Geschichte
Die EBI hat ihren Ursprung im Vertrag von Lissabon (Näheres siehe Abschnitt „Rechtsgrundlagen“). Zur Vorbereitung eines ersten Legislativvorschlages über die Europäische Bürgerinitiative auf der Ebene der EU legte die Europäische Kommission ein Grünbuch vor. Von 11. November 2009 bis 31. Jänner 2010 wurden auf Grundlage dieses Grünbuchs öffentliche Konsultationen durchgeführt. Basierend auf den gesammelten Stellungnahmen und Konsultationen präsentierte die Europäische Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat am 31. März 2010 einen Vorschlag für eine Verordnung zur Bürgerinitiative. Dieser Entwurf wurde ab 9. April 2010 auf Ebene des Rates in der „Antici-Gruppe“ beraten; im Juli 2010 erfolgte im Rat die politische Einigung über diesen Entwurf, der in weiterer Folge vom Europäischen Parlament in Behandlung genommen und im „Trilog-Verfahren“ zwischen Kommission, Rat und Parlament weiter bearbeitet wurde. Anlässlich des Rates für Allgemeine Angelegenheiten am 14. Dezember 2010 wurden die Mitgliedstaaten über den Verhandlungsstand in Sachen EBI informiert und auf die bevorstehende Annahme einer Verordnung im Europäischen Parlament hingewiesen.
Der zuständige Ausschuss im Europäischen Parlament nahm die Verordnung über die Bürgerinitiative am 15. Dezember 2010 an. Die Sprachjuristinnen und -juristen stimmten dem in alle Amtssprachen übersetzten Text am 24. Jänner 2011 zu. Die Verordnung wurde am 16. Februar 2011 erlassen und trat am 1. April 2011 in Kraft – jedoch mit der Maßgabe, erst nach einem Jahr direkt anwendbar zu sein. Die einjährige Legisvakanz bis 1. April 2012 wurde von den 27 Mitgliedstaaten zur innerstaatlichen Umsetzung genützt. Zudem wurde von der Kommission am 25. Oktober 2011 die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1179/2011 zur Festlegung der technischen Spezifikationen für Online-Sammelsysteme gemäß der Verordnung (EU) Nr. 211/2011 über die Bürgerinitiative erlassen und per 18. November 2011 im Amtsblatt veröffentlicht. Die Mindestzahl an Unterzeichnern (Anhang I der Verordnung über die Bürgerinitiative) wurde am 25. Jänner 2012 in Form einer delegierten Verordnung der Kommission abgeändert. Nachdem die Sitze des Europäischen Parlaments am 1. Dezember 2011 auf 754 aufgestockt worden sind, wurde diese Anpassung notwendig. Seit 1. April 2012 ist die Anmeldung und Registrierung einer Europäischen Bürgerinitiative bei der Europäischen Kommission möglich.
Nach einer Evaluierung des rechtlichen Rahmens auf EU-Ebene wurde das System der Europäischen Bürgerinitiative zwischen 2017 und 2019 im Rahmen des „Trilog-Verfahrens“, maßgeblich auch unter österreichischem Ratsvorsitz, weiterentwickelt. Seit 1. Jänner 2020 gilt die Verordnung (EU) 2019/788 vom 17. April 2019, die die Verordnung (EU) Nr. 211/2011 abgelöst hat. Einer der Kernpunkte der neuen Verordnung ist eine Regelung, wonach die Europäische Kommission ein kostenloses Online-Sammelsystem (zentrales Online-Sammelsystem) bereitstellt. Für bis zum 31. Dezember 2022 registrierte Initiativen ist alternativ noch die Verwendung eines individuellen Online-Sammelsystems möglich. Nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union (Brexit) ist eine delegierte Verordnung der Kommission in Geltung getreten, mit der der Anhang I der Verordnung (EU) 2019/788 (Mindestanzahl der Unterzeichner je Mitgliedstaat) neugefasst wurde. Mit der Delegierten Verordnung (EU) 2024/1082 vom 6. Februar 2024 (Inkraft seit 16. Juli 2024) wurde dieser Anhang abermalig angepasst.
Umsetzung in Österreich
Während der Zeit der Legisvakanz wurde in Österreich auf Ebene der Fachressorts unter Federführung des Bundesministeriums für Inneres der Entwurf eines Bundesgesetzes erarbeitet. Jedoch konnten die Arbeiten am Gesetzesentwurf in zentralen Punkten erst mit Festlegung von technischen Spezifikationen für die Umsetzung von Art. 6 Abs. 4 der Verordnung durch die Kommission in einer eigenen Durchführungsverordnung vorangetrieben werden. Am 6. Dezember 2011 wurde der Gesetzesentwurf in Form eines Initiativantrages (Antrag 1780/A, 24. GP) im Nationalrat eingebracht und dem Verfassungsausschuss zur weiteren Behandlung zugeleitet. Mit dem beantragten Bundesgesetz (dem „EBIG-Einführungsgesetz“) sollten das Bundes-Verfassungsgesetz geändert, ein Bundesgesetz über die Durchführung von Europäischen Bürgerinitiativen (Europäische-Bürgerinitiative-Gesetz – EBIG) erlassen und das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008, das Bundesministeriengesetz 1986, das Strafgesetzbuch, die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, die Europawahlordnung, das Volksbegehrengesetz 1973, das Volksabstimmungsgesetz 1972, das Volksbefragungsgesetz 1989, das Wählerevidenzgesetz 1973 und das Europa-Wählerevidenzgesetz geändert werden. Der Entwurf wurde am 2. Februar 2012 im Verfassungssausschuss des Nationalrates diskutiert und passierte das Plenum des Nationalrates am 29. Februar 2012. Nach Beratungen im Ausschuss für Verfassung und Föderalismus am 13. März 2012 beschloss der Bundesrat im Plenum am 15. März 2012, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. Das Bundesgesetzblatt zum „EBIG-Einführungsgesetz“ (BGBl. I Nr. 12/2012) wurde am 26. März 2012 ausgegeben. Aufgrund der seit 1. Jänner 2020 geltenden Verordnung (EU) 2019/788 vom 17. April 2019 erfolgten Anfang 2020 auch die erforderlichen Anpassungen im EBIG (BGBl. I Nr. 22/2020). Da die Europäische Kommission nun ein zentrales Online-Sammelsystem bereitstellt, war die Verwendung eines individuellen Online-Sammelsystems nur noch für bis zum 31. Dezember 2022 registrierte Initiativen möglich.
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