Polizeigeschichte
Die „Tüchler-Partie“ im SB
Kriminalbezirksinspektor Hans Tüchler und seine Kollegen im Wiener Sicherheitsbüro waren in der Zwischenkriegszeit außergewöhnlich erfolgreich bei der Bekämpfung von Einbruchsbanden.
Grabstätte Hans Tüchlers auf dem Friedhof Wien-Döbling
© Werner Sabitzer
Als die Mitglieder einer kriminellen Bande wieder einmal an ihrem konspirativen Treffpunkt, einer Wiese in der Nähe des Meidlinger Friedhofs, zusammenkamen, erlebten sie eine Überraschung. Aus mehreren Seiten stürmten Kriminalbeamte auf die Bande zu und nahmen nach einem Handgemenge alle Angetroffenen fest. Die Bande hatte sich auf Einbrüche spezialisiert. Den insgesamt 27 Bandenmitgliedern wurden 17 Kassen-, Geschäfts- und Kircheneinbrüche nachgewiesen. Einige Monate später wurde in Wien eine weitere kriminelle Bande ausgehoben. Den 25 Beteiligten wurden zehn Kassen- und Geschäftseinbrüche zur Last gelegt. Eines der Bandenmitglieder, genannt der „stille Franz“ hatte sich auf den Nachbau von Schlüsseln für die sicheren tosischen Schlösser spezialisiert. Vier Wochen darauf schnappte im Wiener Westbahnhof eine Falle zu. Ins Netz gingen acht Kriminelle, die nach zwei Einbrüchen in Bregenz mit dem Zug nach Wien zurückgefahren waren.
Diese drei Erfolge gegen die Bandenkriminalität innerhalb weniger Monate im Jahr 1932 in Wien gingen auf das Konto einer Spezialtruppe des Wiener Sicherheitsbüro, geführt vom Kriminalbezirksinspektor Johann („Hans“) Tüchler. Die erfolgreiche Truppe wurde nach ihrem Chef inoffiziell „Tüchler-Partie“ genannt.
Hans Tüchler, ein Bauernsohn aus Niederösterreich, trat 1910 in die Wiener Sicherheitswache ein. 1921 wurde er Kriminalbeamter. Tüchler wurde einer der erfolgreichsten Kriminalisten, insbesondere bei der Bekämpfung der Einbruchskriminalität. 1929 klärten er und seine Mitarbeiter in Wien 63 Einbrüche in Firmen und Wohnungen sowie 184 andere Eigentumsdelikte, darunter Dienst- und Fahrraddiebstähle, Betrugsdelikte und Urkundenfälschung. Ein beträchtlicher Teil der Diebsbeute konnte sichergestellt und den Opfern ausgefolgt werden. 1930 klärte die „Tüchler-Partie“ 140 Einbrüche auf, sowie 40 Einschleichdiebstähle, 35 Ladendiebstähle bei Juwelieren, 14 Vorzimmerdiebstähle und 58 andere Straftaten. Insgesamt wurden 295 Verdächtige festgenommen. 1931 steigerte sich die Zahl der von Tüchlers Mitarbeitern festgenommenen Verdächtigen auf 301. 56 Einbrüche wurden geklärt, dazu kamen 27 Diebstähle aus Waggons und 1.000 Fälle von Unterstützungsbetrug. Im Jahr darauf nahm die Tüchler-Partie 422 Verdächtige fest und klärte 130 Einbrüche.
Kriminalbezirksinspektor Hans Tüchler erhielt für seine Erfolge fast 150 Belobigungen bzw. Anerkennungen. Er starb am 11. Jänner 1934 im 48. Lebensjahr an einer schweren Erkrankung. In einem Nachruf wurde der verstorbene Kriminalist als „unerschrocken, mutig, dabei aber besonnen und geistesgegenwärtig“ bezeichnet.
Weitere „Partien“ im SB.
Hans Tüchler
© Polizeiarchiv
Im frühen 20. Jahrhundert gab es weitere herausragende Einbruchsbekämpfungsgruppen im Wiener Sicherheitsbüro, darunter die Hikel-Partie und die Pfleger-Partie. Die Hikel-Partie, benannt nach dem Gruppenführer Emil Hikel, verhaftete immer wieder Mitglieder von gewaltbereiten Einbrecherbanden, darunter Kassenschränker. Die Kriminalbeamten der Pfleger-Partie, geführt von Oberinspektor Ludwig Pfleger, hoben große Einbrecherbanden aus, darunter 1927 eine aus 20 Mitgliedern bestehende Bande, die unzählige Kassen-, Geschäfts- und Villeneinbrüche verübt hatte. Weitere große Erfolge waren die Verhaftung von Komplizen des „Einbrecherkönigs“ Johann Breitwieser sowie von Mitgliedern der „Lichtentaler-Platte“, die unter anderem über das Kanalsystem in Geschäfte eingestiegen waren.
Werner Sabitzer
Quellen/Literatur:
Bundesministerium für Inneres (Hg.): 100 Jahre Kriminalbeamtenkorps in Österreich. Wien, 1952
Verband der Bundes-Kriminalbeamten Österreichs (Hg.): Der österreichische Bundes-Kriminalbeamte. Gedenkwerk anlässlich des 80jährigen Bestandes des Kriminalbeamtenkorps Österreichs. Wien, 1933
Zwei Tote. In: Öffentliche Sicherheit, Nr. 2/1934, S. 6
Kriminalbeamten-Bezirksinspektor Tüchler gestorben. In: Illustrierte Kronen-Zeitung, 13. Jänner 1934, S. 10
Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2025
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