Bundes-Krisensicherheitsgesetz
Steigerung der Resilienz
Die Diversität potenzieller Krisenszenarien und eine zunehmend von globalen Rahmenbedingungen abhängige „Gefahrenlage“ erforderten eine Anpassung des Krisenmanagements des Bundes.
Für ein erfolgreiches Krisenmanagement ist die Koordination zwischen den betroffenen Akteuren von entscheidender Bedeutung. Im Hinblick darauf, dass die bisherigen Koordinationstätigkeiten im Bereich des staatlichen Krisen- und Katastrophenschutzmanagements weitgehend lediglich auf einem Ministerratsbeschluss aus dem Jahr 2004 basieren, hat sich die Bundesregierung in ihrem Regierungsprogramm für die Jahre 2020 bis 2024 auf die Entwicklung rechtlicher Rahmenbedingungen für das staatliche Krisen- und Katastrophenschutzmanagement unter Beachtung der Bundes- und Landeskompetenzen verständigt. Entwicklungen in der jüngeren Vergangenheit, wie die Covid-19-Pandemie, haben neben Stärken Verbesserungspotenzial im Krisenmanagement aufgezeigt.
Bundes-Krisensicherheitsgesetz.
Diesen Überlegungen soll das Bundes-Krisensicherheitsgesetz (B-KSG) Rechnung tragen, indem unter Berücksichtigung jüngster Erfahrungen (z. B. Entwicklungen in der Ukraine) bisher bewährte informelle Koordinationsstrukturen rechtlich abgebildet und weiterentwickelt werden, um die staatliche Resilienz zu steigern. Zu diesem Zweck wurden organisatorische Rahmenbedingungen und ressortübergreifende Gremienstrukturen vor und bei Vorliegen von Krisen geschaffen sowie ein umfassender Informationsaustausch vorgesehen. Im Sinne größtmöglicher Effizienz und Akzeptanz der im Rahmen des Krisenmanagements getroffenen Maßnahmen in der Bevölkerung wird eine Einbindung weiterer relevanter Akteure (Länder, Einsatzorganisationen etc.) sichergestellt und soll die Anordnung umfassender Berichts- und Dokumentationspflichten die Transparenz und Nachvollziehbarkeit staatlichen Handelns gewährleisten. Wesentlich ist, dass die politische (und rechtliche) Verantwortlichkeit der jeweils inhaltlich zuständigen Bundesminister von diesen Regelungen unberührt bleibt.
Institutioneller Rahmen.
Das B-KSG tritt mit 1. Jänner 2024 in Kraft. Es gibt als Organisationsgesetz lediglich den institutionellen Rahmen vor. Individuelle Maßnahmen zur Abwehr und Bewältigung einer Krise sind – aufgrund der unterschiedlichen spezialgesetzlichen Gegebenheiten – wie bisher den jeweiligen Materiengesetzen vorbehalten. Ziel des B-KSG ist es daher auch, einen Anreiz dafür zu schaffen, notwendige Anpassungen der Materiengesetze an Krisensituationen anzudenken. Im Rahmen des Gesetzesvorhabens erfolgte bereits insoweit eine solche materienspezifische Anknüpfung an das B-KSG, als durch eine Änderung des Meldegesetzes 1991 künftig auch bei jeder Bundeskrise die Möglichkeit besteht, Verknüpfungsanfragen (Abfragen nach anderen Suchkriterien als dem Namen des Betroffenen, etwa Geburtsdatum) im Zentralen Melderegister durchzuführen.
Krisendefinition, Krisenfeststellung.
Vor dem Hintergrund, dass im Bereich der Krisen verfassungsrechtlich keine allgemeine Kompetenz des Bundes besteht, wurde eine Definition von „Bundeskrisen“ als notwendig erachtet. Demnach liegen die Voraussetzungen für die Feststellung einer Bundeskrise dann vor, wenn durch ein Ereignis, eine Entwicklung oder sonstige Umstände in Angelegenheiten, in denen dem Bund die Gesetzgebung und Vollziehung zukommt, eine außergewöhnliche Gefahr für bestimmte taxativ aufgezählte Rechtsgüter, wie etwa das Leben oder die Gesundheit der Bevölkerung oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Inneren, unmittelbar droht, entsteht oder bereits besteht und zudem „Gefahr im Verzug“ vorliegt. Die Feststellung der Krise hat durch eine Verordnung der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrats zu erfolgen. Die Landeshauptleute sind vor Krisenfeststellung zu informieren. Die Verordnung ist grundsätzlich auf sechs Wochen befristet. Liegen die Voraussetzungen für eine Krise nicht mehr vor, ist die Verordnung von der Bundesregierung aufzuheben.
Regierungsberater.
Zur Sicherstellung eines gesamthaften strategischen Überblicks der obersten Organe des Bundes wird im Bundeskanzleramt die Funktion eines Regierungsberaters sowie eines stellvertretenden Regierungsberaters eingerichtet und ein Beratungsgremium geschaffen, das den Regierungsberater bei Erstellung des strategischen Gesamtlagebildes unterstützt. Die mit der Funktion des Regierungsberaters verbundene strategische Expertenrolle wird in Hinkunft eine wesentliche Grundlage für (insbesondere strategische) Entscheidungen der obersten Organe des Bundes darstellen.
Bundeslagezentrum.
Für die Bundesregierung wird im Bundesministerium für Inneres ein permanentes, ressortübergreifendes Bundeslagezentrum mit höchsten internationalen Sicherheits- und technischen Ausstattungsstandards, insbesondere zur Informationssammlung und zur Erstellung von Lagebildern, eingerichtet. Im Sinne einer optimierten horizontalen Kooperation ist vorgesehen, dass die Aufgabenerfüllung unter Einbeziehung der im Einzelfall betroffenen Bundesministerien und unter anlassbezogener Mitwirkung der Länder, des Österreichischen Städte- und Gemeindebundes sowie der Einsatzorganisationen erfolgt.
Weitere Gremien.
Die permanent eingerichteten ressortübergreifenden Fachgremien (z. B. sicherheitspolitisches Fachgremium, gesundheitspolitisches Fachgremium, verteidigungspolitisches Fachgremium) dienen künftig der Beobachtung, Analyse und Bewertung aktueller Entwicklungen zu bestimmten Themengebieten. In diesen „Diskussionsforen“ soll eine Vernetzung, Vorberatung sowie Vorbereitung von Entscheidungen im jeweiligen Zuständigkeitsbereich der obersten Organe des Bundes erfolgen. Mit dem Bundes-Krisensicherheitskabinett wird auf politisch-strategischer Ebene unter der Vorsitzführung des Bundeskanzlers ein ressortübergreifendes Gremium eingerichtet und obliegt diesem künftig die gesamthafte strategische Koordination von Fragen der Krisenvorsorge und -bewältigung.
Zur Beratung der obersten Organe des Bundes sowie zur Koordination von operativen Maßnahmen sieht das B-KSG die Möglichkeit vor, sowohl bei krisenhaften Entwicklungen als auch bei Vorliegen einer Bundeskrise durch Beschluss der Bundesregierung ein primär operativ tätiges Koordinationsgremium einzurichten. Die Leitung des Koordinationsgremiums obliegt grundsätzlich dem Bundeskanzler, jedoch ist vorgesehen, dass die Bundesregierung auch einen anderen Bundesminister mit dieser Aufgabe betrauen kann (z. B. aufgrund des sachlichen Nahebezugs).
Verpflichtung zur Krisenvorsorge.
Auch der Vorbereitung auf Krisen kommt eine erhebliche Bedeutung zu. Klargestellt wird, dass die Mitglieder der Bundesregierung in ihrem Wirkungsbereich verpflichtet sind, Maßnahmen zur Krisenvorsorge zu treffen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass auch bei einer Krise die staatlichen Strukturen solange wie möglich die für die Bevölkerung notwendigen Leistungen erbringen können.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen ist es essenziell, Strukturen zu schaffen, um auf Krisen rasch und effizient reagieren zu können. Der nunmehr vorgesehene Rechtsrahmen stellt einen entscheidenden und erfolgsversprechenden Faktor im Rahmen der vielschichtigen Herausforderungen im Krisenmanagement dar.
Katharina Schmögl
Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2023
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