Öffentlichkeitsfahndung
Einbindung der Bevölkerung
Die Öffentlichkeitsfahndung – die Suche nach Personen oder Gegenständen mithilfe der Öffentlichkeit – ist ein wesentlicher Bestandteil der polizeilichen Ermittlung. Eine spezielle Form ist die Internetfahndung.
Bei der Öffentlichkeitsfahndung werden Informationen über Gesuchte, Vermisste oder wichtige Beweismittel an die Bevölkerung weitergegeben, um Hinweise und Unterstützung zu erhalten. Die Öffentlichkeitsfahndung erfolgt über Printmedien, Radio, Fernsehen und öffentliche Aushänge. Die klassischen Medienkanäle haben jedoch ihre Grenzen, insbesondere was die Reichweite und die Geschwindigkeit der Informationsverbreitung betrifft. Mit dem Aufkommen des Internets und der sozialen Medien haben sich die Möglichkeiten der Öffentlichkeitsfahndung erweitert.
Die Internetfahndung stellt eine spezielle Form der Öffentlichkeitsfahndung dar, bei der digitale Plattformen genutzt werden, um Informationen schnell und weitreichend zu verbreiten. Diese Methode bietet Vorteile, wie die sofortige Verfügbarkeit von Informationen und die Möglichkeit, eine große Anzahl von Menschen in kürzester Zeit zu erreichen.
In Österreich wird die Internetfahndung durch mehrere Gesetze geregelt. Darin ist unter anderem festgelegt, unter welchen Bedingungen personenbezogene Daten im Internet veröffentlicht werden dürfen und welche Datenschutzbestimmungen zu beachten sind.
Trotz der Vorteile birgt die Internetfahndung Risiken, insbesondere in Bezug auf den Schutz der Persönlichkeitsrechte und die Wahrung der Unschuldsvermutung.
Rechtliche Grundlagen. Datenübermittlungen an Personen außerhalb der Verwaltung zu präventiv-polizeilichen Zwecken sind in § 56 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG) geregelt. Diese Vorschrift regelt besondere Anwendungsbereiche der polizeilichen Datenübermittlung an Private, einschließlich der präventiven Öffentlichkeitsfahndung. Die Internetfahndung muss unter Einhaltung von datenschutzrechtlichen Bestimmungen, Persönlichkeitsrechten und anderen Grundrechten erfolgen. Im Zweifel muss dem Schutz personenbezogener Daten Vorrang eingeräumt werden. Es ist Aufgabe der Sicherheitsbehörden, keine Ansatzpunkte für Missachtungen der Rechte der Betroffenen zu schaffen, insbesondere den Schutz der Unschuldsvermutung und des Persönlichkeitsschutzes zu gewährleisten. Das Mediengesetz bietet ebenfalls einen hohen Schutzstandard für Täter, Verdächtige und Opfer von Straftaten.
Grundrechtsschutz.
Fotos dürfen nicht öffentlich gezeigt oder zugänglich gemacht werden, wenn dadurch berechtigte Interessen einer abgebildeten Person verletzt würden, etwa durch Bloßstellung, Offenlegung des Privatlebens oder entwürdigende Darstellungen.
Das Mediengesetz gewährt Opfern, Verdächtigen und Tätern von Straftaten einen Identitätsschutz, sofern schutzwürdige Interessen berührt sind. Eine Veröffentlichung darf das Fortkommen der betroffenen Person nicht unverhältnismäßig beeinträchtigen.
Zulässigkeit einer Internetfahndung.
Für die Zulässigkeit einer identifizierbaren Berichterstattung sind die Schwere der Tat, die Intensität des Verdachts und die Bekanntheit der Person zu berücksichtigen. Ein berechtigtes Interesse besteht, wenn die Tat aktuell und schwerwiegend ist oder die Öffentlichkeit besonders berührt (z. B. bei akuten Gefahrenlagen).
Das öffentliche Interesse muss auch räumlich geprüft werden. Ein regionales Interesse (z. B. in einer kleinen Gemeinde) kann eine Berichterstattung in der Regionalzeitung rechtfertigen, während eine österreichweite Bekanntgabe nach § 7a Abs. 1 MedienG unzulässig sein könnte. Ein Verstoß könnte das Fortkommen des Betroffenen durch übermäßige Publizität unverhältnismäßig beeinträchtigen. Auch aus datenschutzrechtlicher Sicht ist die Interessenabwägung relevant. Die Verarbeitung ist rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung berechtigter Interessen erforderlich ist und die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person nicht überwiegen.
Risiken der Internetfahndung.
Die Internetfahndung birgt die Gefahr einer Verstärkung des Reputationsverlusts der betroffenen Person und eines verstärkten Grundrechtseingriffs. Eine genaue Erforderlichkeits- und Verhältnismäßigkeitsprüfung ist daher wichtig. Den Risiken der Internetfahndung steht jedoch das Allgemeininteresse an einer Gefahrenabwehr gegenüber, für die das Internet zahlreiche Vorteile bietet. Klassische Fahndungsmethoden wie in Rundfunk und Printmedien sind weniger effektiv.
Fahndung über interne und externe Internetseiten.
Die erhöhte Grundrechtsrelevanz von Internetfahndungen gegenüber traditionellen Methoden liegt in der unkontrollierten und dauerhaften Verbreitung der Inhalte sowie der ständigen und überörtlichen Zugriffsmöglichkeit.
Auf polizeieigenen Internetseiten ist dieses Risiko geringer, da die Behörde die Kontrolle über die Dauer der Verbreitung behält. Dadurch ist der Zugriff zwar überörtlich möglich, aber auf tatsächlich Interessierte beschränkt, was das Risiko eines unverhältnismäßigen Grundrechtseingriffs reduziert. Bei externen Internetseiten ergibt sich das Problem, dass die Polizei nach der Übermittlung der Daten keinen Einfluss auf deren Umfang und Speicherung hat. Um dies zu umgehen, empfiehlt sich die „Link-Lösung“. Hierbei wird den Betreibern externer Seiten lediglich ein Link übermittelt, unter dem die wesentlichen Daten auf der polizeieigenen Seite zu finden sind. Nach Abschluss der Fahndung können die Daten von der eigenen Seite entfernt werden, wodurch der Link ungültig wird.
Fahndung über soziale Medien.
Soziale Medien und die offiziellen Accounts von Polizeibehörden spielen eine wichtige Rolle bei der Öffentlichkeitsfahndung. Allerdings besteht hier das Risiko, dass die Polizei nicht selbstständig über Umfang und Art der Verbreitung und Speicherung bestimmen kann. Eine Fahndung über Social-Media-Kanäle kann zur weltweiten Bekanntgabe der Identität führen, da jeder die Fahndung sehen kann, der Zugriff auf diese Plattformen hat. Dies erhöht das Risiko eines Grundrechteingriffs, besonders da die Server oft in Drittstaaten stehen und ein Vorgehen gegen Verletzungen erschwert wird.
Die „Link-Lösung“ ist auch hier die sicherste Methode: Statt die Identität des Täters zu posten, sollte die Polizei einen Beitrag mit den Fahndungsumständen veröffentlichen und in den Kommentaren einen weiterführenden Link zur offiziellen Homepage bereitstellen.
Ausnahme.
Die Preisgabe der Identität des Täters eines Sittlichkeitsdeliktes kann im überwiegenden Interesse der Öffentlichkeit liegen und eine Warn- und Schutzfunktion erfüllen. Auch in diesen Fällen muss eine Verhältnismäßigkeitsprüfung erfolgen.
Rifat Büyükyorulmaz
Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2024
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