Ausbildung

Wie bewährt sich Melanie?

Eine junge Frau möchte Polizistin werden. Zuerst paukt sie Paragrafen in der Schule, dann lernt sie ihr Handwerk in der Polizeiinspektion Julius-Tandler-Platz in Wien. Sie hofft auf Unterstützung, später auf Kameradschaft. Heute arbeitet sie noch immer dort.

Der Tag, an dem Melanie Kemeter ihrem Ziel, Polizistin zu werden, einen großen Schritt näherkam, war der Tag, an dem sie die Polizeiinspektion Julius-Tandler-Platz in Wien Alsergrund betrat; mit der Bereitschaft, zum ersten Mal Praxisluft zu schnuppern. Es war ein 1. Dezember, ein Tag, der heute so präsent ist, als hätte sie ihn gestern erlebt. Beim sogenannten Erstgespräch erwarteten sie Chefinspektor Georg Klimbacher, Kommandant der Dienststelle, und Kontrollinspektor Andreas Weiss, einer seiner Stellvertreter.

"Ich habe dieses Gespräch sehr angenehm in Erinnerung", sagt Kemeter. "Ich war zwar nervös, bin aber freundlich empfangen worden, was mir die Situation sehr erleichtert hat." Sie freue sich auf das Praktikum, sehe dem Ganzen positiv entgegen, wolle aber nicht ins kalte Wasser gestoßen werden, erklärte sie. "Außerdem habe ich gebeten, Materien des Verwaltungsrechts zu vertiefen, um Defizite auszubessern." Thomas Raderer, damals Revierinspektor, heute Bezirksinspektor, wurde ihr als Betreuungsbeamter zugeteilt. Er berichtete monatlich über Lerninhalte und Fortschritte, stand in ständigem Austausch mit Klimbacher, dem Ausbildungsverantwortlichen, und führte Anpassungen durch, falls notwendig.

Melanie Kemeter absolvierte beide Praxisphasen der Grundausbildung ohne Unterbrechung vom 1. Dezember 2017 bis 30. Juni 2018, was auf den EU-Ratsvorsitz zurückzuführen war, den Österreich damals innehatte. Im ersten Monat saß Kemeter im Streifenwagen auf der Rückbank, still beobachtend. Ende des ersten Monats "durfte" sie personenbezogene Daten aufnehmen, den Funk bedienen. "Ich habe das Eintreffen, den Endbericht oder die Weiterfahrt per Funk gemeldet und so meine Kolleginnen und Kollegen entlastet", sagt sie. Unter Aufsicht führte sie erste Alkovortests durch, war zu Fuß im Rayon unterwegs, immer in Begleitung ihres Betreuungsbeamten oder eines erfahrenen Kollegen. Auch die Theorie kam in der Polizeiinspektion nicht zu kurz. "Wir haben ihrem Wunsch entsprochen, in Form von Beispielen, Präsentationen und Hand-Outs, Materien des Verwaltungsrechts mit ihr zu vertiefen", sagt Klimbacher.

"Ziel im zweiten Monat war, ihr zu helfen, Amtshandlungen selbstständig und selbstverantwortlich abzuwickeln", sagt Raderer. "Auch den Umgang mit Parteien wollten wir verbessern." Bei Amtshandlungen wurde Kemeter aktiver. Sie hielt Fahrzeuglenker an, führte Fahrzeugkontrollen durch, mahnte ab, stellte Organmandate aus, legte Anzeigen; immer im Beisein einer erfahrenen Kollegin oder eines erfahrenen Kollegen. Der dritte Monat begann mit einem Knalleffekt – bei einer Amtshandlung fielen Schreckschüsse, nachdem ein alkoholisierter Lenker mit seinem Fahrzeug geflüchtet war. Raderer, ihr Betreuungsbeamter, fuhr am nächsten Tag trotz Urlaub in die PI und besprach mit Kemeter die Situation. "Ich habe keinen Hinweis erhalten, dass Melanie die Amtshandlung nicht verkraftet hätte", sagt er. "Wir haben vereinbart, dass sie das Ganze aufarbeitet, ohne die Meldung der beteiligten Kollegen zu lesen." - "Ich habe einen Aufsatz geschrieben, einen inneren Monolog geführt, um die Erinnerung daran zu behalten", sagt sie. "Das war sehr wichtig für mich und hat mir sehr geholfen."

"Nach etwa drei Monaten hat es bei mir ‚Klick‘ gemacht, ich bin immer selbstbewusster geworden", sagt Kemeter. "Auch die Abläufe sind irgendwie selbstverständlich geworden – im siebten Monat habe ich mir gedacht, dass ich eigentlich gar nicht mehr in die Schule zurück möchte." Das Resümee ihrer "Lehrzeit" beschreibt sie so: "Ich habe in dieser Zeit so viel an Unterstützung erfahren, an Kameradschaft, an Kompetenz, dass ich in keiner anderen Polizeiinspektion arbeiten möchte. Und ich habe sehr viel über mich selber gelernt, auf jeden Fall, und ich glaube, dass ich in einer anderen Dienststelle nicht so aufblühen hätte können, wie hier, weil ich mich hier sehr wohl gefühlt habe – von Anfang an."

Die Polizeigrundausbildung

"Die großen Ziele der Polizeigrundausbildung sind Handlungssicherheit und Bürgernähe auf Basis menschenrechtskonformen Verhaltens", sagt Generalmajor Thomas Schlesinger, Leiter des Zentrums für Grundausbildung in der Sicherheitsakademie des Innenministeriums. "Die vier Ausbildungsphasen ‚Basisausbildung‘, ‚Kennenlernen des Dienstbetriebs - erstes Berufspraktikum‘, ‚Reflexion/Vertiefung‘ sowie ‚Einführung in den Dienstbetrieb - zweites Berufspraktikum‘ greifen dabei wie die Räder eines Uhrwerks ineinander." Der Ausbildungsplan selbst baue auf den drei Säulen "Persönlichkeitsbildung", "Fachkompetenz" und "Training" auf, "wobei zu letzterer auch die beiden Berufspraktika zählen", ergänzt der Leiter des Zentrums für Grundausbildung.

"Die Berufspraktika sind Teil der polizeilichen Grundausbildung und dienen der Vermittlung des für die Verwendung von Polizistinnen und Polizisten erforderlichen dienstbetrieblichen Wissens für den exekutiven Außendienst", sagt Ministerialrat Gerhard Simmer vom Referat II/1/a (Struktur- und Personalentwicklung) im Innenministerium. "In Absprachen mit Expertinnen und Experten in Polizeiinspektionen, Bezirks- und Stadtpolizeikommanden, Landespolizeidirektionen sowie zuständigen Fachabteilungen des Innenministeriums ist es gelungen, auch für das Berufspraktikum II einen Mindeststandard für die Betreuung von Polizeischülerinnen und -schüler festzulegen und einen weiteren Schritt zur Qualitätssicherung der polizeilichen Grundausbildung zu setzen." Die theoretischen Bildungsinhalte würden dabei mit der polizeilichen Praxis in der Art verknüpft, "dass Polizeischülerinnen und -schülern Handlungssicherheit für situationsgerechtes, maßvolles Agieren und die Fähigkeit zur Reflexion vermittelt werden sowie die menschenrechtliche Verantwortung gegenüber der Gesellschaft bewusstgemacht wird", betont Simmer.

(RGL)

Melanie Kemeter: "Ich habe in meiner Ausbildungszeit sehr viel an Unterstützung erfahren."
Foto: ©  BMI/Gerd Pachauer

Artikel Nr: 18234 vom Freitag, 27. November 2020, 18:00 Uhr
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