Wirtschaftskriminalität
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Wirtschaftskriminalität: Die Täter sind darauf bedacht, keine Spuren zu hinterlassen. Verdächtige Geldflüsse werden daher getarnt
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Korruption, Kickback-Zahlungen, Bestechlichkeit – um Wirtschaftskriminellen auf die Schliche zu kommen, muss man die Geldflüsse nachverfolgen. Bei einer Veranstaltung der Vereinigung Kriminaldienst Österreich (VKÖ) gaben drei Experten im VKÖ-Bildungszentrum Tipps aus der Praxis.
Reichliche Erfahrungen in Wirtschaftsstrafsachen hat Ministerialrat Helmut Wiesenfellner in zehn Jahren im Polizeidienst, 15 Jahren als Betriebsprüfer in einem Wiener Finanzamt, als gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Geldwäsche und seit 2004 in der Abteilung I/9 Betrugsbekämpfung Steuer und Zoll im Bundesministerium für Finanzen gesammelt. Er informierte darüber, was bei Abfragen des Kontenregisters zu beachten ist.
Helmut Wiesenfellner, Abt. Betrugsbekämpfung Steuer und Zoll im Finanzministerium
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Im Kontenregister sind sämtliche Konten, Sparbücher und Wertpapierdepots sowie Schließfächer aller Unternehmen und Privatpersonen bei einem in Österreich tätigen Kreditinstitut aufgelistet. Es enthält die Namen von Kontoinhaber, Vertretungsbefugtem und Zeichnungsberechtigtem, die Konto- bzw. Depotnummer, Angaben über das kontoführende Kreditinstitut, die Art des Kontos oder Depots sowie das Datum von Eröffnung und Schließung, nicht jedoch über die Kontobewegungen. „Die Polizei darf das Kontenregister nur bei Verdacht auf bestimmte taxativ aufgezählte schwere Straftaten oder Geldwäsche abfragen“, erklärte Wiesenfellner. Bei strafrechtlichen Ermittlungen wegen Wirtschaftsdelikten geraten immer wieder ausländische Unternehmen mit Konten in Österreich ins Visier der Behörden. Laut Wiesenfellner entfallen von den rund 45 Millionen Konten bei österreichischen Kreditinstituten etwa fünf bis zehn Millionen auf ausländische Kontoinhaber. Er wies darauf hin, dass der Geschäftsführer oder Prokurist einer ausländischen Firma im Kontenregister als Vertretungsbefugter gekennzeichnet ist, nicht aber im österreichischen Firmenbuch bzw. im Register der wirtschaftlichen Eigentümer aufscheint. Wer rechtlich fragwürdige Geschäfte zu verschleiern versucht, tritt oft nicht als Kontoinhaber auf. Als „Klassiker“ nannte Wiesenfellner jene Konstruktion, bei der die Ehefrau eines Verdächtigen Kontoinhaberin ist und er selbst nur Zeichnungsberechtigter – damit scheint er aber ebenfalls im Kontenregister auf.
Hausdurchsuchungen.
Martin Schwarzbartl kennt Ermittlungen in Wirtschaftscausen von beiden Seiten. Hausdurchsuchungen hat er sowohl als Steuerfahnder begleitet als auch später in verdächtigen Unternehmen der Privatwirtschaft miterlebt, in denen er unter anderem im Bereich Compliance tätig war. Heute ist er, nach einigen Jahren als Selbstständiger, Head of Compliance bei der Glock GmbH. „Die Denkweise in einem Unternehmen ist gänzlich anders als jene in einer Behörde“, berichtete er. Als Ermittler müsse man die Gedankengänge von Betrügern nachvollziehen können.
Auch im Bereich der Wirtschaftskriminalität seien die Täter darauf bedacht, keine Spuren zu hinterlassen: „Alles, was man nicht im Eingang hat – Zahlungen ohne Rechnung, Geld in bar – scheint nicht auf, das braucht man später nicht aus dem Unternehmen hinausschleusen“, erklärte Schwarzbartl. Der Haken an der Sache: Bei millionenschweren Deals großer Unternehmen funktioniert das nicht.
Die verdächtigen Geldflüsse müssen daher entsprechend getarnt werden. Mitarbeiter in Governance-Funktionen, etwa in der Rechts- oder der Compliance-Abteilung sowie im internen Audit, verfügen oft über relevante Informationen. Da sie bei einer Hausdurchsuchung zu den Zielobjekten zählen, erhalten sie diesbezüglich Schulungen und klare Handlungsanweisungen. Wenn man sie als Zeugen einvernimmt, worauf laut Schwarzbartl oft vergessen wird, stehen sie unter Wahrheitspflicht.
Die Chance, dass ein Vertreter eines verdächtigen Unternehmens doch etwas ausplaudert, schätzt Schwarzbartl als hoch ein: „Die Leute reden, weil sie glauben, sie haben alles gut versteckt.“ Mitunter hilft es, den „kleinen Beamten“ zu spielen, da sich das Gegenüber dann sicher fühlt und unvorsichtig wird. Auch frustrierte Mitarbeiter eignen sich gut als Informationsquelle.
Korruption.
Martin Schwarzbartl, Compliance- Verantwortlicher bei der Firma Glock GmbH
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„Korrupte Wirtschaftskriminelle fürchten eher die Finanz als die Polizei – denn wer soll anzeigen?“, sprach Chefinspektor Günter Steiner vom Referat 3.1. Korruptionsermittlungen im privaten Sektor im Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) des BMI eine Besonderheit seines Ermittlungsbereichs an. Korruption wird oft als „opferloses Delikt“ bezeichnet. Es geht darum herausfinden, wer von den unrechtmäßigen Finanzflüssen profitiert. Eine Schwierigkeit besteht darin, dass das Geld bei Bestechung nicht direkt vom Geber zum Nehmer fließt, sondern indirekt über – oft mehrere – Berater oder Mittelsmänner geschleust wird.
Das Gleiche gilt für Kickback-Zahlungen, also verdeckte Rückvergütungen oder Provisionen, die ein Geschäftspartner an jene Person oder Stelle leistet, von der er den Auftrag erhalten hat. Zur Verschleierung von Eigentumsverhältnissen greifen Wirtschaftskriminelle häufig auf Treuhänder zurück, während der tatsächliche wirtschaftliche Eigentümer im Hintergrund bleibt. Meist kommen dabei Offshore-Konstruktionen zum Einsatz – bevorzugt in Ländern mit eingeschränkten Offenlegungspflichten und einem ausgeprägten Bankgeheimnis. Zu den beliebtesten Standorten zählen laut Steiner die Schweiz, Liechtenstein, Zypern, Singapur und die Vereinigten Arabischen Emirate.
Um Finanzflüsse in grenzüberschreitenden Firmengeflechten nachzuverfolgen, sind internationale Ermittlungen notwendig. Dafür braucht es in der Regel formelle justizielle Rechtshilfe – was in Ländern wie den Vereinigten Arabischen Emiraten erschwert ist, da kein bilaterales Abkommen mit Österreich besteht. Steiner setzt auf Eurojust: Die europäische Justizbehörde koordiniert Rechtshilfeverfahren, organisiert operative Treffen – und ermöglicht es, dass Ermittlungen parallel in mehreren Staaten stattfinden.
Rosemarie Pexa
Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2025
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