Rechtsstaat und Menschenrechte
Der Menschenrechtsbeirat
(Juni 1999 - Juni 2012)
Stellungnahmen
Neben der Erstattung von Empfehlungen zu aktuellen, das Innenressort betreffenden menschenrechtlichen Fragestellungen und im Zuge der Aufarbeitung von Themenschwerpunkten brachte sich der Menschenrechtsbeirat immer wieder im Rahmen von Stellungnahmen zu Begutachtungsentwürfen in Gesetz- bzw. Verordnungsgebungsverfahren ein.
2011/07 - Stellungnahme des MRB zum Begutachtungsentwurf der OPCAT-Umsetzung
Stellungnahme zum Entwurf
- eines Bundesverfassungsgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, und
- eines Bundesgesetzes zur Durchführung des Fakultativprotokolls vom 18. Dezember 2002 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (OPCAT-Durchführungsgesetz)
Stellungnahme (pdf, 154 KB)
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2011/03 - Stellungnahme des MRB zum Fremdenrechtspaket 2011
Das BM.I hat im Dezember 2010 den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das NAG, das FPG 2005, das AsylG 2005 und das StbG 1985 geändert werden sollen, präsentiert und darüber ein Begutachtungsverfahren durchgeführt. Der Entwurf sieht wesentliche Änderungen des Fremden- und des Staatsbürgerschaftsrechts vor. Einige der vorgesehenen Neuregelungen bezwecken eine Veränderung jener Rechtslage, die der Menschenrechtsbeirat in den letzten Jahren stark kritisiert hat. So sind z.B. im Entwurf erstmals Bestimmungen über eine Rechtsberatung von Personen in Schubhaft vorgesehen.
Der Menschenrechtsbeirat hat sich mit dem Entwurf befasst und durch eine Arbeitsgruppe, unter der redaktionellen Leitung der stellvertretenden Vorsitzenden Dr. Kucsko-Stadlmayer, eine Stellungnahme ausgearbeitet. Diese setzt sich vor allem mit jenen Teilen des Entwurfs auseinander, die Themen betreffen, die wegen einer menschenrechtlich defizitären Regelung in den letzten Jahren zum Tätigkeitsschwerpunkt des MRB gehört haben.
Wegen der Kürze der Frist, die für eine Begutachtung offengestanden ist, war es dem Beirat nicht möglich, sich mit dem von der Arbeitsgruppe erstellten Konzept in einer Sitzung zu befassen und die Abgabe einer Stellungnahme zu beschließen. Es musste daher versucht werden, die Zustimmung des Beirats durch Umlaufbeschluss zu erwirken. Dies war nicht möglich, da nach der Geschäftsordnung des Beirats für Umlaufbeschlüsse die Einstimmigkeit erforderlich ist, aber ein Mitglied seine Zustimmung verweigert hat. Der von der Arbeitsgruppe erstellte Text einer Stellungnahme wurde aber vor Ablauf der zur Begutachtung eingeräumten Frist der zuständigen Sektion im BM.I zur Verfügung gestellt.
In seiner Sitzung vom 10.3.2011 hat der Beirat beschlossen, diesen Text auf seiner Homepage zu veröffentlichen
Es wird darauf hingewiesen, dass die Stellungnahme mit 24. Jänner 2011 datiert ist, sodass sie sich auf den ursprünglichen Entwurf des BM.I bezieht und spätere Änderungen nicht mehr berücksichtigt werden konnten.
Stellungnahme
zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Asylgesetz 2005 und das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert werden
GZ: BMI-LR1355/0007-III/1/c/2010
Vorbemerkung
Der Entwurf sieht grundlegende Änderungen des Fremden- und Staatsbürgerschaftsrechts vor. Nicht alle davon betreffen den Aufgabenkreis des Menschenrechtsbeirates in gleicher Weise. Einige wichtige Neuregelungen bezwecken aber eine Veränderung gerade jener Rechtslage, die der Beirat in den letzten Jahren stark kritisiert hat. Dies trifft insbesondere auf die Bestimmungen über die Rechtsberatung von Personen in Schubhaft zu. In der vorliegenden Stellungnahme setzt sich der Beirat daher vor allem mit jenen Themen auseinander, die wegen ihrer menschenrechtlich defizitären Regelung in den letzten Jahren zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten gehört haben.
Zu Artikel 1 Änderung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes
P. 28: Aufenthaltstitel
§ 41a NAG – „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“
Abs 10:
Die Schaffung dieses neuen Aufenthaltstitels (mit freiem Zugang zum Arbeitsmarkt) ist sehr zu begrüßen. Allerdings stellt Abs 10 für so genannte „humanitäre Fälle“ darauf ab, ob die betreffenden Personen seit 1. Mai 2004 durchgängig im Bundesgebiet aufhältig sind. Dieser strikte Stichtag ist für den vorliegenden Regelungszusammenhang nicht adäquat. Bekanntlich werden Fälle oft dadurch zu „humanitären“, dass Menschen eine schon lang dauernden (rechtmäßigen) Aufenthalt in Österreich nachweisen können und dadurch ein hohes Maß an Integration aufweisen (vgl. auch § 58 Abs 2 Z 1 u 9 FPG idF des Entwurfs). Dies ist vom absoluten Einreisedatum unabhängig; gerade in den letzten Jahren medial bekannt gewordene Fälle haben immer wieder gezeigt, dass auch nach dem 1. Mai 2004 eingereiste Personen betroffen waren. Auch für die Judikatur des EGMR und des VfGH ist die Dauer des Aufenthalts ein wesentliches sachliches Kriterium für das humanitäre Bleiberecht. Der vorgesehene Stichtag ist also für den Zweck unangemessen; er birgt Potential für Diskriminierungen und ist für den Vollzug viel zu unflexibel. An seine Stelle sollte ein mindestens fünfjähriger Aufenthalt in Österreich treten.
Abs 11:
Nach § 41a Abs 11 NAG begründen Anträge gemäß Abs. 10 dieser Bestimmung kein Aufenthalts- oder Bleiberecht nach diesem Bundesgesetz. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Behörde über einen solchen Antrag hat die zuständige Fremdenpolizeibehörde jedoch mit der Durchführung der eine Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn
1.ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß
Abs. 10 eingeleitet wurde und
2.2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gemäß Abs. 10 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des Abs. 10 jedenfalls vorzuliegen haben.
Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen der Z 2 hat die zuständige Fremdenpolizeibehörde vor Durchführung der Abschiebung eine begründete Stellungnahme der Behörde einzuholen. Verfahren gemäß Abs. 10 gelten als eingestellt, wenn der Fremde das Bundesgebiet verlassen hat.
Wie die erläuternden Bemerkungen zu dieser Bestimmung betonen, bildet Abs 11 § 44 Abs 5 der geltenden Rechtslage ab.
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 8.12.2010 die genannte Bestimmung in Prüfung gezogen und führt diesbezüglich Folgendes aus:
„Der Wortlaut dieser Bestimmung ("gelten als eingestellt") dürfte in Anbetracht der Gesetzesmaterialien keinen anderen Schluss zulassen, als dass die - nicht an einen Willensakt der Behörde gebundene - Einstellung des Verfahrens einzig an das Verlassen des Bundesgebietes geknüpft ist und unberücksichtigt bleibt, aus welchen Gründen der Antragsteller ausgereist ist (‚Dabei ist unbeachtlich, ob die Ausreise freiwillig oder mittels Abschiebung erfolgt.’ [AB 387 BlgNR 24. GP zu Z 22 des Abänderungsantrages]).
Mit Blick auf das Rechtsstaatsprinzip erachtet es der Verfassungsgerichtshof vorläufig für verfassungsrechtlich bedenklich, dass das mit der Antragstellung gemäß Abs. 4 verbundene Recht auf Durchführung eines Verfahrens zur Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels dem Antragsteller nur solange zukommt, als er sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhält, und unmittelbar wegfällt, sobald der Antragsteller - aus welchen Gründen auch immer - das Bundesgebiet verlassen hat. Diese Bestimmung dürfte die Niederlassungsbehörde verpflichten, undifferenziert von einem als eingestellt geltenden Verfahren auszugehen (VfSlg. 13.837/1994 mwH).“
Unvorgreiflich der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes in dieser Rechtssache teilt der Menschenrechtsbeirat die soeben dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes und empfiehlt, den letzten Satz des § 41a Abs 11 NAG ersatzlos zu streichen.
Der Menschenrechtsbeirat kann aber auch nicht erkennen, worin die sachliche Rechtfertigung dafür liegt, dass bei einer Antragstellung nach § 41a Abs 10 ein – wenn auch abgeschwächter – vorläufiger Aufenthaltsschutz besteht, während im Falle einer Antragstellung nach Abs 9 dieser Vorschrift überhaupt kein Schutz vor Abschiebung existiert.
§ 43 NAG – „Niederlassungsbewilligung“
Auch § 43 stellt – wie bisher § 44 – für humanitäre Fälle auf die Einreise vor dem 1. Mai 2004 ab. Aus Sicht des Menschenrechtsbeirats gelten hier die gleichen Bedenken, wie sie zu § 41a NAG ausgeführt wurden.
§ 44b NAG – Besondere Verfahrensbestimmungen
Nach § 44b Abs 3 NAG begründen Anträge gemäß §§ 41a Abs. 3 oder 43 Abs. 3 kein Aufenthalts- oder Bleiberecht nach diesem Bundesgesetz. Ebenso stehen sie der Erlassung und Durchführung fremdenpolizeilicher Maßnahmen nicht entgegen und können daher in fremdenpolizeilichen Verfahren keine aufschiebende Wirkung entfalten. Verfahren gemäß §§ 41a Abs. 3 oder 43 Abs. 3 gelten als eingestellt, wenn der Fremde das Bundesgebiet verlassen hat.
Der Verweis auf 41a Abs. 3 wird wohl auf ein redaktionelles Versehen zurückzuführen sein, da diese Regelung nicht die Erteilung eines „humanitären Aufenthaltsrechts“ betrifft.
Ansonsten gilt das zu § 41 Abs 11 NAG Gesagte.
Zu Artikel 2 Änderung des Fremdenpolizeigesetzes 2005
P. 14: 1. Abschnitt – Rückkehrentscheidung
§ 53 FPG – Einreiseverbot
Nach § 53 Abs 2 des Entwurfes ist ein mit der Rückkehrentscheidung zu verbindendes Einreiseverbot für die Dauer von mindestens zwei Jahren, höchstens jedoch für fünf Jahre – in den Fällen des Abs 3 für höchstens zehn Jahre bzw. sogar unbefristet – zu erlassen. Die automatische Verbindung einer Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot sowie die strikte zeitliche Vorgabe widersprechen der RückführungsRL: Grundsätzlich hat die Rückkehrentscheidung nämlich eine angemessene Frist für die freiwillige Ausreise vorzusehen (vgl. Art 7 der RL). Nur wenn (ausnahmsweise) keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde oder der Rückkehrentscheidung nicht nachgekommen wurde, gehen Rückkehrentscheidungen nach Art 11 Abs 1 der RL mit einem Einreiseverbot einher. Nach Abs 2 dieser Vorschrift wäre darüber hinaus die Dauer des Einreiseverbotes in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festzusetzen.
P. 15: 2. Abschnitt – Schutz des Privat- und Familienlebens
§ 58 FPG – Schutz des Privat- und Familienlebens
Abs 2 Z 9 sieht als Kriterium bei der Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens die Frage vor, „ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet“ ist. Damit soll das VfGH Erk 7.10.2010, B 950/10 berücksichtigt werden (Erl 25). Dies ist positiv, die Formulierung bringt den Grundgedanken des VfGH aber nicht präzise zum Ausdruck. Bei den hier gemeinten Fällen langer Verfahrensdauer geht es nämlich nicht darum, ob diese den Fremdenpolizeibehörden zurechenbar (von diesen verschuldet) ist, sondern darum, ob die Verantwortung dafür in der staatlichen Sphäre liegt, dh keine schuldhafte Verzögerung durch die betroffene Person vorliegt. Dies ist etwa auch dann der Fall, wenn die Behördenorgane kein Verschulden trifft (zB bei Arbeitsüberlastung oder wiederholtem, zT erfolgreichem Erheben von Rechtsmitteln). Es sollte daher heißen: „…ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden auf von ihm nicht verschuldete Verfahrensverzögerungen zurückzuführen ist.“
P. 16: 3. Abschnitt – Sonstige Verfahrensbestimmungen im Zusammenhang mit Rückkehrentscheidungen und Rückkehrverboten
§ 62 FPG – Verkürzung, Gegenstandslosigkeit und Aufhebung
Nach § 62 Abs 2 kann die Dauer des Einreiseverbotes auf Antrag des Drittstaatsangehörigen auf die Hälfte des festgesetzten Zeitraumes herabgesetzt werden. Voraussetzung hierfür ist ein zumindest 18monatiger Aufenthalt im Ausland. Bei einem zweijährigen Einreiseverbot bedeutet dies, dass es zwar auf 12 Monate verkürzt werden kann, sechs Monate davon aber jedenfalls nicht genutzt werden können. Damit dauert im Effekt jedes Einreiseverbot mindestens 18 Monate. Auch dies widerspricht der RückführungsRL und der danach verpflichtenden Orientierung am Einzelfall (Art 11 Abs 2).
P. 17: 4. Abschnitt – Rechtsberatung (§§ 63 – 64 FPG)
Allgemeines
Die Bestimmungen werden im Prinzip sehr begrüßt. Der Menschenrechtsbeirat hat in den letzten Jahren vor allem für Personen in Schubhaft wiederholt, insbesondere in seinem Bericht „Rechtsschutz für Schubhäftlinge“ (2008), die Einführung einer kostenlosen und effektiven Rechtsberatung nach dem Modell des Flüchtlingsberaters im AsylG empfohlen. Dem ist das BM.I mit dem vorliegenden Entwurf nachgekommen. Eine solche Rechtsberatung ist unumgänglich, um drittstaatsangehörigen Fremden ein faires rechtsstaatliches Verfahren zu sichern. Sie ist auch menschenrechtlich mehrfach geboten: nicht nur wegen Art 13 EMRK, sondern auch wegen Art 47 der Grundrechtscharta der EU, der die Einführung wirksamer Rechtsbehelfe zur Sicherung unionsrechtlich garantierter Rechte vorsieht. Mittlerweile sind auch die sog. RückführungsRL der EU und ein Erkenntnis des VfGH (2.10.2010, U 3078/09) umzusetzen, sodass die Sache keinen Aufschub mehr duldet. Zu begrüßen ist, dass der Entwurf in einigen Punkten über die Minimalanforderungen des Unionsrechts hinausgeht.
Dennoch weisen die vorgeschlagenen Bestimmungen noch einige Defizite auf (die Bedenken zu § 63a FPG gelten sinngemäß auch für § 63):
§ 63a FPG – Rechtsberatung bei Abschiebung, Schubhaft, gelinderem Mittel und sonstiger Befehls- und Zwangsgewalt
Abs 2 – Unabhängigkeit der Rechtsberater
Es fragt sich, was die Garantie der „Unabhängigkeit“ der Rechtsberater – neben ihrer ausdrücklich normierten Weisungsfreiheit – bedeutet. Die Materialien erklären es nicht; es liegt auch im Regelungszusammenhang nicht auf der Hand. Im Gegenteil könnten große Probleme für die Unabhängigkeit der Rechtsberater entstehen, wenn durch die Art der Betrauung und die Auswahl der betrauten Personen wirtschaftliche Abhängigkeiten vom BMI erzeugt würden. In diesem Fall wäre die Unabhängigkeitsgarantie bloß formal und sinnlos. Unvereinbarkeiten und damit ähnliche Unabhängigkeitsprobleme würden entstehen, wenn dieselbe Person Aufgaben als Rechtsberater nach FPG sowie nach AsylG oder gar noch sonstige Betreuungstätigkeiten im Bereich des Fremdenrechts (zB Rückkehrberatung, Schubhaftbetreuung) kumulativ besorgte.
Der Menschenrechtsbeirat hält es daher für notwendig, spezifische Garantien für die Unabhängigkeit der Rechtsberater vorzusehen. Dies könnte etwa durch ein Vorschlagsrecht bei der Bestellung (vgl. zB § 65 Abs 2 AsylG), durch Statuierung von Unvereinbarkeiten und/oder durch eine Pflicht zur „Streuung“ auf mehrere Personen erfolgen. Nachdrücklich ist darauf hinzuweisen, dass jede Art von Monopolstellung einer Person bei der Rechtsberatung im Zuständigkeitsbereich des BMI der Unabhängigkeit und auch dem notwendigen Anschein dieser Unabhängigkeit entgegensteht.
Abs 4 – Ort der Rechtsberatung
Dass die Rechtsberatung auch bei Personen, die sich nicht in Haft befinden, in den Amtsräumen der Behörde stattfinden muss, ist unzweckmäßig und unsachlich. Es beeinträchtigt den Anschein der Unabhängigkeit der Rechtsberater nach außen, weil es für den Beratenen zumindest den äußeren Eindruck einer engen Verbundenheit mit der Behörde oder einer Überwachung der Rechtsberatung durch diese erweckt.
Abs 4 – Zutrittsrecht zu Hafträumen
Für den Fall, dass die zu beratende Person sich in Schubhaft befindet, normiert § 63a Abs 4, dass die Rechtsberatung an ihrem Ort stattzufinden hat. Zur Umsetzung dieser Bestimmung müssten die Rechtsberater ein Zutrittsrecht zu den Hafträumen erhalten. Derzeit normiert § 21 AnhO ein solches Recht nur für „Rechtsvertreter“ und bestimmte andere Personen, zu denen Rechtsberater jedenfalls nicht zählen. Schon hier sei darauf aufmerksam gemacht, dass in diesem Punkt unbedingt eine Änderung der AnhO notwendig ist.
Zumindest auf Ebene der AnhO müsste auch Art 16 der RückführungsRL umgesetzt werden: Dieser ermöglicht es allen einschlägig tätigen nationalen und internationalen sowie nicht-staatlichen Organisationen, Hafteinrichtungen zu besuchen (Art 16 Abs 4) und sieht eine verpflichtende Information der Angehaltenen über ihr Recht auf Kontaktaufnahme mit diesen Organisationen und Stellen vor (Art 16 Abs 5). Noch besser wäre es, die entsprechenden Pflichten ins FPG aufzunehmen.
Abs 5 – Information über die Rechtsberatung
Die Regelung in Abs 5 versucht den Empfehlungen des Menschenrechtsbeirats Rechnung zu tragen, Rechtsberatung in der Schubhaft nicht nur anzubieten, sondern die Schubhäftlinge auch in geeigneter und ausreichender Form über diese Möglichkeiten zu informieren. Dazu sieht der Entwurf – sinnvoller Weise – „insbesondere“ die Verwendung eines Formblattes vor. Über dessen Inhalt ist aber nichts geregelt.
Hier sollte eine Ergänzung dahin erfolgen, dass der Fremde ausdrücklich über das Angebot einer Rechtsberatung und über die Verzichtsmöglichkeit zu belehren ist. Überdies sollte auf die Alternative hingewiesen werden, auf eigene Kosten einen Rechtsanwalt zu beauftragen.
§ 64 FPG – Anforderungsprofil für Rechtsberater
Abs 1 – Qualifikationen der Rechtsberater
Die Voraussetzung einer fünfjährigen Tätigkeit als Rechtsberater (anstelle eines Abschlusses des rechtswissenschaftlichen Studiums) ist grundsätzlich zweckmäßig. Es sollte jedoch klargestellt werden, dass diese Zeitspanne unmittelbar vor der Bestellung zum Rechtsberater liegen muss. Dies ist angesichts der schnellen Entwicklung des Fremdenrechts notwendig.
Unklar ist, ob auch Bedienstete des Bundes, insb. auch des BMI, zu Rechtsberatern bestellt werden können. Mit dem Unabhängigkeitserfordernis (vgl. § 63 Abs 2 und § 63a Abs 2) stünde dies wohl nicht in Einklang.
Abs 2 – Bestellung der Rechtsberater
Anders als der Menschenrechtsbeirat es immer empfohlen hat, ist kein Vorschlagsrecht anderer Personen oder Organe vorgesehen. Wie der Beirat ausgeführt hat, kämen dazu etwa der UNHCR oder der Beirat für Asyl- und Migrationsfragen in Betracht (vgl. auch § 65 Abs 2 AsylG). Ein solches Vorschlagsrecht wäre auch als für den Anschein der Unabhängigkeit dieser Rechtsberater sehr wichtig.
Abs 2 – Betrauung einer juristischen Person mit der Rechtsberatung
Nach dem Entwurf kann der BMI nicht nur natürliche, sondern auch juristische Personen mit der Besorgung der Rechtsberatung betrauen. Dies ist nicht grundsätzlich abzulehnen, weil etwa auch für Rechtsanwaltskanzleien die Organisationsform der juristischen Person vorgesehen ist. Handelt es sich jedoch nicht um eine Rechtsanwaltskanzlei, so entstehen folgende Probleme:
- Es ist unklar, wer im Fall der Betrauung einer juristischen Person mit der Rechtsberatung jene natürlichen Personen auswählt, die die Rechtsberatung dann de facto durchführen. Damit ist vor allem unklar, wer für das Vorliegen der Qualifikationsvoraussetzungen nach Abs 1 zu sorgen hat. Da diese Qualifikationsvoraussetzungen auf natürliche Personen zugeschnitten sind (Studienabschluss, „hauptamtliche“ Tätigkeit in einer Organisation), können diese Kriterien bei der juristischen Person selbst nämlich gar nicht vorliegen. Demnach müsste also die juristische Person dafür verantwortlich gemacht werden, dass sie die richtigen natürlichen Personen auswählt. Außerdem müssten entsprechende Kontrollbefugnisse des BMI über die Auswahl normiert sein.
- Ein noch schwierigeres Problem stellt sich in Bezug auf die Unabhängigkeit der Rechtsberater (§ 63 Abs 2). Bei einer juristischen Person müsste nämlich gesichert sein, dass auch für die Unabhängigkeit der die Rechtsberatung de facto besorgenden natürlichen Personen gesorgt ist. Auch hier wäre (wie bei der Erfüllung der Qualifikationsvoraussetzungen) der Verantwortungsbereich innerhalb der juristischen Person klarzustellen. Auch hier müssten angemessene Kontrollbefugnisse betreffend die Ausübung dieser Verantwortung vorgesehen werden.
- Auch für die Zustellung behördlicher Schriftstücke müsste (ähnlich wie in § 13 Abs ZustellG für berufsmäßige Parteienvertreter) Vorsorge getroffen werden.
- Es ist unklar, ob die Betrauung mit Rechtsberatung zwingend für das ganze Bundesgebiet erfolgt. § 64 Abs 2 letzter Satz des Entwurfes sieht ein Ende früherer Bestellungen im Falle der Bestellung einer juristischen Person vor, woraus man eine zwingende Zuständigkeit für das ganze Bundesgebiet ableiten könnte (andernfalls würden Lücken in der Rechtsberatung entstehen). Dies ist klarzustellen.
- Abs 4 normiert Pflichten, die gemäß Abs 5 zu einer Auflösung des Betrauungsverhältnisses führen können. In Bezug auf juristische Personen müsste klargestellt werden, dass auch Pflichtverletzungen der für sie tätigen natürlichen Personen (die nicht selbst zu Rechtsberatern bestellt wurden), relevant sind.
- Dass für die Entschädigung von juristischen Personen gemäß § 64 Abs 6 des Entwurfs Pauschalbeträge vorgesehen sind, die sich am Angebot der juristischen Person orientieren, ist eine unsachliche Differenzierung im Verhältnis zu natürlichen Personen. Es fragt sich auch, wozu diese Regelung überhaupt notwendig ist, zumal die Entschädigung ohnedies durch Verordnung festgesetzt wird.
P. 21: Festnahmeauftrag und Übernahmeauftrag
§ 74 - Festnahmeauftrag
Es ist nicht nachvollziehbar, warum in Zukunft ein Festnahmeauftrag schon dann möglich sein soll, wenn man vom Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung gelinderer Mittel (nicht nur der Schubhaft) ausgehen kann. In den Materialien wird es jedenfalls nicht begründet. Es handelt sich wohl um einen nicht notwendigen und unangemessenen Eingriff in das Recht auf persönliche Freiheit.
P. 23 – 34: Schubhaft und gelinderes Mittel (§§ 76 – 81 FPG)
§ 76 FPG – Schubhaft
Gemäß dem neuen letzten Satz von § 76 Abs 3 müssen Spruch und Rechtsmittelbelehrung des Schubhaftbescheids in eine dem Fremden „verständlichen Sprache“ übersetzt werden. Dies soll Art 12 Abs 2 der RückführungsRL umsetzen, wonach den betroffenen Drittstaatsangehörigen auf Wunsch eine schriftliche oder mündliche Übersetzung der „wichtigsten Elemente“ einer Rückkehrentscheidung einschließlich von Informationen über mögliche Rechtsbehelfe in einer verständlichen Sprache zur Verfügung zu stellen ist. Problematisch ist es hier, überhaupt keine Übersetzung der Begründung des Bescheids vorzusehen, nicht einmal in ihren Kernelementen. Da nur auf ihrer Basis die Zweckmäßigkeit eines Rechtsmittels beurteilt werden kann, ist auch sie als wichtiges Element des Bescheids anzusehen. Zu übersetzen wären also auch die wesentlichen Teile der Begründung.
§ 77 FPG – Gelinderes Mittel
Die vorgeschlagene Fassung des § 77 Abs 1 will die grundsätzliche Pflicht zur Anwendung gelinderer Mittel statt der Schubhaft auf Minderjährige bis zur Vollendung des 16.Lebensjahres beschränken. Eine solche Herausnahme 16- und 17 jähriger Minderjähriger aus dieser Anordnung stünde jedoch nicht im Einklang mit Art 17 Abs 1 der Rückführungsrichtlinie, dass allgemein „bei unbegleiteten Minderjährigen und Familien mit Minderjährigen die Haft nur im äußersten Falle und für die kürzestmögliche angemessene Dauer eingesetzt (wird).“
Der UN-Kinderrechtsausschuss hat darüber hinaus in seiner Allgemeinen Bemerkung Nr. 6 Abs 61 festgehalten: „ Gemäß Art 37 des (Kinderrechts-) Übereinkommens…..sollte unbegleiteten Kindern im Regelfall nicht die Freiheit entzogen werden. Eine Inhaftierung kann nicht allein… gerechtfertigt werden… durch seinen Auswanderer- oder Einbürgerungsstatus bzw. dessen Nichtvorhandensein.“ Nach der UNHCR-Richtlinie sollten asylsuchende Kinder überhaupt nicht in Haft gehallten werden.
Schon die geltende Regelung des § 77 FPG, nach der etwa im Jahre 2008 trotz des gesetzlichen Vorrangs gelinderer Mittel immerhin 181 Minderjährige - wohl in aller Regel nach Vollendung des 16. Lebensjahres – in Schubhaft genommen worden sind , erscheint im Lichte der Richtlinie und der erwähnten internationalen Grundsätze problematisch. Deren Verschlechterung wird vom Menschenrechtsbeirat nachdrücklich abgelehnt.
§ 79 FPG – Minderjährige in der Schubhaft
§ 79 Abs 5, der die Begleitung von Schubhäftlingen durch Minderjährige regelt, wirft eine Reihe von Problemen auf:
- Das Verhältnis zu § 76 Abs 1a FPG („Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.“) ist zu klären. Wenn § 79 Abs 5 sich auch auf unmündige Minderjährige beziehen soll, so müsste dies ausdrücklich gesagt werden.
- Alle Minderjährigen sind „Kinder“ im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention und des soeben vom Nationalrat beschlossenen „Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern“ (im Folgenden: KR-BVG). Die Grundsätze der Art 1 und 2 dieses neuen BVG sind auch im FPG zu berücksichtigen; Kinder haben danach Anspruch auf „den Schutz und die Fürsorge, die für sein Wohlergehen notwendig ist“ und muss bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher und privater Einrichtungen „das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein“ (Art 1). Noch dazu hat jedes Kind, das dauernd oder vorübergehend aus seinem familiären Umfeld herausgelöst ist Anspruch auf besonderen Schutz und Beistand des Staates“ (Art 2 Abs 2). Unzweifelhaft stellt die Anhaltung der Eltern eines Minderjährigen in Schubhaft unabhängig von dessen aktuellem Aufenthaltsort eine Situation dar, die im Interesse des Kindeswohls einen besonderen Schutz- und Fürsorgeanspruch gegenüber dem Staat im Sinne der erwähnten Grundsätze auslöst. Entweder wird dadurch nämlich das Kind aus seinem „familiären Umfeld herausgelöst“ oder ist diese Situation unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls einem solchen gleichzuhalten.
Daraus folgt nach Auffassung des Menschenrechtsbeirats, dass zwar die Rechte und Pflichten der obsorgeberechtigten Eltern des Minderjährigen vorrangig zu berücksichtigen sind, die Initiative zur Wahrung des Kindeswohls in der in Rede stehenden Ausnahmesituation des Minderjährigen (Aufenthalt außerhalb des Heimatstaates, Schubhaft der Eltern) aber nicht den Eltern allein überlassen werden darf, sondern auch der Behörde zukommt. In diesem Sinne werden im Zusammenhang mit § 79 Abs 5 folgende ergänzende Regelungen angeregt:
a. Informationspflicht gegenüber den Eltern und den Minderjährigen selbst über die
bestehenden Aufenthalts- und Unterbringungsmöglichkeiten inner- und außerhalb des
Haftzentrums.
b. Beratungspflicht gegenüber Eltern und Minderjährigen, gegebenenfalls unter
Beiziehung des Jugendwohlfahrtsträgers.
c. Gesetzliche Verankerung einer grundsätzlichen Verpflichtung zur Bereitstellung
familiengerechter Unterbringungsmöglichkeiten (durch Einrichtung von geeigneten
Familienhafträumen in Polizeianhaltezentren oder besondere Familienunterbringung im
Sinne des Erlasses vom 19. November 2010/Familienunterkunft Wien 10.,
Zinnergasse).
3.In zwei Belangen sollte § 79 Abs 5 FPG auch sprachlich noch verbessert werden. Zum einen sollte es heißen, „wenn Fremde in Schubhaft angehalten werden“ (nicht „angehalten sind“), zum anderen geht es nicht um das Begleiten „von Minderjährigen“, sondern um jenes „durch Minderjährige“.
§ 80 FPG – Dauer der Schubhaft
Hier ist der bisherige § 80 Abs 4 aus menschenrechtlicher Sicht günstiger als die RückführungsRL: Er sieht eine Höchsthaftdauer von 6 bzw allenfalls 10 Monaten (innerhalb von zwei Jahren) vor. Dagegen darf nach Art 15 Abs 5 der RückführungsRL die im innerstaatlichen Recht vorgesehene Höchsthaftdauer nur bei der ersten Entscheidung 6 Monate nicht übersteigen; dieser Zeitraum darf aber um höchstens 12 Monate verlängert werden, wenn die Abschiebemaßnahme aufgrund der mangelnden Kooperation des betreffenden Drittstaatsangehörigen oder aufgrund von Verzögerungen bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten wahrscheinlich länger dauern wird. Diese in der RL zugelassene Höchsthaftdauer von 18 Monaten (in drei Jahren) schöpft der Entwurf also voll aus.
Es fragt sich, warum die geltende Fassung von § 80 Abs 4 (Aufrechterhaltung der Schubhaft innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren nicht länger als sechs Monate bzw. im Ausnahmefall der Zurechenbarkeit der Verhinderung der Abschiebung zum Verhalten des Fremden nicht länger als zehn Monate) nicht beibehalten werden kann. Dies würde mit dem in der RL verankerten Günstigkeitsprinzip (Art 4 Abs 3) in Einklang stehen. Da kein nachvollziehbarer Grund für die Verlängerung erkennbar ist, empfiehlt der Menschenrechtsbeirat die Beibehaltung der geltenden Rechtslage.
Zu Artikel 3 – Änderungen des Asylgesetzes 2005
P. 12: Anforderungsprofil für Rechtsberater
§ 65 Abs 2 u 6-8 AsylG – Anforderungsprofil für Rechtsberater im Zulassungsverfahren
Hier will der vorliegende Entwurf die Möglichkeit der Betreuung einer juristischen Person mit der Rechtsberatung auch für den Rechtsberater im Asylverfahren einführen. Gegen diese Regelung sprechen die gleichen Bedenken, wie sie zu § 64 Abs 2 FPG erläutert wurden.
P. 13: Beratende Unterstützung im Asylverfahren
§ 66 AsylG – Beratende Unterstützung im zugelassenen Verfahren vor dem Bundesasylamt
§ 66 sieht vor, dass in den Außenstellen des Bundesasylamtes eine beratende Unterstützung eingerichtet werden „kann“. Dies ist im Prinzip positiv, die Einrichtung sollte jedoch zur Pflicht gemacht werden. Andernfalls wäre die Regelung ineffizient und bliebe völlig unklar, wann von der Ermächtigung Gebrauch zu machen ist und wann nicht.
P. 14: Rechtsberatung im Verfahren vor dem Asylgerichtshof
§ 66a AsylG – Rechtsberatung im Verfahren vor dem Asylgerichtshof
§ 66a Abs 6-8 AsylG sieht auch für das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Ermächtigung vor, mit der Rechtsberatung eine juristische Person zu betrauen. Gegen diese Regelung sprechen die gleichen Bedenken, wie sie zu § 64 Abs 2 FPG erläutert wurden. Unverständlicher Weise ist hier – abweichend von § 64 Abs 2 FPG – immerhin klargestellt, dass die juristische Person die Verantwortung für die Auswahl entsprechend qualifizierter Rechtsberater trägt (Abs 7).
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2009 - MRB zum BM.I-Gesetzesentwurf - Änderung des AsylG, FPG, GVG-Bund, NAG, StbG, TilgG
Stellungnahme des Menschenrechtsbeirates im BM.I
zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden;
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2009 - MRB zum Gesetzesentwurf des BMI - Änderung des FremdenpolizeiG, AsylG und NAG
Stellungnahme des Menschenrechtsbeirates im BM.I
zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005 und das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz geändert werden und ein Bundesgesetz über einen Beirat des Landeshauptmannes zur Beratung in Fällen besonderen Interesses erlassen wird.
Stellungnahme (pdf, 43 KB)
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2007 - Stellungnahme zum Fremden- und Asylrecht
Fremden- und Asylrecht – Stellungnahme des Menschenrechtsbeirates
I. Die Diskussion im Beirat
Bereits in der 64. Sitzung des MRB am 5. Dezember 2006 regte Prof. BENEDEK an, der Beirat möge sich mit der Problematik der Abschiebung von gut integrierten Asylwerbern nach Abschluss langjähriger Asylverfahren beschäftigen. Auch in der 65., der 66., der 67.und der 68. Sitzung stand das Thema – ergänzt um den Vollzug der Schubhafttatbestände des FPG durch die Fremdenpolizeibehörden, die Wahrnehmung der Souveränitäts- und Humanitätsklausel nach der Dublin II-VO und die Problematik der Rechtslage betreffend drittstaatsangehörige Ehegatten österreichischer StaatsbürgerInnen, EWR-BürgerInnen oder Schweizer BürgerInnen i.S.d. § 47 Abs. 1 NAG (vgl. die Protokolle dieser 4 Sitzungen, insbesondere auch den Problemaufriss der Geschäftsstelle für die 65. Sitzung) – auf der Tagesordnung. Im Zentrum der Diskussion standen die grundrechtlichen Garantien nach Art. 8 EMRK.
Während der VORSITZENDE in der 68. Sitzung auch auf die Entwicklung der Judikatur in Straßburg im Zusammenhang mit einem aus diesem Grundrecht ableitbaren „Bleiberecht“ hinwies, betonte Prof. FUNK die Bedeutung des richtigen Verständnisses der von Art. 8 Abs. 2 EMRK für die Zulässigkeit eines Grundrechtseingriffs im Einzelfall geforderten Interessensabwägung und erläuterte:
„Im Vordergrund steht das hochrangige und grundrechtlich-institutionell verankerte Interesse des Staates am Schutz des Privat- und Familienlebens (Art 8 Abs 1 EMRK). Es bildet stets den zu wahrenden Grundsatz. Dem gegenüber stehen die Eingriffsmöglichkeiten auf Grund des Gesetzesvorbehaltes in Art 8 Abs 2 EMRK. Sie bilden die Ausnahmen. Sie sind dem Grundsatz gegenüber nachrangig. Die Abwägung läuft fehl, wenn das private Interesse des Aufenthaltswerbers gegen die öffentlichen Interessen an einem Eingriff in seine Rechte abgewogen wird. Das öffentliche Interesse an der Gewährleistung grundrechtlichen Schutzes braucht nicht bewiesen zu werden und es steht höher als das öffentliche Interesse an einem Eingriff in Form einer Aufenthaltsbeendigung als Ganzes und in einzelnen Facetten. Sprechen keine zwingenden Gründe für einen Grundrechtseingriff, dann kommt die Schutzpflicht des Staates zum Tragen. Aus diesen Erwägungen ergibt sich für die Praxis ein anderes als das üblicherweise herangezogene Abwägungsparadigma. Es sind nicht die Interessen des Einzelnen am Aufenthalt gegen die Interessen der Allgemeinheit an einer Aufenthaltsbeendigung abzuwägen. Vielmehr sind dem Gewicht der nicht legitimationsbedürftigen grundrechtlichen Garantie zwingende und starke Gründe für einen Eingriff entgegenzusetzen, die diese Garantie für den Einzelfall „aufwiegen“ können. Die Beweislast trägt die Behörde. Im Zweifel überwiegt das öffentliche Interesse an der Unterlassung des Eingriffes.“
II. Die einzelnen Problembereiche
1. Integrierte Fremde ohne Aufenthaltsstatus
Der Beirat hat die auch in der medialen Öffentlichkeit geführte Diskussion betreffend die Außerlandesschaffung von integrierten Familien, deren Asylanträge nach jahrelangen Verfahren abgewiesen wurden, aufgegriffen und sich mit der Frage eines allenfalls aus Art. 8 EMRK ableitbaren „Bleiberechts“ beschäftigt. Dem Beirat erscheint es unabhängig von einer in Erwägung zu ziehenden Legalisierungsmaßnahme für so genannte „Altfälle“ im oder nach dem Asylverfahren jedenfalls grundrechtlich geboten, im Einzelfall den Integrationssachverhalt zu ermitteln und diesen bei den asylbehördlichen, fremdenpolizeilichen und schließlich auch aufenthaltsbehördlichen Entscheidungen im Rahmen der von Art. 8 Abs. 2 EMRK geforderten Interessensabwägung zu berücksichtigen.
Hinzuweisen ist darauf, dass der VfGH in seiner Presseinformation zur Sommer-Session (11.-30. Juni 2007) mitteilt, dass ihm Beschwerden vorliegen, mit denen die Ausweisung von Personen bekämpft wird, die sich schon über einen längeren Zeitraum in Österreich aufhalten. Die Beschwerdeführer, so wird vorgebracht, seien sozial integriert. Der Verfassungsgerichtshof wird in diesen Fällen klären, ob die Behörden bei ihrer Entscheidung über die Ausweisung die Grenzen der Verfassung beachtet und ausreichend auf Art. 8 EMRK Rücksicht genommen haben.
2. Vollzug der Schubhafttatbestände des § 76 Abs. 2 FPG
Die Sondertatbestände zur Verhängung von Schubhaft gegen Asylwerber, insbesondere die Zif. 4 der oben zitierten Bestimmung, wonach schon alleine aufgrund der Annahme, dass Österreich für die Prüfung des Asylantrages unzuständig sei, die Schubhaft verhängt werden darf, werfen im Einzelfall immer wieder die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Anhaltung auf. Die Trennung von Familien (Vater in Schubhaft, Mutter mit Kindern in das gelindere Mittel) ohne konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sich die gesamte Familie anderenfalls dem Verfahren entziehen würde, erscheint grundrechtlich äußerst bedenklich (vgl. auch VfGH 28.4.2004, B 292/04, wonach allgemeine Annahmen und Erfahrungswerte nicht genügen, um die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einer Freiheitsentziehung im Einzelfall zu begründen, und für die Trennung von Familienmitgliedern eine nachvollziehbare Begründung erforderlich ist). Eine Anhaltung zur Sicherung von fremdenpolizeilichen Maßnahmen auf Verdacht, ist nach Auffassung des Beirates vom BVG zum Schutz der persönlichen Freiheit nicht gedeckt. Der Beirat dringt auch hier auf eine stärkere Beachtung grundrechtlicher Grenzen durch die Vollzugsbehörden.
Übereinstimmend damit führt die Europäische Kommission in ihrem Bericht vom 6.6.2007 zur Bewertung des Dublin-Systems, KOM (2007) 299, im Zusammenhang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen gegen Asylwerber aus:
„Die Mitgliedstaaten führen zunehmend freiheitsentziehende Maßnahmen für Personen ein, gegen die ein Überstellungsbeschluss ergangen ist, um zu verhindern, dass die betreffenden
Personen vor Durchführung der Überstellung untertauchen.
Die Kommission erinnert daran, dass bei der effektiven Durchführung der Überstellungen zwar Verbesserungsbedarf besteht, aber freiheitsentziehende Maßnahmen nur als letztes Mittel angewandt werden sollten, wenn von allen anderen Maßnahmen keine zufriedenstellenden Ergebnisse zu erwarten sind und objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Asylbewerber mit großer Wahrscheinlichkeit untertauchen wird. In jedem Fall sollte der Situation von Familien, Personen mit medizinischen Bedürfnissen, Frauen und unbegleiteten Minderjährigen stets angemessen Rechnung getragen werden.“
3. Souveränitäts- (Art. 3 Abs. 2) und Humanitätsklausel (Art. 15) der Dublin II-VO
Der Dringlichkeitsbericht der Kommission OLG Wien II zum Fall des Sudanesen Allam YASIN war nach dem Fall der Familie SHARIFI (vgl. dazu auch das Erkenntnis des VfGH 26.2.2007, B 1802, 1803/06-11) neuerlich Grund für den Beirat, sich mit den rechtlichen Möglichkeiten des Eintrittsrechtes Österreichs in die Prüfung eines Asylantrages nach der Dublin II-VO auseinanderzusetzen. Es scheint dem Beirat geboten, objektive Kriterien für die Ausübung des weitgehend im Ermessen Österreichs stehenden Eintrittsrechts unter besonderer Berücksichtigung der dem Asylwerber aus Art. 8 EMRK zustehenden Rechte zu entwickeln.
Die Europäische Kommission führt in diesem Zusammenhang aus:
„Eine einheitliche Anwendung der mit der Dublin-Verordnung festgelegten Verfahren und Kriterien ist von wesentlicher Bedeutung für das ordnungsgemäße Funktionieren dieses Systems. Allerdings besteht unter den Mitgliedstaaten nicht immer Einigkeit über die Umstände, unter denen bestimmte Vorschriften angewandt werden sollten.
Solche unterschiedlichen Auslegungen waren insbesondere bei der Anwendung folgender Bestimmungen festzustellen: Souveränitätsklausel (Artikel 3 Absatz 2 der Dublin-Verordnung), wonach ein Mitgliedstaat die Verantwortung für die Prüfung eines Asylantrags auch dann übernehmen kann, wenn nach den Dublin-Kriterien ein anderer Mitgliedstaat zuständig wäre; humanitäre Klausel (Artikel 15 der Dublin-Verordnung), wonach die Mitgliedstaaten Familienangehörige zusammenführen können, obwohl sie bei strenger Anwendung der Kriterien getrennt würden.
Die Mitgliedstaaten wenden die Souveränitätsklausel aus verschiedenen Gründen – von humanitären bis hin zu rein praktischen Gründen – an.
Die Mitgliedstaaten sollten ermutigt werden, aus humanitären Gründen die Souveränitätsklausel anzuwenden, da dies dem impliziten Ziel der Bestimmung entsprechen dürfte.
Nach dem derzeitigen Wortlaut der Dublin-Verordnung bedarf es für die Anwendung der Souveränitätsklausel nicht der Zustimmung des Asylbewerbers. Dies hatte in einigen Fällen
negative Auswirkungen, vor allem wenn Asylbewerber daran gehindert wurden, Familienangehörigen in anderen Mitgliedstaaten nachzuziehen.
Was die humanitäre Klausel anbelangt, so sind die genauen Bedingungen für ihre Anwendung in bestimmten Fällen nicht festgelegt; so ist nicht geregelt, ob sie auf Ersuchen eines
Asylbewerbers angewandt werden kann und ob die Fristen für Ersuchen gelten sollten, die ein Mitgliedstaat einem anderen übermittelt.
Die Kommission wird vorschlagen, die Bedingungen und Verfahren für die Anwendung der Souveränitätsklausel und der humanitären Klausel zu präzisieren und insbesondere Fristen für Ersuchen festzulegen und das Erfordernis der Zustimmung des von der Anwendung der Souveränitätsklausel betroffenen Asylbewerbers einzuführen.“
4. Drittstaatsangehörige Ehegatten von ÖsterreicherInnen, EWR- BürgerInnen und Schweizer
BürgerInnen i.S.d. § 47 Abs. 1 NAG:
Das Fremdenrechtspaket 2005 brachte im Vergleich zum FrG 1997 und dem Ausländerbeschäftigungsgesetz in der Fassung vor der Novelle BGBl. 157/2005 zwei wesentliche Änderungen für diese Gruppe von Fremden mit sich. Während Ehegatten von Österreichern nach dem FrG 1997 generell einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Inland stellten konnten und ab Eheschließung vom Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ausgenommen waren, schloss der Gesetzgeber ohne Übergangsbestimmungen die Inlandsantragstellung für unrechtmäßig aufhältige Fremde, die Ehegatten von ÖsterreicherInnen, EWR-BürgerInnen und Schweizer BürgerInnnen i.S.d. § 47 Abs. 1 NAG sind, generell aus (vgl. § 21 Abs. 2 Zif. 1 NAG) und machte die Ausnahme vom Ausländerbeschäftigungsgesetz von der Berechtigung zur Niederlassung nach dem NAG abhängig.
Beides führte und führt im Einzelfall zu verfassungsrechtlich bedenklichen Eingriffen in das Recht auf Privat- und Familienleben (Art. 8 EMRK). Der Gesetzgeber – sieht man von § 74 NAG i.V.m. § 72 leg. cit. ab – lässt den Aufenthaltsbehörden im Inland keinen Spielraum Art. 8 EMRK bei Vorliegen einschlägiger Sachverhaltselemente in der Einzelfallentscheidung angemessen zu berücksichtigen.
III. Fremdenrecht und Rechtsstaat
Eineinhalb Jahre nach in Kraft treten des Fremdenrechtspakets 2005 ist nicht zuletzt auf der Grundlage von Entscheidungen des VfGH und VwGH festzustellen, dass die Erstbehörden im Vollzugsbereich der Fremdengesetze [Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG)] und verwandter Materien [Familienlastenausgleichsgesetz 1967 i.d.g.F. , Kinderbetreuungsgeldgesetz, Ausländerbeschäftigungsgesetz] tendenziell überlastet und mit der Komplexität grundrechtlicher Fragestellungen vielfach überfordert sind. Mangelhafte Ermittlungsverfahren (z.B. Fall Sharifi in Leoben), fehlende und/oder schlicht unrichtige Interessensabwägungen im Zusammenhang mit Grundrechtseingriffen (z.B. Verhängung aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegen langjährig aufhältige Familien in Oberösterreich nach negativem Abschluss der Asylverfahren, Fall Sharifi, überschießende Verhängung von Schubhaft) und/oder fehlende oder mangelhafte Bescheidbegründungen (z.B. Minderjährige in Schubhaft, Traumatisierte in Schubhaft) sind die Folge. Daraus resultieren Grundrechtsverletzungen und lange Verfahrensdauern.
Der Gesetzgeber hat mit dem Fremdenrechtspaket 2005 maßgeblich zu dieser rechtsstaatlich bedenklichen Entwicklung beigetragen, indem er gerade im Bereich des Art. 8 EMRK positiven Gewährleistungspflichten nicht gerecht wurde. So hat er es verabsäumt, dem Gebot der Verhältnismäßigkeit von Grundrechtseingriffen und der Unterlassung nicht sachlich gerechtfertigter Differenzierungen von Fremden untereinander, z.B. durch Übergangsbestimmungen oder Zulassung der Inlandsantragstellung nach dem NAG insbesondere für langjährig im Inland aufhältige Asylwerber, sonst langjährig im Inland aufhältige Drittstaatsangehörige (nicht abschiebbare Fremde) und drittstaatsangehörige Ehegatten in den Fällen des § 47 NAG sowie durch die Integration von Fremden fördernde und bewahrende Bestimmungen im Ausländerbeschäftigungsgesetz, normativ Rechnung zu tragen.
IV. Die Zielvorstellung
Sicherzustellen,
dass im Vollzugsbereich der Asyl-, Fremdenpolizei- und Aufenthaltsbehörden die sich aus den Gesetzesvorbehalten der EMRK – insbesondere aus Art. 8 der Konvention ergebenden Schranken für die Zulässigkeit von Grundrechtseingriffen regelmäßig Beachtung finden;
dass der (Fremdenrechts-)Gesetzgeber tätig wird, um die aus Art. 8 EMRK erwachsenden positiven Verpflichtungen des Staates zu gewährleisten;
dass Kriterien für die Anwendung der Souveränitäts- und Humanitätsklausel der Dublin II-VO entwickelt werden.
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2005 - Stellungnahme zur Anhalteordnung Neu
In seiner 56. Sitzung am 6. Dezember 2005 hat der Menschenrechtsbeirat seine Stellungnahme zum Begutachtungsentwurf der "Verordnung der Bundesministerin für Inneres, mit der die Anhalteordnung geändert wird" (AnhO Neu) beschlossen.
Stellungnahme (pdf, 73 KB)
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2005 - Stellungnahme zum AsylG und FremdenpolizeiG 2005
In seiner 49. Sitzung am 18. Jänner 2005 beschloss der MRB die Einsetzung einer Arbeitsgruppe zur Vorbereitung einer Stellungnahme zum Begutachtungsentwurf des BMI zum AsylG 2005. In der darauffolgenden Sitzung am 1. März 2005 hat der Beirat die Arbeitsgruppe dazu ermächtigt, auch die aus menschenrechtlicher Sicht relevanten Regelungen des Fremdenpolizeigesetzes (FPG) 2005 in ihre Überlegungen mit einzubeziehen. Der von der AG vorgelegte Stellungnahmeentwurf wurde vom Beirat am 12. April 2005 beraten und beschlossen, die Stellungnahme noch vor Ende der Begutachtungsfrist an das BMI übermittelt.
Der MRB begrüßt die Kontaktaufnahme des BMI bereits im Vorfeld und während des Begutachtungsverfahrens, wodurch er im Rahmen mehrerer ausführlicher Gespräche die Gelegenheit hatte, seine Bedenken gegen den Begutachtungsentwurf darzulegen. Die vorliegende Stellungnahme greift - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - die aus Sicht des MRB menschenrechtlich bedenklichsten Bestimmungen des Begutachtungsentwurfs heraus.
Stellungnahme (pdf, 534 KB)
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2003 - Stellungnahme zur Bundesbetreuungsrichtlinie
Menschenrechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit der Betreuungssituation von AsylwerberInnen (v.a. in der Betreuungsstelle Traiskirchen) waren bereits Gegenstand von Kommissionsberichten, in denen angeregt wurde, das Thema der Flüchtlingsbetreuung im Menschenrechtsbeirat aufzugreifen. Am 1. Oktober 2002 traten die Richtlinien des BMI betreffend die Bundesbetreuung hilfsbedürftiger AsylwerberInnen einschließlich der Aufnahme in das Notquartier in Kraft. Auf dieser Grundlage wurden Personen aus der Bundesbetreuung im großen Ausmaß entlassen sowie nicht mehr aufgenommen. Karitative Organisationen und UNHCR Österreich protestierten und führten ins Treffen, dass die Richtlinien aus (menschen)rechtlichen und humanitären Gründen zurückgenommen werden sollten.
Vor diesem Hintergrund hat die vom MRB eingesetzte ständige AG Planung das Thema "menschenrechtliche Aspekte der Betreuung von AsylwerberInnen" als prioritär einzustufenden Arbeitsbereich qualifiziert. Gleichzeitig hat auch der UNHCR Österreich mit Schreiben an den MRB vom 23. Oktober 2002 seine Besorgnis über die Verschärfung der diesbezüglichen Vorgehensweise seitens des BMI zum Ausdruck gebracht; die Praxis bei der Aufnahme in die bzw. Verweigerung der Bundesbetreuung wurde auch vor dem Hintergrund der auch in der Republik Österreich völkerrechtlich verbindlich geltenden Menschenrechte als sehr problematisch eingestuft. Aus diesem Anlass beschloss der MRB in seiner 30. Sitzung am 29. Oktober 2002 im Hinblick auf seine verfassungsmäßige Kompetenz, den Bundesminister für Inneres in allen Fragen der Wahrung der Menschenrechte zu beraten, den Themenkomplex Bundesbetreuung im Rahmen einer Arbeitsgruppe zu bearbeiten.
Die vorliegende Stellungnahme des MRB beschränkt sich auf die Prüfung der Richtlinien des Bundesministeriums für Inneres für die Bundesbetreuung hilfsbedürftiger Asylwerber einschließlich der Aufnahme in das "Notquartier" (im Folgenden: Richtlinien des BMI). Gleichzeitig wird betont, dass der MRB nicht übersieht, dass der Gesamtzusammenhang, in den die Maßnahme eingebettet ist, von wesentlicher Bedeutung ist; im Hinblick auf die laufenden Verhandlungen zwischen Bund und Ländern über ein Grundversorgungsmodell und die aktuellen Entwicklungen auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene wird - abgesehen von den Richtlinien des BMI, deren Behandlung in humanitärer und menschenrechtlicher Hinsicht als vorrangig erachtet wird - derzeit kein aktueller Handlungsbedarf seitens des MRB gesehen, der über eine begleitende Beobachtung des erforderlichen Umsetzungsbedarfs auf Bundesebene hinausgeht.
Stellungnahme (pdf, 326 KB)
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Achtung
Der Menschenrechtsbeirat im Bundesministerium für Inneres hat seine Tätigkeit mit 30. Juni 2012 beendet. Gemäß dem OPCAT-Durchführungsgesetz (BGBl I Nr. 1/2012) wurde bei der österreichischen Volksanwaltschaft ein Nationaler Präventionsmechanismus eingerichtet, der zur Verhinderung von Folter und anderen grausamen, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe sowie dem Schutz und der Förderung der Menschenrechte Besuche an Orten der Freiheitsentziehung durchführt.