Suchtmittelkriminalität
Kampf gegen die Drogenmafia
Die US-amerikanische Drogenbekämpfungsbehörde „Drug Enforcement Administration“ kooperiert mit dem Bundeskriminalamt in der Bekämpfung der organisierten Suchtmittelkriminalität.
Das „Country-Office“ der Drug Enforcement Administration in Wien ist eines von 93 DEA-Büros in 69 Ländern außerhalb der USA. Es koordiniert die Aktivitäten der Ermittler in Österreich, Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Slowenien © DEA Country Office Vienna, Gregor Wenda
Die Drug Enforcement Administration (DEA) des US Department of Justice eröffnete vor 50 Jahren ein Büro in Wien – mitten im kalten Krieg. In Europa dominierten Cannabis und Heroin den illegalen Drogenmarkt; das zwischen dem Westen und dem Osten gelegene Österreich galt als Drehscheibe für grenzüberschreitende kriminelle Geschäfte. In der Folge wurden vom Wiener DEA-Büro aus mehrere Staaten des damaligen Ostblocks betreut. „Wir haben in jenen Ländern Büros eröffnet, in denen sie gebraucht wurden und wo wir willkommen waren“, sagt Kyle B., Country Attaché der DEA in der US-Botschaft in Wien. Heute ist das „Country Office“ in Wien eines von 93 DEA-Büros in 69 Ländern außerhalb der USA und koordiniert die Aktivitäten der Ermittler in Österreich, Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Slowenien. Büroleiter Kyle B. wird von zwei amerikanischen Special Agents und einem lokalen Sonderermittler sowie einem Kriminalanalysespezialisten und Verwaltungspersonal unterstützt.
Einheimischer Ermittler.
DEA-Logo © DEA Country Office Vienna
Seit drei Jahren zählt mit Sebastian P. erstmals ein Österreicher zu den Mitarbeitern des Wiener DEA-Büros. Seine Berufslaufbahn begann beim Bundesheer als Militärpolizist. Nach Abschluss eines Hochschulstudiums sammelte er in der Privatwirtschaft im Sicherheitsbereich Erfahrungen. Vor zehn Jahren bewarb er sich auf eine Ausschreibung als Ermittler der Homeland Security Investigations (HSI) der US-Botschaft, bevor er den Job als Foreign Service National Investigator bei der Drogenbekämpfungsbehörde der USA annahm. „Ein Einheimischer kennt Land und Leute. Außerdem sorgt er für Kontinuität, da Angehörige des diplomatischen Personals spätestens nach sechs Jahren in ein anderes Land wechseln oder in die USA zurückkehren müssen“, sagt Sebastian P.
Kooperationen.
Die Ermittler der DEA-Büros außerhalb der USA kooperieren eng mit den Strafverfolgungsbehörden des jeweiligen Gastlands sowie mit Europol und stehen auch in Kontakt mit UN-Organisationen wie dem Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) sowie dem Internationalen Suchtstoffkontrollrat (INCB), der die Einhaltung der internationalen UNO-Drogenkontrollverträge überwacht, beide mit Sitz in Wien. In Österreich arbeitet die US-Drogenbekämpfungsbehörde hauptsächlich mit dem Bundeskriminalamt zusammen, mitunter auch mit jenen Landeskriminalämtern, die in den jeweiligen Fall involviert sind.
Laut Sebastian P. profitieren beide Seiten von dem Austausch, da sowohl die DEA als auch das BK bzw. die Landeskriminalämter auf unterschiedliche Quellen zurückgreifen können. So verfügt Österreich z. B. kaum über Kontakte in Lateinamerika. Informationen sind oft leichter und rascher von den in mehreren lateinamerikanischen Ländern präsenten DEA-Büros als von den dortigen lokalen Polizeibehörden zu bekommen.
Fentanyl-Deal.
Aus Lateinamerika stammt der Großteil des synthetischen Opioids Fentanyl, eines starken Schmerzmittels. Die mexikanischen Drogenkartelle Cártel de Sinaloa und Cártel de Jalisco Nueva Generación liefern das aus chinesischen Vorläufersubstanzen in Mexiko hergestellte Fentanyl in großem Stil in die USA. Fentanyl ist für die Opioid-Krise in den USA verantwortlich, die dort im Jahr 2022 zu mehr als 73.000 Todesfällen durch Überdosis geführt hat. In einem Fall, der durch die Zusammenarbeit des BK mit der DEA gelöst werden konnte, plante das Sinaloa-Kartell die Verwendung von Fentanyl als Zahlungsmittel. Der Waffenexperte des Kartells, Anastacio Soto Vega, wurde im Dezember 2022 nach Österreich geschickt, um mit einem Waffenhändler den Kauf von militärischen Waffen zu vereinbaren. Auf der Einkaufsliste des Kartells standen laut informierten Quellen unter anderem 500 AR-15 Sturmgewehre und sogar Panzerabwehrwaffen samt Munition.
Verdeckte Ermittlungen von DEA und BK führten im April 2023 zur Verhaftung von Soto Vega in Athen, auf dessen Kopf die USA eine Belohnung von einer Million Dollar ausgesetzt hatten. „Dieser Fall zeigt, wie wichtig internationale Kooperation im Kampf gegen die organisierte Kriminalität ist. Die DEA und das Bundeskriminalamt führen gemeinsame Operationen mit chirurgischer Präzision durch, oft nachdem verdeckte Ermittler der DEA eine Tätergruppe infiltriert haben“, sagt Kyle B. Bestehe eine direkte Verbindung zu Drogenhandel, würde die DEA auch zu Waffenhandel, Geldwäsche oder Terrorismus ermitteln.
Scheinkauf.
Europa hat die USA mittlerweile als Markt für Kokain überholt © Petr - stock.adobe.com
Gemeinsame Ermittlungen von DEA und BK in Österreich und Slowenien gab es auch gegen ein von Kolumbien und den USA aus operierendes internationales Drogenkartell, das mit Heroin und Kokain handelte. Die verdeckten Ermittler kamen mehreren in Österreich lebenden Mitgliedern der Organisation auf die Spur, darunter einem in der Steiermark lebenden gebürtigen 54-jährigen Montenegriner, der für den europäischen Zweig des Kartells tätig war. Dieses plante eine Lieferung von Hunderten Kilogramm Heroin aus der Türkei in die USA.
Die verdeckten DEA-Ermittler täuschten Interesse am Kauf größerer Mengen Heroin vor und vereinbarten eine Probelieferung. Am Flughafen Graz erhielten sie vier Pakete mit zwei Kilogramm Heroin mit einem Gehalt von 43 Prozent. Anfang Februar 2021 offerierte der Montenegriner seinen vermeintlichen Geschäftspartnern eine Lieferung von 200 kg Heroin und gab an, dass sich 100 kg bereits in einer Lagerhalle in Graz befinden würden. Am 10. Februar 2021 übergab der 54-Jährige den Ermittlern eine Probe von 28,3 Gramm Heroin.
Die Ermittlungen führten zur Verhaftung von zwei in Slowenien ansässigen Mitgliedern der kriminellen Vereinigung in Kroatien, die an die USA ausgeliefert wurden. Die Festnahme des Montenegriners erfolgte am 15. April 2021 in der Steiermark. Über die US-Botschaft in Wien erging ein Auslieferungsersuchen, dem in erster Instanz stattgegeben wurde. Das Grazer Oberlandesgericht lehnte – was selten vorkommt – die Auslieferung ab, weil gegen den Angeklagten ein Inlandsverfahren geführt wurde und eine Abtretung des Verfahrens an die USA eine Schlechterstellung des Angeklagten bedeuten wurde. In Österreich droht ihm eine Haftstrafe von 15 Jahren, in den USA dagegen eine längere Haftstrafe.
Operation Achilles.
Auch an einem großen weltweiten Schlag gegen die organisierte Kriminalität war die DEA – gemeinsam mit dem FBI, Europol und den Strafverfolgungsbehörden mehrerer Länder – beteiligt: an der US-amerikanischen „Operation Trojan Shield“, die bei Europol unter dem Namen „Operation Greenlight“ und in Österreich als „Operation Achilles“ durchgeführt wurde. Die Vorgeschichte: Nachdem die von internationalen Tätergruppen für verschlüsselte Kommunikation genutzten Messengerdienste EncroChat und Sky ECC von den Behörden geknackt worden waren, suchten die Kriminellen einen Ersatz. Dieser bot sich in Form des Krypto-Messengerdienstes „Anom“ an, der jedoch vom FBI betrieben wurde. Die von den Behörden gesicherten Datensätze der drei Messengerdienste umfassen rund eine Milliarde Chats, von denen zahlreiche einen Bezug zur organisierten Kriminalität am Westbalkan aufweisen und in Österreich aktiven Tätergruppen zuzuordnen sind. Die österreichischen Ermittler sind nach wie vor mit der Auswertung der Daten befasst.
Angesichts international agierender krimineller Organisationen, die in den USA und in Europa tätig sind, sei eine Zusammenarbeit seitens der Strafverfolgungsbehörden unerlässlich, so Kyle B.: „Europa hat die USA als Markt für Kokain überholt. Dieselben kriminellen Organisationen, die Drogen wie Fentanyl in die USA schmuggeln, sind für den Transport von Kokain nach Europa verantwortlich.“ Auch wenn sich die Rechtssysteme und die von den Ermittlern genutzten Methoden der USA von jenen europäischer Länder unterscheiden, das Ziel sei das gleiche – die Hintermänner ausfindig zu machen und sie aus dem Verkehr zu ziehen.
Rosemarie Pexa
Quellen:
Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 11-12/2024
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