Innenministerium

Aufnahme Neu: Entschärft oder optimiert?

Das überarbeitete Polizeiaufnahmeverfahren sorgt seit dessen Ankündigung Ende letzten Jahres für Aufregung. Ist es zu leicht? Kann jetzt jeder Polizist werden? Warum wird überhaupt etwas geändert? Mittlerweile ist der erste Durchgang nach dem neuen Schema absolviert und somit Zeit, ein erstes Fazit zu ziehen.

"Das Aufnahmeverfahren wurde modernisiert, die Prozesse optimiert und bundesweit wurden einheitliche Standards eingeführt, um den Bewerberinnen und Bewerbern ein rasches und absolut faires Aufnahmeverfahren ermöglichen zu können", sagt Mag.a (FH) Lana Ganselmayer, die Leiterin des Referats I/1/g – Neuaufnahmen Exekutivdienst – Verfahren (NEV) im Innenministerium. "Das neue Testverfahren wurde zeitgemäß gestaltet, und wie gut das bei den Leuten ankommt, merkt man an dem erhöhten Bewerberandrang."
Die genauen Bewerberzahlen von Anfang 2019 wurden bereits ausgewertet. Im Zeitraum vom 1. Jänner 2019 bis 28. Februar 2019 gab es österreichweit 3.233 Bewerbungen. Im selben Zeitraum des letzten Jahres waren es 1.219. Das entspricht einem Plus von 2.014 Bewerberinnen und Bewerbern. Für das Anmeldefenster "April bis Mai" sind es bereits 870, letztes Jahr waren es 583 Anmeldungen für dasselbe Zeitfenster. "Die optimierten Abläufe des neuen Aufnahmeverfahrens tragen dazu bei, dass trotz hoher Bewerberzahlen alle Termine, von der Bewerbung bis zur tatsächlichen Aufnahme bei der Polizei, eingehalten werden können", erklärt Ganselmayer.

Mit dem Stichtag 13. Mai 2019 starten die letzten Polizeiklassen des alten Aufnahmeverfahrens mit ihrer Ausbildung. Danach führt nur mehr der Weg über das "Aufnahmeverfahren Neu" zur Karriere bei der Polizei. "Mit Freude können wir sagen, dass mit 3. Juni die ersten Bewerberinnen und Bewerber aus dem neuen Verfahren bundesweit ihren Weg in die Polizeischulklasse finden werden", bestätigt die Leiterin des Referats I/1/g.

Ein Tag im Zeichen der "Aufnahme Neu"

Bevor Anfang März dieses Jahres die erste Runde des neuen Aufnahmeverfahrens über die Bühne ging, lud das Referat I/1/g zu einer Informationsveranstaltung für Vertreterinnen und Vertreter der neun Landespolizeidirektionen nach Wien. Das Zusammentreffen wurde genutzt für letzte Absprachen und einem finalen Feinschliff im Hinblick auf die Neuheiten des abgeänderten Aufnahmeverfahrens. Das Team der Online-Redaktion des Innenministeriums war mit dabei, um einen Einblick in das neue Aufnahmeverfahren zu geben.

28. Februar, Stichtag der letzten Anmeldungen zum Start der Grundausbildung im Juni 2019. Es ist kurz vor 10 Uhr und der Vortragssaal in den Räumen des Referats I/1/g (Neuaufnahmen-Exekutive) des Innenministeriums in der Modecenterstraße im dritten Bezirk Wiens füllt sich. "Gut besucht" wäre eine Untertreibung. Der Saal ist bis auf den letzten Platz gefüllt und es werden noch Sessel für die weiterhin Eintreffenden organisiert. Punkt 10 Uhr beginnt der Vortrag – Unpünktlichkeit kann man hier niemandem vorwerfen. Mittlerweile haben alle Anwesenden einen Sitzplatz gefunden.

Grund für das rege Interesse an dieser Veranstaltung ist ein Thema, das seit Ende letzten Jahres in aller Munde ist. Es geht um die Zukunftsträger der Polizei. Genauer gesagt, wie bei ihnen die Spreu vom Weizen getrennt werden soll. Die Rede ist vom "Aufnahmeverfahren Neu", das für allgemeine Verwirrung zu sorgen scheint. Selbst bei denen, die das Verfahren in Zukunft administrieren sollen.

"Die Verantwortlichen in den Landespolizeidirektionen haben geschlossen die Bitte um inhaltliche Aufklärung und Hintergrundinformationen an das Referat I/1/g geäußert", erklärt Ganselmayer, die maßgebend an der Konzipierung des "Aufnahmeverfahren Neu" beteiligt war und weiterhin mit ihrem Team für die Planung, Koordinierung und Qualitätssicherung zuständig ist. Diesem Ruf nach Einsicht wurde mit der Veranstaltung "Kick-Off Aufnahme Neu" in der Modecenterstraße nachgekommen. "Uns ist eine transparente und enge Zusammenarbeit mit den Landespolizeidirektionen sehr wichtig, schlussendlich sind deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den verschiedenen Bundesländern diejenigen, die das Verfahren mit den Anwärterinnen und Anwärtern durchführen", ergänzt Ganselmayer. Kein Wunder also, dass der Vortragssaal in der Modecenterstraße mit Vertretern der neun Landespolizeidirektionen zum Bersten gefüllt ist.

Tests nach modernsten Standards

Nach der offiziellen Begrüßung aller Anwesenden durch Referatsleiterin Ganselmayer, wird die erste Neuerung des frisch konzipierten Aufnahmeverfahrens präsentiert. Ein Rechtschreib- und Grammatiktest, zur Gänze computergestützt durchgeführt. Dieser soll das Niveau der Deutschkenntnisse aller Polizeianwärterinnen und -anwärter feststellen. Dazu werden Aufgaben als Beispiel für den Ernstfall simuliert und mit den Anwesenden durchgespielt – es wird mit gemischter Begeisterung mitgeraten. Zwischen den Fragerunden wird von den Vortragenden immer wieder betont, dass diese, auf den neuesten wissenschaftlichen Standards basierenden Fragestellungen, fairer und präziser denn je seien. Vorstellen könne man sich diesen Teil der Überprüfung wie das Training beim Stabhochsprung. Die zu überwindende Latte wird in einer gewissen Höhe gesetzt. Bei problemlosem Überwinden wird die Latte für den nächsten Sprung angehoben. Wird die gesetzte Höhe nicht mehr erreicht, wird die Latte wieder gesenkt. Dieses laufende Anpassen des Schwierigkeitsgrades soll ermöglichen, bei jeder Teilnehmerin und jedem Teilnehmer eine faire Einschätzung der individuellen Rechtschreib- und Grammatikfähigkeiten abzugeben – ganz gleich an welchem Termin oder in welchem Bundesland zur Prüfung angetreten wird.

Ebenso fair soll in Zukunft auch der Teil der Aufnahmeprüfung sein, der die kognitiven Fähigkeiten der Anwärterinnen und Anwärter überprüft. Dieser wird ebenfalls zur Gänze am PC durchgeführt. Auch hier wird bei den simulierten Testfragen mitgerätselt. Die Stimmen, die vermeintliche Lösungen kundtun, werden mit steigendem Schwierigkeitsgrad leiser, bis ein Raunen durch die Menge geht. Wortfetzen wie "Keine Ahnung" oder "Puh, das ist g’scheit schwer" ersetzen die zuvor noch selbstsicher ausgerufenen Antworten. Sofort folgt die Erklärung, dass auch diese Fragestellungen konzipiert wurden, um präzise Aussagen über kognitive Fähigkeiten treffen zu können. Präzise bedeutet nicht nur im unteren Leistungsbereich, für besondere Talente müsse auch Raum nach oben gegeben werden.

Nach den detailreichen Informationen folgt eine kurze, aber dringend benötigte Pause. Die Anwesenden vertreten sich die Beine, bilden Menschentrauben und diskutieren das soeben Gehörte. Man merkt, nicht alle Skeptiker im Raum konnten durch die Vorträge zur Gänze an Bord geholt werden. Aber auch optimistische Meinungen sind vernehmbar. "Aller Anfang ist schwer, und jede Neuerung bringt ihre Hürden mit sich", relativiert ein Vertreter der Personalabteilung Oberösterreichs die Situation. "Jetzt, wo die Sache immer konkretere Formen annimmt, sind wir aber guter Dinge, dass wir nicht nur die ‚Aufnahme Neu‘ bewerkstelligen können, sondern auch, dass durch diese die Qualität des Verfahrens weiter gesteigert wird."

Die Pause ist zu Ende. Es folgt die Präsentation des Persönlichkeits- und klinisch-psychiatrischen Tests. Hier gibt es kaum Zwischenfragen oder Einwände. Allen Anwesenden ist bewusst, dass nicht jede Person die erforderlichen Charakterzüge für eine Karriere bei der Polizei besitzt. Wie wichtig es ist, herauszufinden, ob jemand mit der Verantwortung des Polizeiberufs umgehen kann oder nicht, stellt hier niemand in Frage.

Nachdem alle theoretischen Teile des Aufnahmeverfahrens präsentiert wurden, wechseln nicht nur die vortragenden Experten, auch ein Locationwechsel findet statt. Es wird Zeit für die praktische Vorführung des durch das Referat I/1/g neu konzipierten Sporttests. Bevor jedoch die Reise zum Sportsaal in das Bundeskriminalamt am Josef-Holaubek-Platz angetreten wird, gibt es noch einen kurzen Zwischenstopp in den Räumlichkeiten des Polizeiarztes, der für die Aufnahmeuntersuchung zuständig ist. Besonderes Augenmerk wird hier auf die Überprüfung der allgemeinen Leistungsfähigkeit der Bewerberinnen und Bewerber gelegt. Anstatt des bisherigen 3.000-Meter-Laufs wird künftig auf eine Fahrradergometrie gesetzt. Durch die Ergometertestung lässt sich auf effiziente und verifizierbare Weise die Ausdauer und Belastbarkeit überprüfen, ohne dabei auf Grund etwaiger Umwelteinflüsse wie Wetter, Temperatur oder Wind verfälschte Ergebnisse zu erhalten. "Durch die zeitgemäße Anpassung des Verfahrens wird die Qualität in der Aufnahme erhöht und gesichert, gleichzeitig werden für Kandidaten Hürden abgebaut", sagt Ganselmayer. "Ein moderner Auftritt nach außen ist dabei ebenso wichtig, wie aus Erfahrungen der Vergangenheit zu lernen."

Disziplinen nahe an der Realität

Im Sportsaal angekommen, werden die Vertreterinnen und Vertreter der Landespolizeidirektionen mit einer Frage begrüßt, die allgemeine Unruhe auslöst. "Wer möchte die neuen Disziplinen ausprobieren?" Es ist schwer zu erkennen, ob das Angebot von Abteilungsinspektor und Sportcoach Franz Wallner ernstgemeint ist. Die einzige Antwort der Gruppe ist verlegenes Gelächter. Ernstgemeint oder nicht, das Angebot, die neuen Übungen auszuprobieren, wird aus gutem Grund in den Raum gestellt. Im Vorhinein gab es zahlreiche kritische Stimmen, die das neue Konzept des Sporttests als zu entschärft und zu einfach bezeichneten. Diesen Kritikern verschlägt es die Sprache.

Es dauert keine zehn Minuten und schon sind sie von der Intensität der neuen Übungen überrascht. "Der Sporttest der ‚Aufnahme Neu‘ ist definitiv nicht einfacher", sagt Wallner. "Anders als früher sind die neuen Übungen auf das Überprüfen von Schnellkraft und Explosivität auf kürzere Distanzen ausgelegt." Hier betont Ganselmayer: "Es findet wie bisher eine Überprüfung der sportlichen Eignung im Rahmen der Zulassung zur Grundausbildung Polizei statt. Das Ziel bei der Entwicklung des neuen Sporttestes lag darin, den Polizeialltag zu simulieren und Fertigkeiten, die im Außendienst gefragt sind, abzuprüfen." Weil Polizistinnen und Polizisten auch unterschiedlichen Alters im Berufsalltag denselben Herausforderungen gewachsen sein müssen, hat eine Anpassung der Mindestanforderungen stattgefunden. "Die Einhaltung höchster Standards bei der Polizeiaufnahme muss ohne Ausnahme gegeben sein, ganz gleich wie jung oder alt unsere Bewerberinnen und Bewerber sind", sagt Ganselmayer. Auch die Schwimmfähigkeit, mindestens auf Niveau des Fahrtenschwimmers, sei weiterhin eine Voraussetzung für die Zulassung zum Bewerbungsverfahren.

Die Veranstaltung neigt sich dem Ende zu. Die Besonderheiten des neuen Aufnahmeverfahrens wurden präsentiert, die Übungen des Sporttests vorgezeigt und grundlegende Gedanken offengelegt. Ob die Zweifel der Kritiker aus dem Weg geräumt werden konnten, vermag man als Beobachter nicht zu beurteilen. Eines ist nach dem heutigen Tag aber jedenfalls klar geworden: Die Überlegungen hinter der "Aufnahme Neu" haben Hand und Fuß.


Text: Lukas Bedits

Moderne Tests sorgen für ein faires und optimiertes Aufnahmeverfahren für Bewerberinnen und Bewerber in ganz Österreich.
Foto: ©  BMI/Gerd PACHAUER

Artikel Nr: 16986 vom Mittwoch, 8. Mai 2019, 13:12 Uhr
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