Medienrecht
Schutz der persönlichen Integrität
Die Veröffentlichung von Namen und Bildern von Tätern oder Opfern in den Medien ist nur erlaubt, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht.
Besondere Schutzvorgaben gelten für Jugendliche: Bei minderjährigen Beschuldigten ist eine Identifizierung nur in absoluten Ausnahmefällen zulässig
© Egon Weissheimer
Die mediale Berichterstattung über Straftaten bewegt sich im Spannungsfeld zwischen öffentlichem Informationsinteresse und dem Schutz individueller Rechte. Ob Name, Bild oder sonstige identifizierende Angaben einer betroffenen Person veröffentlicht werden dürfen, regelt in Österreich das Mediengesetz (MedienG). Dieses stellt klar: Die Privatsphäre von Opfern, Beschuldigten und deren Umfeld ist grundsätzlich zu schützen. Gleichzeitig erlaubt das Gesetz Ausnahmen – etwa wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht. Die medienrechtliche Bewertung hängt daher stets vom Einzelfall ab.
Opfer-, Beschuldigten- und Täterschutz.
Nach § 7a MedienG dürfen Name, Bild oder sonstige identifizierende Angaben von Opfern, Beschuldigten, Verurteilten sowie deren Angehörigen und Zeugen grundsätzlich nicht veröffentlicht werden, sofern dadurch ihre Identität einem größeren nicht informierten Personenkreis bekannt wird und schutzwürdige Interessen verletzt werden.
Ziel dieser Regelung ist insbesondere der Schutz der persönlichen Integrität. Bei Opfern besteht die Gefahr einer zusätzlichen Traumatisierung, bei Beschuldigten kann die Veröffentlichung ihre soziale und berufliche Existenz gefährden – selbst im Fall eines Freispruchs.
Auch Angehörige und Zeugen sind vor öffentlicher Bloßstellung geschützt, da sie ohne ihr Zutun in das Geschehen einbezogen wurden. Besondere Schutzvorgaben gelten für Jugendliche: Bei minderjährigen Beschuldigten ist eine Identifizierung nur in absoluten Ausnahmefällen zulässig. Der Gesetzgeber will dadurch verhindern, dass junge Menschen dauerhaft stigmatisiert oder in ihrer Entwicklung beeinträchtigt werden.
Die Unschuldsvermutung als Grenze für die Medien.
§ 7b MedienG regelt die Unschuldsvermutung: Medien dürfen einen Verdächtigen nicht als überführt oder schuldig darstellen, solange kein rechtskräftiges Urteil vorliegt. Das bedeutet, dass etwa die Bezeichnung „Täter“ im Zusammenhang mit einem Beschuldigten rechtlich unzulässig sein kann. Zulässig ist dagegen die neutrale Formulierung „mutmaßlicher Täter“, „Verdächtiger“ oder „Beschuldigter“. Die Vorschrift dient dem Schutz des Persönlichkeitsrechts und verhindert, dass Medien durch vorweggenommene Bewertungen den Eindruck einer gesicherten Schuld erwecken. Ein Verstoß kann zu Entschädigungsansprüchen führen und beschädigt im Zweifel auch das Vertrauen in faire Verfahren.
Öffentliches Interesse: Abwägung statt absoluter Verbote.
Sowohl § 7a als auch § 7b MedienG sehen Ausnahmen vor, wenn ein „überwiegendes berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit“ besteht. In solchen Fällen darf über die Identität berichtet werden. Dies kann beispielsweise bei schwerwiegenden Straftaten mit erheblicher öffentlicher Relevanz, bei bekannten Persönlichkeiten oder bei einer behördlichen Öffentlichkeitsfahndung der Fall sein.
Ob das öffentliche Interesse überwiegt, ist stets im Einzelfall zu beurteilen. Kriterien sind unter anderem:
- Ist die betroffene Person bereits öffentlich bekannt?
- Trägt die Information wesentlich zum Verständnis des Geschehens bei?
- Gibt es ein Sicherheitsinteresse (z. B. Fahndung)?
- Besteht Wiederholungsgefahr oder ein besonderes Maß an gesellschaftlicher Betroffenheit?
Die Abwägung muss sorgfältig erfolgen – Medien sind verpflichtet, schutzwürdige Interessen gegen das Informationsinteresse abzuwägen. Ein pauschales „Recht auf Namensnennung“ gibt es nicht.
Anonymisierte Berichterstattung: Initialen, Alter und Verpixelung.
Um sowohl der Öffentlichkeit Information als auch den Betroffenen Schutz zu bieten, bedienen sich Medien bewährter Formen der Anonymisierung. Gängig sind die Angabe von Initialen anstelle des vollen Namens, allgemeine Altersangaben, die Nennung des Wohnorts in grober Form (z. B. „eine 43-jährige Frau aus Niederösterreich“) oder die Verpixelung von Fotos.
Diese Maßnahmen sollen eine Identifizierung verhindern, ohne die Berichterstattung unverständlich zu machen. Wichtig ist, dass durch Kombination mehrerer Details (z. B. Initialen, Alter, Beruf, Wohnort) nicht doch Rückschlüsse auf die konkrete Person möglich werden. Medien tragen hier eine besondere Verantwortung. Insbesondere bei Opfern – etwa in Fällen von Gewalt- oder Sexualdelikten – ist regelmäßig ganz auf identifizierende Angaben zu verzichten. Auch Angehörige und Zeugen sollen nicht unbeabsichtigt öffentlich gemacht werden.
Selbstregulierung durch den Presserat.
Neben den gesetzlichen Regeln gibt es eine medienethische Selbstkontrolle. Der Österreichische Presserat gibt in seinem Ehrenkodex für die österreichische Presse Richtlinien vor, die von vielen Medien freiwillig anerkannt werden. Diese gehen zum Teil über die Gesetze hinaus. So fordert der Ehrenkodex, dass Medien im Zweifel besonders schonend mit persönlichen Informationen umgehen. Insbesondere die Würde und das Leid von Opfern sollen respektiert werden. Auch ohne juristische Verpflichtung gilt es etwa als schlechter Stil, Opfer ungefragt identifizierbar abzubilden.
Bei Verstößen gegen diese ethischen Grundsätze können sich Leser und Betroffene beim Presserat beschweren. Der Amok-Fall aus Graz 2025 zeigt die Bedeutung dieser Selbstkontrolle: Nach einem Amoklauf an einer Schule hatte es Kritik an einigen Medienberichten gegeben. Diese zeigten z. B. Videoaufnahmen von Schülern in Schocksituationen oder recherchierten aggressiv im Umfeld des Täters. Der Presserat rief die Medien daraufhin zu größter Zurückhaltung auf und betonte, dass der Opferschutz im Zentrum stehen müsse. Außerdem wurde erinnert, den mutmaßlichen Täter keinesfalls in einer Weise darzustellen, die ihn glorifiziert oder zur Identifikationsfigur für Nachahmer machen könnte.
Diese medienethischen Maßstäbe unterscheiden zwischen rechtlich Zulässigem und journalistisch Verantwortbarem. Nicht alles, was rechtlich gerade noch erlaubt wäre, ist auch ethisch sinnvoll. So mag in manchen Fällen die Nennung eines Namens straffrei sein – ein verantwortungsbewusster Journalist verzichtet dennoch darauf, wenn kein dringendes Öffentlichkeitsinteresse besteht. Die freiwillige Selbstbeschränkung der Medienbranche durch den Presserat soll genau dieses Bewusstsein fördern. Während das Mediengesetz im Zweifel vor Gericht durchgesetzt wird, erfolgt die Kontrolle durch den Presserat auf moralischer Ebene: Er kann zwar keine Strafen verhängen, aber Missstände aufzeigen und die Einhaltung der Berufsethik einmahnen.
Rifat Büyükyorulmaz
Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2025
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