Illegaler Welpenhandel
Skrupellose Geschäfte
Das illegale Geschäft mit Hundewelpen boomt. Ein aktueller Grund dafür ist die Corona-Pandemie. Die Gemeinde Wien startete eine „Aktion scharf gegen illegalen Welpenhandel“.
Sie kommen in den meisten Fällen aus sogenannten „Vermehrerstationen“ aus dem Osten Europas. In schmutzigen, engen Verschlägen oder Käfigen müssen die Mutterhündinnen dahinvegetieren, werden am laufenden Band gedeckt und ihre Welpen werden ihnen viel zu früh entrissen. Mit gefälschten Papieren und erfundenen Stammbäumen werden die Kleinen illegal Richtung Westeuropa gebracht. „Es handelt sich um ein internationales Netzwerk“, sagt Abteilungsinspektor Eric Friczmann von der Landespolizeidirektion Wien.
Zuständigkeiten.
„Tierwelpen werden von slowakischen Züchtern quer durch Europa – vom Norden bis in den Süden nach Griechenland geliefert. Nach dem Tierschutzgesetz wird polizeilich eingeschritten, wenn es zu Straßenverkäufen z. B. aus dem Kofferraum oder auf Flohmärkten kommt. Ebenso bei Online-Verkäufen im Internet von nicht registrierten Züchtern“, sagt Friczmann. Die Tierquälerei muss von Amtswegen, meist dem Veterinäramt, festgestellt werden. In Wien ist neben dem Veterinäramt (MA 60) auch das Marktamt (MA 59) zuständig. Die zuständigen Ämter können die Polizei zur Amtshilfe anfordern. „Der Ermittlungsdienst der Landeskriminalämter schreitet nach dem Strafgesetzbuch, § 222 Tierquälerei, Weitergabe kranker Welpen, § 146 Betrug, Weitergabe nicht geimpfter Welpen, § 182 Andere Gefährdung des Tier- oder Pflanzenbestandes, gefälschte EU-Heimtierpässe, §§ 146 Betrug und 223 Urkundenfälschung ein“, sagt Friczmann.
„Man muss an Ort und Stelle je nach Situation unterscheiden, ob es sich um einen verwaltungsrechtlichen Tatbestand zum Beispiel nach dem Tierschutzgesetz handelt, oder um einen strafrechtlichen Tatbestand. Aufgrund dessen wird dann nach Abschluss der Ermittlungen bei der zuständigen Staatsanwaltschaft oder Bezirksverwaltungsbehörde Anzeige erstattet“, sagt Kontrollinspektor Heinz Holub, BA, Sprecher der Landespolizeidirektion Niederösterreich. Erste Ende April 2021 wurden im Bezirk Melk nach einer Beobachtung eines aufmerksamen Auto-fahrers sieben Hundewelpen vorüber-gehend beschlagnahmt. Dem Autofahrer war es aufgefallen, dass ein Paar mit deutschem Kennzeichen mit mehreren Hundewelpen auf einem Autobahnparkplatz hantierte. Die alarmierte Exekutive konnte das Fahrzeug ausfindig machen und der Verdacht des illegalen Welpenhandels lag nahe: Die Welpen waren nicht gechipt, es gab zwar Impfpässe, aber keine gültigen EU-Tierreisepässe. Die Tiere sind derzeit in einem Tierschutzhaus untergebracht, die Ermittlungen laufen noch.
„Aktion scharf“ in Wien.
Durch eine Verschärfung des EU-Tiergesundheitsrechts dürfen nun keine Welpen unter 15 Wochen mehr nach Österreich gebracht werden. Darüber hinaus startet das Veterinäramt der Stadt in Zusammenarbeit mit der Tierschutzombudsstelle Wien eine „Aktion scharf gegen illegalen Welpenhandel“: Es wird das Internet auf mögliche Verdachtsfälle durchforstet und der öffentliche Raum verstärkt beobachtet. Die von der Polizei hinzugezogenen Amtstierärzte der Stadt Wien kontrollieren die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen: vom Tiertransport über die Tiergesundheit bis hin zum Tierschutz. Erhärtet sich ein Verdacht, wird jeder Fall zur Anzeige gebracht. Zudem soll in den Bezirken, etwa in Hundezonen, über illegalen Welpenhandel informiert werden.
Das öffentliche Verkaufen oder Verschenken von Tieren ist verboten.
Dafür droht eine Geldstrafe von bis zu 3.750 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 7.500 Euro. Was bleibt, ist das Leid der Tiere. Eine Vergleichszahl aus Deutschland verdeutlicht die Aktualität des Problems: Von Januar bis März 2021 beschlagnahmte die deutsche Polizei laut der Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“ bundesweit 627 Welpen. Das ist eine Verfünffachung der Zahl gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres. „Hierzulande liegen uns keine offiziellen Zahlen vor. Allerdings: Laut der Veterinärmedizinischen Universität Wien werden derzeit 40 Prozent mehr Tiere mit Parvovirose behandelt als vor der Pandemie. Das ist eine schwere Durchfall-Erkrankung, die nicht selten tödlich endet und enorme Tierarztkosten bedeutet“, sagt Veronika Weissenböck von „Vier Pfoten“. Diese Krankheit tritt überwiegend bei nichtgeimpften Hunden aus dem östlichen Ausland auf.
Skrupellose Händler.
„Ein besonderer Fall ist mir in Erinnerung geblieben, in dem ein Pärchen aus Deutschland, das dort schon mehrere Tierhalteverbote hatte, im Mühlviertel im großen Stil kranke Welpen unter grauenvollen Bedingungen gehalten hat“, sagt Weissenböck. „Hier sind besonders viele Tiere in der Obhut ihrer ahnungslosen Käufer verstorben. Diese Händler konnten überführt werden und wurden auch vor Gericht unter anderem wegen schweren Betrugs verurteilt.“ Für „Vier Pfoten“ ist jeder einzelne Fall ein Erfolg, in dem zitternde, kranke und viel zu junge Welpen aus den Händen der Welpenhändler befreit werden können. Allerdings: „Die Händler passen sich schnell an neue Situationen an, um ihr schmutziges Geschäft weiterführen zu können – sei es neue strengere gesetzliche Bestimmungen oder eben eine Pandemie“, berichtet Weissenböck. „Vor einigen Jahren waren Billigwelpen für 150 Euro auf Internetplattformen normal, heutzutage haben sich die Welpenhändler den Anstrich der Seriosität gegeben, haben eigenen Websites, die professionell erscheinen und verkaufen Welpen mit fingiertem Stammbaum um ähnliche Preise wie Züchter. Manche geben sich auch als Tierschutzeinrichtungen aus. Die Tiere werden dann entweder direkt nach Österreich geliefert, häufig werden die Kaufinteressenten aber auch über die Grenze etwa nach Ungarn, in die Slowakei oder Tschechien zur Übergabe gelockt, um den strengeren Gesetzen und Behörden in Österreich zu entgehen. Die Nachfrage nach Welpen ist durch die Pandemie in die Höhe geschnellt. Man sollte niemals ein Tier aus Mitleid kaufen. Man muss sich immer bewusst sein, dass für jeden gekauften Welpen ein neuer nachrückt.“
Mit Vitaminen fitgespritzt.
„Manchmal zeigen die Online-Verkäufer irgendeine Hündin der gleichen Rasse, während die wahre Mutter in Osteuropa in einer Welpenfabrik leidet“, sagt Weissenböck. „Für die Übergabe werden die latent kranken und häufig ungeimpften Welpen mit Vitaminen fitgespritzt, kurze Zeit nach dem Kauf brechen dann schwere Krankheiten aus, nicht selten versterben die Jungtiere daran. Sie leiden oft an starkem Parasitenbefall wie Würmern und auch an Gendefekten wegen Inzucht, und weil es sich häufig um Rassen mit besonders starken Qualzuchtmerkmalen handelt, wie Kurznasen, Hautfalten oder Glubschaugen. Die Tierarztkosten schnellen in die Höhe. Die Hunde leiden aufgrund des viel zu frühen Entzugs von der Mutter unter chronischen Beschwerden und Krankheiten. Es fehlen ihnen die Sozialkontakte, die sie gerade am Anfang ihres Lebens so dringend benötigen würden. Viele der Tiere werden binnen weniger Wochen schwer krank, viele sind verstört und manchmal aggressiv gegenüber ihren Haltern.“
Die internationale Zusammenarbeit
Die internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen den illegalen Welpenhandel ist ausbaufähig: „Eine slowakische Firma, die in Österreich im Internet Welpen anbietet, ist laut slowakischen Behörden ein ,Vorzeigebetrieb‘ und wurde in der Slowakei noch nicht beanstandet. Es heißt alles Okay, alles Bestens und wir können nichts machen“, sagt Friczmann. Ähnlich sieht es Veronika Weissenböck von den „Vier Pfoten“: „In Österreich gibt es gesetzliche Schlupflöcher für den Online-Verlauf. Es braucht außerdem einen strengeren Vollzug, gut geschulte und sensibilisierte Behörden und bessere grenzüberschreitende Zusammenarbeit. In vielen unserer Nachbarländer sind die Gesetze weniger streng oder werden nicht exekutiert. Es braucht hier gesamteuropäische Lösungen. Jedes einzelne Tier muss in europaweit vernetzten Heimtierdatenbanken eingetragen werden und nachverfolgbar sein, ebenso jeder am Leben des Tiers beteiligte Mensch, das heißt vom Züchter bis zum Händler über den Tierarzt bis zum Besitzer. Dazu gehört auch eine europaweite Chip- und Registrierpflicht. Die Menschen müssen ein Bewusstsein entwickeln, und wenn sie sich für ein Heimtier entscheiden, sich dies reiflich und wohl überlegen und ein Tier aus dem Tierheim adoptieren und nicht im Internet kaufen.“
Julia Brunhofer/Herbert Zwickl
Wiener Tierschutzombudstelle
WAU-Methode
Die Wiener Tierschutzombudsstelle (www.tieranwalt.at) und das TierQuarTier Wien (www.tierquartier.at) wollen das skrupellose Geschäft mit Tierbabys mithilfe eines Drei-Stufen-Plans – der WAU-Methode – erschweren. WAU steht für: „Wissen aneignen, Angebot im Tierheim checken, Unterstützung bei der Suche einholen.
Wissen aneignen. Bevor man sich einen Vierbeiner anschafft, sollte man sich genau über ihn und seine Bedürfnisse informieren. Dazu bietet die Wiener Tierombudsstelle einen „Sachkundekurs“ für künftige Hundehalter an, in Wien verpflichtend bei der Anmeldung eines Hundes vorzulegen. Hauptthemen sind neben den Bezugsquellen auch die Fragen, welches Tier zu einem passt. Die Bestätigung ist zwei Jahre lang gültig. Weitere Informationen unter www.hunde-kunde.at.
Angebot im Tierheim checken. Hat der Sachkundekurs die Entscheidung, ein vierbeiniges Familienmitglied aufzunehmen bestärkt, sollte der erste Weg in ein Tierheim führen. Hier warten immer wieder auch Welpen und junge Hunde verschiedenster Rassen auf ein neues, gutes Zuhause.
Unterstützung von Experten einholen. Wer sich für eine ganz spezielle Rasse interessiere oder im lokalen Tierheim nicht den passenden Begleiter finde, sollte sich bei Hunde-Experten nach weiteren Möglichkeiten erkundigen. Die Tierschutzombudsstelle Wien sowie die Sachkundekurs-Anbieter, die selbst Hundetrainer/-innen oder Tierärzt/-innen sind, stehen mit Tipps und Informationen rund um die Uhr für die Frage „Woher bekomme ich meinen Wunschhund?“ zur Verfügung.
Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 7-8/2021
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