Prümer Vertrag
Automatisierter Datenaustausch
Bisher war es nationalen Strafverfolgungsbehörden möglich, DNA-Profile, Fingerabdrücke und Fahrzeugregistrierdaten innerhalb der EU auszutauschen. Mit der Prüm-II-Verordnung ist nun auch der Austausch von Gesichtsbildern sowie die Beschleunigung des Folgedatenaustausches im Onlineverfahren erlaubt.
Die Prüm-II-Verordnung ermöglicht nationalen Strafverfolgungsbehörden nun auch den automatisierten Austausch von Gesichtsbildern © Gerd Pachauer
Polizei- und Strafverfolgungsbehörden benötigen wirksame Instrumente und umfassende Rechtsgrundlagen, um Kriminalität in der gesamten EU und darüber hinaus wirksam bekämpfen zu können. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und ein grundrechtskonformer Informationsaustausch spielen dabei eine zentrale Rolle. Zur weiteren Verbesserung des Informationsaustausches zwischen Polizei- und Strafverfolgungsbehörden innerhalb der EU ist am 5. April 2024 die Verordnung über den automatisierten Datenaustausch für die polizeiliche Zusammenarbeit (idF „Prüm-II-VO“) in Kraft getreten. Mit der Prüm-II-VO wurde der bestehende Prüm-Rahmen inhaltlich und anwendungstechnisch erweitert, gestärkt und modernisiert.
„Prüm-Vertrag“.
Die PRÜM-II-VO baut auf dem 2005 unterzeichneten Prüm-Vertrag („Vertrag über die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus, der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen Migration“) auf. In Österreich ist das Vertragswerk auch unter dem Arbeitstitel „Schengen-III-Vertrag“ bekannt. Der Prüm-Vertrag regelt, dass Polizei- und Strafverfolgungsbehörden ihre Daten mit bestimmten Datenbanken anderer Vertragsstaaten abgleichen können. Der Prüm-Vertrag ist jedoch kein EU-Abkommen und nicht alle EU-Mitgliedstaaten haben diesen unterzeichnet. Er wurde ursprünglich von fünf Mitgliedstaaten ausgearbeitet – Deutschland, Österreich und den drei Beneluxstaaten – und 2005 von nur 7 Mitgliedstaaten unterzeichnet. Die Zugriffsberechtigung erstreckt sich auf DNA-Datenbanken, Datenbanken mit elektronisch gespeicherten Fingerabdrücken und Fahrzeugregisterdaten.
Ausweitung.
Auf Grund des Erfolges und der Bedeutung des Prüm-Vertrages sind die Regelungen der dritten Säule 2008 durch einen Beschluss des Rates der Europäischen Union in das EU-Recht übernommen worden. Damit wurden der automatische Datenaustausch (DNA-, Fingerabdruck- und zentrale Fahrzeugregisterdaten), der Austausch von Informationen im Zusammenhang mit Großveranstaltungen und über terroristische Gefährder sowie wesentliche Vertragsteile zur Verbesserung der polizeilichen Zusammenarbeit auf die gesamte EU ausgeweitet. Dies war ein wichtiger Schritt zur Harmonisierung der Sicherheitsarchitektur in der EU, insbesondere bei der grenzüberschreitenden Strafverfolgung.
Novellierung.
Im Laufe der Jahre stießen die Behörden auf Herausforderungen, die u. a. durch internationalen Terrorismus und moderne Formen des Menschenhandels verursacht wurden. Dies führte zur Notwendigkeit, das Prüm-System zu novellieren. Aufgrund dieser Entwicklungen wurde auf Initiative Österreichs während der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft im Jahr 2018 die Prüm-II-VO erarbeitet. Die inhaltlichen Details des Prüm-II-VO-Vorschlages basierten auf Empfehlungen von fünf, unter österreichischer Ratspräsidentschaft 2018 errichteten, internationalen Expertengruppen (Prüm Next Generation) aus den Mitgliedstaaten zu unterschiedlichen Datentypen, die im Auftrag des Rates ausgearbeitet wurden.
Anwendungsbereich.
Das Hauptziel der Prüm-II-VO ist die Verbesserung, Erleichterung und Beschleunigung des Datenaustausches. Zum einen wird der bestehende automatisierte Austausch von DNA-Profilen, daktyloskopischen Daten und Fahrzeugregisterdaten beibehalten, aber sowohl technisch als auch teilweise inhaltlich erweitert. So können etwa nun auch Identitätsdaten von Straftäterinnen und Straftätern für die Abfrage von Fahrzeugregisterdaten genutzt werden. Darüber hinaus ermöglicht die Prüm-II-VO den automatisierten Abgleich von Gesichtsbildern unbekannter Straftäter gegen Gesichtsbilddatenbanken, die in anderen EU-Mitgliedstaaten von Straftätern gespeichert sind. Dies ist durch Nutzung von bis zum Jahr 2029 in allen EU-Mitgliedstaaten umzusetzenden Gesichtsbilderkennungssystemen vorgesehen. Weiters können Onlineabfragen durchgeführt werden, um festzustellen, ob andere EU-Mitgliedstaaten gegen Straftäter Kriminalakte führen.
Es wurde zudem der Teilnehmerkreis erweitert und beispielsweise Europol als vollwertiger Partner aufgenommen. Europol ist es nunmehr möglich, biometrische Daten, die in Europolermittlungen von Drittstaaten erhalten wurden, in den Prüm-Onlineprozessen gegen die Datenbanken der EU-Mitgliedstaaten abzugleichen. Zuletzt sei die humanitäre Erweiterung der Datennutzungen genannt, die auch außerhalb von gerichtlichen Straftaten liegen kann. So ist es nunmehr möglich, etwa auch biometrische Daten von unbekannten Leichen und vermissten Personen, die auch nur Opfer eines Unfalls oder einer Katastrophe geworden sein konnten, durch internationale Abgleiche in der EU zu identifizieren. Neben den inhaltlichen Erweiterungen werden die bestehenden Anwendungen auf neueste technische Lösungsmodelle und Standards aktualisiert.
Theres Hartmann
Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 11-12/2024
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