Europawahlen
(Rats-)beschluss zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
Beschluss des Rates vom 20. September 1976 zuletzt geändert durch Beschluss des Rates vom 25. Juni 2002 und 23. September 2002 (konsolidierte Fassung)
Der Rat
- in der Zusammensetzung der Vertreter der Mitgliedstaaten und mit Einstimmigkeit,
gestützt auf Artikel 21 Absatz 3 des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl,
gestützt auf Artikel 138 Absatz 3 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft,
gestützt auf Artikel 108 Absatz 3 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft,
nach Kenntnisnahme des Entwurfs der Versammlung.
In der Absicht, die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 1. und 2. Dezember 1975 in Rom in die Tat umzusetzen, damit die Wahl zur Versammlung zu einem einheitlichen Zeitpunkt in den Monaten Mai - Juni 1978 abgehalten wird -
hat die diesem Beschluss beigefügten Bestimmungen erlassen, deren Annahme nach ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften er den Mitgliedstaaten empfiehlt.
Dieser Beschluss und die ihm beigefügten Bestimmungen werden im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht.
Die Mitgliedstaaten teilen dem Generalsekretär des Rates der Europäischen Gemeinschaft unverzüglich den Abschluss der Verfahren mit, die nach ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften für die Annahme der diesem Beschluss beigefügten Bestimmungen erforderlich sind.
Dieser Beschluss tritt am Tage der Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft.
Akt
zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen
der Abgeordneten im Europäischen Parlament
Artikel 1
(1) In jedem Mitgliedstaat werden die Mitglieder des Europäischen Parlaments nach dem Verhältniswahlsystem auf der Grundlage von Listen oder von übertragbaren Einzelstimmen gewählt.
(2) Die Mitgliedstaaten können Vorzugsstimmen auf der Grundlage von Listen nach den von ihnen festgelegten Modalitäten zulassen.
(3) Die Wahl erfolgt allgemein, unmittelbar, frei und geheim.
Artikel 2
Entsprechend ihren nationalen Besonderheiten können die Mitgliedstaaten für die Wahl des Europäischen Parlaments Wahlkreise einrichten oder ihre Wahlgebiete auf andere Weise unterteilen, ohne das Verhältniswahlsystem insgesamt in Frage zu stellen.
Artikel 3
Für die Sitzvergabe können die Mitgliedstaaten eine Mindestschwelle festlegen. Diese Schwelle darf jedoch landesweit nicht mehr als 5 % der abgegebenen Stimmen betragen.
Artikel 4
Jeder Mitgliedstaat kann eine Obergrenze für die Wahlkampfkosten der Wahlbewerber festlegen.
Artikel 5
(1) Der Fünfjahreszeitraum, für den die Mitglieder des Europäischen Parlaments gewählt werden, beginnt mit der Eröffnung der ersten Sitzung nach jeder Wahl. Er wird nach Maßgabe von Artikel 11 Absatz 2 Unterabsatz 2 verlängert oder verkürzt.
(2) Das Mandat eines Abgeordneten beginnt und endet zu gleicher Zeit wie der in Absatz 1 genannte Zeitraum.
Artikel 6
(1) Die Abgeordneten geben ihre Stimmen einzeln und persönlich ab. Sie sind weder an Aufträge noch an Weisungen gebunden.
(2) Die Mitglieder des Europäischen Parlaments genießen die Vorrechte und Befreiungen, die nach dem Protokoll vom 8. April 1965 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften für sie gelten.
Artikel 7
(1) Die Mitgliedschaft im Europäischen Parlament ist unvereinbar mit der Eigenschaft als
- Mitglied der Regierung eines Mitgliedstaates;
- Mitglied der Kommission der Europäischen Gemeinschaften;
- Richter, Generalanwalt oder Kanzler des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften oder des Gerichts erster Instanz;
- Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank;
- Mitglied des Rechnungshofs der Europäischen Gemeinschaften;
- Bürgerbeauftragter der Europäischen Gemeinschaften;
- Mitglied des Wirtschafts- und Sozialausschusses der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft;
- Mitglied des Ausschusses der Regionen;
- Mitglied von Ausschüssen und Gremien, die auf Grund der Verträge zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft Mittel der Gemeinschaften verwalten oder eine dauernde unmittelbare Verwaltungsaufgabe wahrnehmen;
- Mitglied des Verwaltungsrats oder des Direktoriums oder Bediensteter der Europäischen Investitionsbank;
- im aktiven Dienst stehender Beamter oder Bediensteter der Organe der Europäischen Gemeinschaften oder der ihnen angegliederten Einrichtungen, Ämter, Agenturen und Gremien oder der Europäischen Zentralbank.
(2) Ab der Wahl zum Europäischen Parlament im Jahr 2004 ist die Mitgliedschaft im Europäischen Parlament unvereinbar mit der Eigenschaft als Abgeordneter eines nationalen Parlaments.
Abweichend von dieser Regel und unbeschadet des Absatzes 3
- können die Abgeordneten des nationalen irischen Parlaments, die in einer folgenden Wahl in das Europäische Parlament gewählt werden, bis zur nächsten Wahl zum nationalen irischen Parlament ein Doppelmandat ausüben; ab diesem Zeitpunkt ist Unterabsatz 1 anwendbar;
- können die Abgeordneten des nationalen Parlaments des Vereinigten Königreichs, die während des Fünfjahreszeitraums vor der Wahl zum Europäischen Parlament im Jahr 2004 auch Abgeordnete des Europäischen Parlaments sind, bis zu den Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 2009 ein Doppelmandat ausüben; ab diesem Zeitpunkt ist Unterabsatz 1 anwendbar.
(3) Ferner kann jeder Mitgliedstaat nach Artikel 8 innerstaatlich geltende Unvereinbarkeiten ausweiten.
(4) Die Mitglieder des Europäischen Parlaments, auf die im Laufe der in Artikel 5 festgelegten fünfjährigen Wahlperiode die Absätze 1, 2 und 3 Anwendung finden, werden nach Artikel 13 ersetzt.
Artikel 8
Vorbehaltlich der Vorschriften dieses Akts bestimmt sich das Wahlverfahren in jedem Mitgliedstaat nach den innerstaatlichen Vorschriften.
Diese innerstaatlichen Vorschriften, die gegebenenfalls den Besonderheiten in den Mitgliedstaaten Rechnung tragen können, dürfen das Verhältniswahlsystem insgesamt nicht in Frage stellen.
Artikel 9
Bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments kann jeder Wähler nur einmal wählen.
Artikel 10
(1) Die Wahl des Europäischen Parlaments findet zu dem von jedem Mitgliedstaat festgelegten Termin und zu den von ihm festgelegten Uhrzeiten statt, wobei der Termin in einen für alle Mitgliedstaaten gleichen Zeitraum von Donnerstagmorgen bis zu dem unmittelbar nachfolgenden Sonntag fällt.
(2) Ein Mitgliedstaat darf das ihn betreffende Wahlergebnis erst dann amtlich bekannt geben, wenn die Wahl in dem Mitgliedstaat, dessen Wähler innerhalb des in Absatz 1 genannten Zeitraums als Letzte wählen, abgeschlossen ist.
Artikel 11
(1) Der Zeitraum, in dem die Wahlen stattfinden, wird für die erste Wahl vom Rat nach Anhörung des Europäischen Parlaments einstimmig näher bestimmt.
(2) Die folgenden Wahlen finden in dem entsprechenden Zeitraum des letzten Jahres der in Artikel 5 genannten fünfjährigen Wahlperiode statt. Erweist es sich als unmöglich, die Wahlen während dieses Zeitraums in der Gemeinschaft abzuhalten, so setzt der Rat mindestens ein Jahr vor Ablauf des in Artikel 5 genannten Fünfjahreszeitraums nach Anhörung des Europäischen Parlaments einstimmig einen anderen Zeitraum fest, der frühestens zwei Monate vor und spätestens einen Monat nach dem sich aus vorstehendem Unterabsatz ergebenden Zeitraum liegen darf.
(3) Unbeschadet des Artikels 139 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Artikels 109 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft tritt das Europäische Parlament, ohne dass es einer Einberufung bedarf, am ersten Dienstag nach Ablauf eines Monats ab dem Ende des Zeitraums, in dem die Wahlen stattgefunden haben, zusammen.
(4) Die Befugnisse des scheidenden Europäischen Parlaments enden mit der ersten Sitzung des neuen Europäischen Parlaments.
Artikel 12
Das Europäische Parlament prüft die Mandate seiner Mitglieder. Zu diesem Zweck nimmt das Europäische Parlament die von den Mitgliedstaaten amtlich bekannt gegebenen Wahlergebnisse zur Kenntnis und befindet über die Anfechtungen, die gegebenenfalls auf Grund der Vorschriften dieses Akts – mit Ausnahme der innerstaatlichen Vorschriften, auf die darin verwiesen wird – vorgebracht werden könnten.
Artikel 13
(1) Ein Sitz wird frei, wenn das Mandat eines Mitglieds des Europäischen Parlaments im Falle seines Rücktritts oder seines Todes oder des Entzugs erlischt.
(2) Vorbehaltlich der sonstigen Vorschriften dieses Akts legt jeder Mitgliedstaat für den Fall des Freiwerdens eines Sitzes die geeigneten Verfahren fest, um diesen Sitz für den Rest des in Artikel 5 genannten Fünfjahreszeitraums zu besetzen.
(3) Ist in den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats ausdrücklich der Entzug des Mandats eines Mitglieds des Europäischen Parlaments vorgesehen, so erlischt sein Mandat entsprechend diesen Rechtsvorschriften. Die zuständigen einzelstaatlichen Behörden setzen das Europäische Parlament davon in Kenntnis.
(4) Wird ein Sitz durch Rücktritt oder Tod frei, so setzt der Präsident des Europäischen Parlaments die zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaates unverzüglich davon in Kenntnis.
Artikel 14
Sollte es sich als erforderlich erweisen, Maßnahmen zur Durchführung dieses Akts zu treffen, so trifft der Rat diese Maßnahmen einstimmig auf Vorschlag des Europäischen Parlaments und nach Anhörung der Kommission, nachdem er sich in einem Konzertierungsausschuss, dem der Rat sowie Vertreter des Europäischen Parlaments angehören, um ein Einvernehmen mit dem Europäischen Parlament bemüht hat.
Artikel 15
Dieser Akt ist in dänischer, deutscher, englischer, finnischer, französischer, griechischer, irischer, italienischer, niederländischer, portugiesischer, schwedischer und spanischer Sprache abgefasst, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist.
Die Anhänge II und III sind Bestandteil dieses Akts.
Artikel 16
Die Bestimmungen dieses Akts treten an dem ersten Tag des Monats in Kraft, der auf den Erhalt der letzten in dem Beschluss genannten Mitteilungen folgt.
GESCHEHEN zu Brüssel am zwanzigsten September neunzehnhundertsechsundsiebzig.
Anhang I
Das Vereinigte Königreich wird die Vorschriften dieses Akts nur auf das Vereinigte Königreich anwenden.
Anhang II - Erklärung zu Artikel 14
In Bezug auf das Verfahren, das im Konzertierungsausschuss anzuwenden ist, wird vereinbart, die Nummern 5, 6 und 7 des Verfahrens heranzuziehen, das durch die gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission vom 4. März 1975 festgelegt worden ist.
BMI Bundesministerium für Inneres, Abteilung III/S/2, 1010 Wien, Telefon: +43 1 531 26-905203 | Kontakt