecht, wodurch ein Schaden von 49.000 Euro entstand. Der Verdächtige befindet sich auf der Flucht und ist europaweit zur Festnahme ausgeschrieben.
Betrug mit Arzt-Honorarnoten.
Von 2010 bis 2023 fälschte und verfälschte ein 32-jähriger Österreicher Arzt-Honorarnoten und reichte sie bei Krankenversicherungsträgern und privaten Versicherungen für eine Kostenrückerstattung ein. Als im November 2023 bei einer Versicherung eine große Anzahl an Honorarnoten und Fahrtkosten des Beschuldigten einlangten und den Mitarbeitern das seltsam vorkam, wurde der Fall geprüft. Der Mann hatte um Kostenrückerstattung von insgesamt 9.900 Euro angesucht, wovon nur 1.400 Euro berechtigt gewesen wären. Das veranlasste die Versicherung zu einer umfassenden Prüfung aller jemals eingereichten Dokumente. Nach der Ausforschung und dem Geständnis leistete der Beschuldigte eine Wiedergutmachung des Schadens in der Höhe von rund 119.000 Euro.
Strafrechtliche Konsequenzen.
Wer vorsätzlich Falsches gegenüber einer Behörde angibt, um an Geld zu kommen, macht sich des Betrugs (§ 146 Strafgesetzbuch und folgender) strafbar. Unter dem Begriff Behördenbetrug werden sämtliche Fälle zusammengefasst, in denen sich Personen bei Verwaltungsbehörden oder Gerichten durch falsche Angaben Leistungen erschleichen. Täuschungen können etwa durch die tatsachenwidrige Erklärung einer finanziellen Hilfsbedürftigkeit begangen werden oder durch Unterlassen, beispielsweise durch Vorenthalten relevanter Tatsachen vor der Behörde. Sozialleistungsbetrug ist mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bedroht. Da die Ausführungsgesetze zur Sozialhilfe beziehungsweise bedarfsorientierten Mindestsicherung in der Vollziehung Landessache sind, steht es den Ländern frei, Verstöße ungeachtet der gerichtlichen Straftatbestände unter Verwaltungsstrafe zu stellen. Diese reichen bis zu 4.000 Euro. Bei Aufklärung solcher Sachverhalte veranlassen die auszahlenden Stellen Rückforderungs- und Einbehaltungsbescheide an die Leistungsbezieher in der Höhe des Schadens.
Abgrenzung.
Während bei Sozialleistungsbetrug die Bezieherinnen und Bezieher falsche Angaben machen, um illegal an Sozialleistungen zu kommen, handelt es sich bei Sozialbetrug um die Nichtentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen, oft in Zusammenhang mit Scheinunternehmen und organisierter Schwarzarbeit. Verdachtsfälle wegen Sozialleistungsbetrug können bei jeder Polizeidienststelle angezeigt werden. Kontakt im Bundeskriminalamt: sozialleistungsbetrug@bmi.gv.at.
Romana Tofan
Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2024
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