Spanien
Im Dienst der Krone
Vor 200 Jahren wurde die Vorläuferorganisation der heutigen spanischen Nationalpolizei gegründet. Über 74.000 Exekutivbeamte sind heute im Königreich Spanien tätig.
Vielfältige Herausforderungen: Kräfte der spanischen Policía Nacional bei der Festnahme eines mutmaßlichen Terroristen © Action Press/picturedesk.com
Das Jahr 2024 steht in Spanien im Zeichen von Feiern aus Anlass des 200-jährigen Bestehens der Policía Nacional: Begonnen haben die Gedenkaktivitäten bereits im Jänner mit zahlreichen Ausstellungen im ganzen Land. Seither wurden Denkmäler in verschiedenen Städten mit dem Jubiläums-Logo beleuchtet, die nationale Münzprägestelle hat eine Zwei-Euro-Münze über „Zwei Jahrhunderte Nationalpolizei“ herausgebracht, die spanische Fluglinie Iberia taufte ihr neuestes Flugzeug vom Typ A350 Next auf den Namen „Bicentennial National Police“ und die spanische Post gab eine Polizei-Sondermarke heraus.
Im Rahmen eines Festakts im Mai 2024 in Madrid würdigten König Felipe VI. und Königin Letizia vor Vertretern aus der ganzen Welt die Geschichte der Nationalpolizei und die Einsatzbereitschaft ihrer Angehörigen, die täglich für die Sicherheit in Spanien sorgen.
Einsatzfahrzeuge der spanischen Policía Nacional
© Gregor Wenda
Gegründet wurde die Policía Nacional am 13. Jänner 1824 durch den Königlichen Erlass von Ferdinand VII., durch den die Generalpolizei des Königreichs (Policía General del Reino) geschaffen wurde. Bei der Generalpolizei handelte es sich um die erste spanische Sicherheitsorganisation nach modernem Verständnis, die für das ganze Staatsgebiet zuständig war. Der Polizei wurde mit dem Erlass „Einheit, Ausdehnung und Stärke“ verliehen, was als „Vorteil für die Zivilisation“ und als „erste Garantie für öffentliches Wohl und Glück“ angesehen wurde. Auf der einen Seite standen Beamte, die sich aus dem Generalsuperintendenten selbst, dem Sekretär, dem Schatzmeister, den Kommissaren der Kasernen und lokalen „Aufsehern“ zusammensetzten, auf der anderen Seite konnten die Bürgermeister halbprofessionelle Wächter in den Dienst der Generalpolizei stellen.
Polizeikorps.
Die Folgezeit war geprägt von der Gründung und Auflösung verschiedener uniformierter Wachorgane und Institutionen. Mit dem Königlichen Erlass vom 26. Jänner 1844 wurde eine nationale Abteilung für Schutz und Sicherheit (Ramo de Protección y Seguridad) geschaffen. Die zwischenzeitig verschwundenen Positionen der Kommissare und der lokalen Aufseher wurden wieder eingeführt. Im selben Jahr wurden die Oberste Polizeiregierung Spaniens, der Vorläufer des heutigen nationalen Polizeipräsidiums, und die spanische Gendarmerie, das Korps der Guardia Civil, gebildet. Bis heute sind in Spanien die Policía Nacional und die Guardia Civil im gesamten Staatsgebiet für die Sicherheit verantwortlich. In den folgenden Jahrzehnten wechselten immer wieder Bezeichnungen und Organisationsformen. 1886, nach dem Tod von König Alfons XII., trat ein königliches Dekret in Kraft, mit dem die erste Generaldirektion für Sicherheit eingerichtet wurde und das zwischenzeitig nur in Madrid tätige Überwachungs- und Sicherheitskorps für das ganze Königreich zuständig gemacht wurde.
Zu einer grundlegenden Reform des Polizeisystems und des Verständnisses der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung kam es zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Unter der Regentschaft von Alfons XIII. wurde am 27. Februar 1908 das Gesetz über die Regierungspolizei (Policía Gubernativa) unterzeichnet.
Policía Nacional: Ärmelabzeichen zum Einsatzfahrzeuge der spanischen Policía Nacional 200-jährigen Bestandsjubiläum © Gregor Wenda
Die neue Rechtsgrundlage stellte einen Paradigmenwechsel dar – weg vom Einsatz von Polizeiagenten für Repressionszwecke. Das nunmehrige Überwachungs- und Sicherheitskorps wurde in jeder Provinz unter den Befehl eines zivilen Gouverneurs gestellt. Zusätzlich gab es die Sicherheitsabteilungen. Wesentliche Aufbauarbeit im Bereich der inneren Sicherheit wurde durch Méndez Alanís geleistet, der 1909 der erste Polizeichef von Madrid wurde: Er richtete Laboratorien für Fotografie und Fingerspuren ein, organisierte den Polizeidienst in „Brigaden“ und strebte die Bildung spezialisierter Einheiten an.
Anfang der 1930er-Jahre wurde der Dualismus der zwei uniformierten nationalen Polizeieinheiten immer prägender: Das Überwachungskorps wurde in Korps für Untersuchung und Überwachung umbenannt, die Sicherheitsabteilungen wurden als Korps für Sicherheit und Zugriffe bezeichnet. Während des spanischen Bürgerkriegs von 1936 bis 1939 behielten die Korps ihre Namen bei. Nach der Machtübernahme durch General Francisco Franco wurde das spanische Polizeisystem im Licht der bis 1977 dauernden Diktatur entsprechend umgebaut.
Mit dem neuen Polizeigesetz vom 4. Dezember 1978 wurde nach Jahrzehnten des Franco-Regimes das Sicherheitswesen reformiert: Es bestanden nun ein „Höheres Polizeikorps“ und ein „Nationales Polizeikorps“, wobei dem nationalen Polizeikorps in Uniform die Aufgabe zukam, die „verfassungsmäßige Ordnung zu verteidigen, die freie Ausübung von Rechten und Freiheiten zu schützen und die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten“. Erstmals wurden 1978 beim „Höheren Polizeikorps“ 100 Stellen für weibliche Bedienstete ausgeschrieben. 1979 wurden die ersten 42 spanischen Polizistinnen vereidigt. 1984 wurden auch bei der „Nationalen Polizei“ erstmals 53 Frauen aufgenommen. Heute sind von den rund 74.000 Exekutivbediensteten der Nationalpolizei fast 18 Prozent Frauen.
Policía Nacional.
Motorradfahrer der Nationalpolizei in der Uniform der späten 1980er-Jahre © Gregor Wenda
Mit dem Polizeigesetz vom 13. März 1986 wurde das bis heute geltende spanische Modell der öffentlichen Sicherheit festgelegt: Das nationale Polizeikorps, das aus der Vereinigung des ehemaligen Höheren Polizeikorps und der bisherigen Nationalpolizei hervorging, wurde zu einer der beiden nationalen Polizeieinheiten, die Gendarmerie (Guardia Civil) zur anderen. Die Bezeichnung Cuerpo Nacional de Policía wurde 2015 in das griffigere Policía Nacional geändert. Die seit 1986 laufenden Transformationsprozesse waren geprägt von vielseitigen Herausforderungen – sei es im Bereich der Migration, durch organisierte Kriminalität, Terrorismus oder Cyber-Kriminalität. Zu den aktuellen Schwerpunkten der Policía Nacional zählen die moderne Ausbildung ihrer Mitglieder, die Spezialisierung ihrer Einheiten, die Zusammenarbeit auf allen Ebenen, die Chancengleichheit für Polizeibedienstete und die Modernisierung des öffentlichen Dienstes durch den digitalen Wandel.
Gregor Wenda
Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 11-12/2024
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