Polizeiliche Kriminalstatistik 2022
Cybercrime und Gewalt
2022 wurden rund 489.000 Delikte angezeigt. Deutlich mehr als 2021, jedoch fast so viele wie vor der Covid-19-Pandemie. Bei Cybercrime wurden über 30 Prozent mehr Anzeigen verzeichnet.
Nachdem die Kriminalität in den pandemiegeprägten Jahren in fast allen Deliktsbereichen gesunken war, stieg sie nach Aufhebungen der Covid-19-Maßnahmen wieder an. „Die Gesamtkriminalität ist wieder auf dem Vor-Corona-Niveau angekommen“, sagte Innenminister Gerhard Karner bei der Präsentation der Kriminalstatistik 2022 am 6. März 2023 in Wien.
Als die größten Herausforderungen im abgelaufenen Jahr bezeichnete der Innenminister vor allem drei Kriminalitätsbereiche. „Der erste Bereich betrifft das Thema ‚Extremismus‘ in allen Erscheinungsformen, es betrifft staatsfeindliche Verbindungen, Staatsverweigerer oder Reichsbürger. Die Zahl der angezeigten strafbaren Handlungen liegt hier zwar auf dem Niveau von 2021, allerdings ist sie höher als vor der Pandemie.“ 2022 seien mehr als 660 Personen angezeigt, mehr als 100 Hausdurchsuchungen vorgenommen und 37 Festnahmen durchgeführt worden. „Die Herausforderungen im Bereich des Extremismus brauchen auch in den Bundesländern einen schlagkräftigen Verfassungsschutz, weshalb die Landesämter für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung in den Bundesländern völlig neu ausgerichtet werden“, sagte der Innenminister. „Die gegenwärtig laufende Reform des Kriminaldienstes hat den Kampf gegen die Cyber-Kriminalität und die dafür notwendigen Präventionsmaßnahmen im Fokus.“ Durch Schwerpunktdienststellen würden Spezialistinnen und Spezialisten näher bei den Menschen sein, wodurch Ermittlungen beschleunigt und Präventionsveranstaltungen zielgenauer durchgeführt werden könnten. „Hier sind wir in der Umsetzung“, sagte Karner.
Als zweiten Punkt führte der Innenminister den Kampf gegen die Schleppermafia an. „Mit der Schlepperkriminalität wird schmutziges Geld verdient, tote Menschen spielen keine Rolle.“ Die österreichische Polizei habe im abgelaufenen Jahr eine herausragende Arbeit bei der Bekämpfung der Schlepperei geleistet, betonte Karner. „Es wurde 687 Schlepper festgenommen, eine Steigerung um 56 Prozent, weshalb auch Anfang 2023 im Bundeskriminalamt eine spezialisierte Abteilung eingerichtet wurde, um die Schleppermafia noch effektiver bekämpfen zu können.“
Der dritte Bereich betreffe die Cyber-Kriminalität. „Diese hat in den vergangenen zehn Jahren stetig zugenommen, jetzt um über 30 Prozent“, sagte Karner. Das sei eine Auswirkung der Digitalisierung, aber auch der zunehmenden Bereitschaft, Straftaten anzuzeigen. Das betreffe Bereiche wie Hass im Netz, Betrugsdelikte, Fake-News, Cyber-Angriffe auf Behörden oder den abscheulichen Missbrauch von Kindern, der oftmals online erfolge und immer brutaler werde.
Die polizeiliche Kriminalstatistik zeigt für 2022 einen Anstieg der Anzeigenzahl um 19 Prozent auf 488.949 Anzeigen, wodurch fast das Niveau vor der Covid-19-Pandemie erreicht wurde (2019: 488.912). Die Aufklärungsquote mit 52,2 Prozent konnte gehalten werden. Die höchste Aufklärungsquote wurde mit 61,7 Prozent in Tirol und 61,4 Prozent in Vorarlberg erzielt. 2022 konnten 302.530 Tatverdächtige ausgeforscht werden, 13,3 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Gestiegen ist die Anzahl der fremden Tatverdächtigen: Waren es 2013 85.376, wurden 2022 128.594 Fremde ermittelt. Rumänien, Deutschland, Serbien, die Türkei und Ungarn waren die Top-Herkunftsländer.
Cybercrime massiv gestiegen.
Cybercrime stellt die Ermittlerinnen und Ermittler aufgrund des stetigen Wandels vor immer neue Herausforderungen. 2022 setzte sich der Aufwärtstrend der vergangenen Jahre fort: 60.195 Delikte wurden 2022 angezeigt, was nicht nur ein Plus von 30,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeutete, sondern auch einen neuen Höchstwert markierte (2021: 46.179). Rund 46 Prozent der Fälle entfielen auf Internetbetrugs-Delikte (27.629 Anzeigen). In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Anzeigen wegen Internetbetrug mehr als verdreifacht (2013: 7.667). Der Anstieg der Deliktszahlen in diesem Bereich ist vermutlich auf den technologischen Fortschritt zurückzuführen, denn jegliche neue Technologie bietet den Tätern neue Möglichkeiten, ihre Vorgehensweise anzupassen oder zu verlagern.
Kryptowährungen.
Anleger erhoffen sich Gewinne mit Kryptowährungen und Kriminelle nutzen sie für illegale Geschäfte oder, um Kapitalanleger zu schädigen. Ermittlerinnen und Ermittler des Cybercrime-Competence-Centers (C4) im Bundeskriminalamt konnten in den vergangenen fünf Jahren mehr als 5,2 Millionen Euro in Kryptowährungen sichern. Die beschlagnahmten Gelder werden auf „Behördenwallets“ sichergestellt und wenn möglich den Geschädigten zurücküberwiesen. Rund 1.000 solcher Wallets stehen den Polizistinnen und Polizisten derzeit zur Verfügung.
Sextortion.
2022 wurde auch bei Sextortion mehr Anzeigen als im Vorjahr festgestellt. Der Begriff Sextortion bezeichnet eine Methode, bei der eine Person mit Bild- oder Videomaterial, das sie beim Vornehmen sexueller Handlungen oder nackt zeigt, erpresst wird. Die Täter drohen mit der Veröffentlichung der Videos bzw. Nacktfotos in sozialen Netzwerken oder mit der Übermittlung an die Familie oder Freunde der Betroffenen. 2022 verzeichnete die Polizei eine Steigerung von 89,8 Prozent auf 3.424 angezeigte Fälle im Vergleich zum Jahr zuvor und übertriff den Höchstwert von 2019 (2019: 1.958, 2021: 1.804).
Online-Kindesmissbrauch.
Im Bereich der pornografischen Darstellungen Minderjähriger hat sich die Zahl der Anzeigen seit 2013 beinahe vervierfacht: Waren es 2013 551 angezeigte Straftaten, so wurden 2022 2.061 Delikte erfasst. Im Vergleich zum Vorjahr wurden 7,3 Prozent mehr Anzeigen registriert (2021: 1.921).
Internetserviceprovider (ISP) in den USA und Kanada sind rechtlich dazu verpflichtet, Verdachtsfälle solcher Darstellungen zu melden. Werden Verdachtsfälle erfasst, werden sie automatisch an die zuständige NGO dem US National Centre für Missing and Exploited Children (NCMEC) übermittelt. Diese leitet die Verdachtsmeldung an das jeweilige Land weiter, dem der Verursacher bzw. Verursacherin zugeordnet werden konnte. 2022 forschte die Polizei durch solche Meldungen österreichweit 781 Verdächtige aus.
Mehr Gewaltdelikte, aber weniger Gewalt in der Privatsphäre.
2022 wurden österreichweit 78.836 Gewaltdelikte zur Anzeige gebracht, ein Anstieg um 16,9 Prozent, womit das Niveau vor Covid-19 mit 73.079 angezeigten Straftaten übertroffen wurde (2021: 67.441). Wie in den Jahren zuvor, kamen 2022 am häufigsten Stichwaffen (2.393) zum Einsatz, gefolgt von Hiebwaffen (598) und Schusswaffen (305). 33 männliche und 39 weibliche Mordopfer wurden im Berichtsjahr verzeichnet. Hinsichtlich der Gewalt in der Privatsphäre konnte ein Rückgang von 20.213 auf 19.897 Anzeigen verzeichnet werden, ein Minus von 1,6 Prozent.
Eigentumskriminalität noch unter Niveau von 2019.
Aufgrund der Beschränkungen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie wurden 2020 und 2021 weniger Anzeigen im Bereich der Eigentumskriminalität, darunter fallen Einbruchsdiebstahl und Diebstahl, verzeichnet.
Nach den Öffnungen und der Rückkehr zum „normalen Leben“ wurde 2022 ein Anstieg registriert: 139.018 Eigentumsdelikte gelangten zur Anzeige, ein Plus von 28 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Doch trotz der Zunahme wurde das Niveau vor Covid-19 nicht erreicht (2019: 164.080).
Jedes fünfte Delikt wurde 2022 von der Polizei aufgeklärt. Im Berichtsjahr wurden Einbrüche am häufigsten auf öffentlichen Orten, Straßen oder Parkplätzen (9.239), in Keller (9.138) oder Wohnräume verübt. Der Einbruchsdiebstahl in Keller war als einzige Deliktsform im Bereich der Eigentumskriminalität von den Covid-19-Maßnahmen nicht betroffen.
2022 wurde zudem ein erneuter Anstieg von 27,4 Prozent auf 9.138 Straftaten registriert (2021: 7.159). Bei rund der Hälfte der vollendeten Delikte wurde ein Fahrrad entwendet.
Reisende Täter.
6.058 Anzeigen wegen Einbruchs in Wohnhäuser und Wohnungen wurden 2022 von der Polizei erfasst, was einer Steigerung von 31,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht (2021: 4.612). In den letzten zehn Jahren kann ein kontinuierlicher Rückgang festgehalten werden: So gab es 2013 noch 16.548 angezeigte Delikte und bis 2019 halbierte sich die Zahl mit insgesamt 8.835 Straftaten beinahe.
Die Reisebeschränkungen aufgrund der Pandemie haben darüber hinaus deutlich gemacht, dass der Wohnraum-Einbruchsdiebstahl zu einem sehr großen Teil von reisenden Tätern begangen wird. Europaweit konnte ein Rückgang der Straftaten beobachtet werden.
Dass diese Deliktsform hauptsächlich von professionellen, reisenden Täter begangen wird, zeigt sich auch darin, dass es 2020, 2021 und im ersten Halbjahr 2022 bei mehr als der Hälfte aller Wohnraumeinbrüche beim Versuch geblieben ist. Nach der Aufhebung der Reisebeschränkungen und dem Beginn der Dämmerungseinbrüche 2022 wurde sichtbar, dass die reisenden Tätergruppen wieder aktiv geworden sind. Doch seit einigen Jahren geht die Polizei mit speziellen Konzepten und Präventionsmaßnahmen gegen Einbrüche in der Dämmerungszeit vor.
Allzeit-Höchstwert bei Wirtschaftskriminalität.
Wirtschaftskriminalität gliedert sich in die Bereiche Betrug, Wirtschaftsdelikte, Urkundenkriminalität und Missbrauch unbarer Zahlungsmittel. 2022 wurden 91.844 Delikte angezeigt, was ein Plus von 21,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht und einen neuen Allzeit-Höchstwert markiert (2021: 75.469).
Zurückzuführen ist die Zunahme auf den Anstieg beim Internetbetrug und beim betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauch, worunter der NFC-Betrug mit missbräuchlich verwendete Bankomatkarten fällt. Hier wurden 2022 18.441 Anzeigen erstattet, ein Plus von 45,2 Prozent (2021: 12.701). Im Berichtsjahr entfiel der Großteil der Fälle von Wirtschaftskriminalität wieder auf Betrugsdelikte (51.866).
Trickbetrug.
Der Trickbetrug kennt viele Erscheinungsformen und ist durch eine lange Geschichte geprägt. Oftmals täuschen die Täter dem Opfer eine Notlage, wie eine defekte Bankomatkarte, einen dringend benötigten medizinischen Eingriff oder ausgegangenes Benzin vor. Sie nehmen häufig Kontakt über Telefon, SMS, Messengerdienste oder E-Mail auf und setzen ihre Opfer zunehmend unter Druck, ehe sie einwilligen, sich mit dem vermeintlichen „Neffen“ oder „Polizeibeamten“ zu treffen.
2022 ist die Zahl der Trickbetrügereien wieder gestiegen: 4.335 Delikte wurden bei der Polizei angezeigt, ein Plus von 24,2 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr konnte die Aufklärungsquote um 7,5 Prozentpunkte auf 21,3 Prozent angehoben werden.
Romana Tofan
www.bundeskriminalamt.at.
Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 5-6/2023
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