Kriminalgeschichte
Tod durch den Strang
Franz Löcker, ein Gelegenheitsarbeiter aus Premstätten, brachte sieben Menschen um. Er war der letzte Kapitalverbrecher, der in der Steiermark zum Tod verurteilt und hingerichtet wurde.
Franz Löcker wartete bis Mitternacht, dann schlug er viermal mit einer Axt zu. Das Opfer war sein Cousin Andreas Lang. Löcker stahl die Brieftasche, den Anzug und andere Habseligkeiten seines Opfers und versteckte die Leiche unter Stroh. In der Früh wandte sich Löcker an seinen Onkel und sagte ihm, dass er dessen Sohn erschlagen habe und sich nun aufhängen werde. Danach verschwand er, kam aber nach ein paar Tagen zurück. Sein Onkel übergab ihn der Gendarmerie. Löcker wurde wegen Raubmords in Marburg angeklagt, aber der Gerichtsarzt erklärte den Burschen für unzurechnungsfähig. Deshalb wurde das Verfahren eingestellt und Löcker den österreichischen Behörden übergeben. In Graz wurde das Verfahren neu eröffnet. Ein Gerichtsgutachter bescheinigte Löcker, geistig minderbemittelt, aber zurechnungsfähig zu sein. Der Jugendliche verantwortete sich vor Gericht, dass ihn sein körperlich überlegener Cousin geohrfeigt und er sich nicht anders rächen hätte können.
Für den Raubmord an seinem Cousin wurde Löcker vom Jugendgericht Graz zu einer Rahmenstrafe von drei bis sechs Jahren verurteilt. Er musste wegen seines auffälligen Verhaltens im Gefängnis die Strafe zur Gänze verbüßen. Der Raubmord im Jahr 1930 auf dem Bauernhof seines Onkels in der Untersteiermark war das erste Kapitalverbrechen des erst fünfzehnjährigen Burschen. Die Untersteiermark war nach dem Ende der Monarchie 1918 Jugoslawien zugesprochen worden.
Franz Löcker, geboren 1914 in der Steiermark, wuchs in Premstätten bei Vasoldsberg auf, fiel schon in der Schule als gewalttätig auf und bedrohte Bewohner mit dem Umbringen. Er verbrachte einen Teil seiner Kindheit bei seinem Onkel und seiner Tante in der Untersteiermark. Nach seiner Haftentlassung hätte er den Wehrdienst antreten sollen. Er flüchtete aber wieder in die Untersteiermark. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde er in die Wehrmacht eingezogen. Er verließ die Truppe unerlaubt, wurde erwischt und wegen Desertion verurteilt. Nach dem Krieg war Löcker im Schleichhandel tätig und verübte Diebstähle und Einbrüche.
Schießerei bei der Festnahme.
Anfang Mai 1946 erhielten Gendarmen des Postens Tieschen einen Hinweis, dass sich der als gewalttätig bekannte Franz Löcker immer wieder verbotenerweise in der Sperrzone entlang der Grenze aufhalten solle, bewaffnet sei und am 5. Mai nach Puch (Gemeinde Tieschen) kommen solle. Die Gendarmen Rupert Trettan, Rupert Strobl und Franz Zisser vom Gendarmerieposten Tieschen machten sich auf die Suche nach dem amtsbekannten Kriminellen. Gegen 22 Uhr erfuhren sie, dass sich Löcker in einem Anwesen in Neusetz befinde. Während Zisser in einem Kellerstöckl blieb, wo ebenfalls mit dem Auftauchen des Mannes gerechnet wurde, gingen Trettan und Strobl zum Haus in Neusetz. Dort saßen Löcker und die Hausbesitzerin in der Küche. Strobl sicherte den Hinterausgang und Trettan betrat mit gezogener Pistole die Küche. Löcker stürzte sich sofort auf den Gendarmen und versuchte zu flüchten. Trettan und Strobl schossen auf den Flüchtenden und überwältigten ihn. Löcker wurde in den rechten Unterarm getroffen, in den linken Unterschenkel und in den Oberkörper. Er wurde in das Inquisitenspital nach Graz gebracht. In seinem Rucksack befand sich eine Jagdflinte. Löcker wurde wegen öffentlicher Gewalttätigkeit und unerlaubten Aufenthalts in einer Verbotszone zu einer mehrmonatigen Arreststrafe verurteilt. Die Gendarmen ahnten damals nicht, dass es sich bei Löcker um einen gefährlichen Gewaltverbrecher handelte, der knapp vier Monate davor zwei Menschen umgebracht hatte.
Doppelmord in Kapfenstein.
Als Löcker und sein Komplize Müller am 12. Jänner 1946 aus einem Stall in der Nähe des Schlosses Kapfenstein ein Schwein stehlen wollten, wurden sie vom Landwirt Franz Meister überrascht. Der Komplize schlug den Bauern und die Wirtschafterin Josefa Gutl mit einem Knüppel nieder, aber die beiden Räuber flüchteten ohne Beute. Elf Tage später, am Abend des 23. Jänner, kehrten Löcker und sein Komplize zur Meister-Keusche zurück, bewaffnet mit einem Gewehr. In der Küche schoss Löcker den Bauern in den Kopf und der Wirtschafterin von hinten in das Herz. Dann durchsuchten Löcker und Müller das Haus und flüchteten mit Wäsche, Kleidungsstücken und Nahrungsmitteln. Die beiden Leichen wurden erst drei Tage später tiefgefroren entdeckt.
1947 wurde Franz Löcker von einem Militärgericht der britischen Besatzungsmacht wegen verbotenen Waffenbesitzes und anderer Delikte zu einer Haftstrafe verurteilt. Nach der Haftentlassung am 29. November 1947 verübte er Eigentumsdelikte mit einem Maurergesellen, den er im Gefängnis kennengelernt hatte.
Am 7. Dezember 1947 drang Löcker in Kalch bei Jennersdorf in ein Wohnhaus ein und zwang mit einer Maschinenpistole die vier Bewohner, sich ins Bett zu legen und ruhig zu verhalten. Dann aß er sich in der Küche satt und durchsuchte das Haus nach Wertgegenständen. Die Raubbeute bestand aus Kleidungsstücken und Schuhen.
Drei Tote auf dem Bauernhof.
Im Jahr darauf ermordete Löcker bei einem Raubüberfall drei Menschen. Am 7. Jänner 1948 kam er gegen 21 Uhr zum Hof des Weinbauern Josef Hufnagl in Hürth bei Halbenrain. Hufnagl bewirtete den Mann im Weinkeller mit Schnaps und Wein. Als Gegenleistung erhielt der Bauer aus Jugoslawien geschmuggelte Zigaretten. Im Weinkeller begannen die Männer betrunken zu streiten und schlugen mit einem Krampen und einer Schaufel aufeinander ein. Löcker lief ins Freie und kam mit einer Maschinenpistole zurück, die er in seinem Rucksack mitgeführt hatte. Hufnagl sah den Mann mit der Waffe kommen und drückte die Kellertür zu. Löcker schoss durch die Holztür auf den Winzer, drang in den Keller ein und es kam neuerlich zu einem Handgemenge. Hufnagl wollte dem Angreifer die Maschinenpistole entreißen, Löcker jedoch schoss ihm in den Bauch. Als der Getroffene zusammenbrach, schlug und trat Löcker auf den Schädel des Opfers ein. Dann trug er den Bewusstlosen zu einem Tümpel und warf ihn hinein. Hufnagl ertrank hilflos. Kurz darauf ging Löcker in das Haus zurück und erschoss Hufnagls Frau Angelika, die sich vergeblich versteckt hatte, und die 16-jährige Tochter Stefanie des Ehepaares. Er durchwühlte das Haus und legte sich in ein Bett. Die Raubbeute bestand aus etwas Geld, Kleidern, Lebensmitteln und Schnaps.
Nachbarn fanden am nächsten Tag die Leichen der beiden Frauen und verständigten die Gendarmerie. Da Josef Hufnagl verschwunden war, vermuteten die Gendarmen, dass der als streitsüchtig bekannte Bauer seine Frau und seine Tochter erschlagen hatte und geflüchtet sei. Hufnagl wurde zur Fahndung ausgeschrieben. Der Tümpel, in dem seine Leiche lag, war von einer Eisschicht überzogen. Vier Tage nach dem Mord entdeckte der Sohn eines Weinbauern, der das Vieh auf dem Hufnagl-Hof versorgte, die Leiche Hufnagls im Teich. Die Leiche hätte früher gefunden und die Fahndungsausschreibung vermieden werden können. Denn bei der Tatortarbeit hatten die Gendarmen Blutspuren entdeckt, die von der Kellertür zum Teich führten; den Teich aber hatten sie nur oberflächlich abgesucht. Die Gendarmen stellten nun einen Zusammenhang mit dem Doppelmord in Kapfenstein zwei Jahre zuvor her und gingen von einem Serienraubmörder aus.
Löckers letzte Bluttat.
Fünf Monate nach dem Dreifachmord in Hürth, am 5. Juni 1948, verübte Franz Löcker in der Steiermark einen weiteren Raubmord. Er überfiel in Gießelsdorf bei St. Anna am Aigen die 66-jährige, alleinstehende Keuschlerin Johanna Ulrich, schoss sie mit seiner Maschinenpistole nieder und vergewaltigte die Sterbende. Dann durchsuchte er das kleine Bauernhaus nach Geld und Wertgegenständen und flüchtete mit einer Damenuhr, Kleidung, Wäsche und Nahrungsmitteln. Der Mörder kannte sein Opfer, denn er hatte einige Jahre zuvor bei der Landwirtin gearbeitet und mit ihr eine sexuelle Beziehung gehabt.
Nach diesem Raubmord begann die Gendarmerie mit einer Großfahndung. Als Löcker am 8. Juni 1948 mit der Eisenbahn von Feldbach in Richtung Gleisdorf fuhr, wurde er im Zugabteil von einem Gendarmen kontrolliert und aufgefordert, seinen Ausweis zu zeigen. Der Gendarmeriebeamte erinnerte sich, dass Löcker wegen eines Diebstahls gesucht wurde und forderte ihn auf, im Abteil sitzen zu bleiben. Er werde zurückkommen, wenn er die anderen Fahrgäste kontrolliert habe. Als der Gendarm das Abteil verließ, sprang Löcker durch das Waggonfenster aus dem fahrenden Personenzug. Seinen Hut, den Rucksack und eine Wehrmachtstasche ließ er zurück.
Kurz darauf informierte ein Bauer aus Gießelsdorf die Gendarmerie, dass seine Kinder Franz Löcker zur Tatzeit in der Nähe des Bauernhofs von Johanna Ulrich gesehen hätten. Am 11. Juni 1948 gegen Mittag kam ein Bub zum Gendarmerieposten Hausmannstätten bei Graz und berichtete aufgeregt, dass sich Löcker in einer Heuhütte bei Premstätten versteckt hätte. Drei Gendarmen fuhren mit Fahrrädern zur Hütte und näherten sich mit den Gewehren im Anschlag. Ein Revierinspektor forderte Löcker auf, herauszukommen, die Hütte sei umstellt. Als sich nichts rührte, betrat der Gendarm das Wirtschaftsgebäude. Plötzlich rannte Löcker an ihm vorbei, sprang über den Zaun und flüchtete. Die drei Gendarmen schossen dem Flüchtenden nach. Ein Projektil traf ihn in die Schulter, ein weiteres in den Oberschenkel. Löcker wurde überwältigt. Er überlebte die Schussverletzungen. Beim Sprung aus dem Zugsfenster hatte er sich nur leicht verletzt. In einem Unterschlupf wurden Gegenstände aus dem Besitz seiner Opfer gefunden. Bei der Einvernahme gestand er, einen weiteren Mord geplant zu haben. Er habe vorgehabt, am 6. Mai 1946 in Pichla eine Handgranate in das Zimmer eines Bauernsohnes zu werfen, weil ihn dieser beschimpft hätte. Einen Tag vor der geplanten Tat wurde Löcker festgenommen, um eine einjährige Kerkerstrafe zu verbüßen.
Tod durch den Strang.
Franz Löcker wurde wegen 32 Fakten angeklagt und am 23. März 1949 von den Geschworenen im Landesgericht für Strafsachen Graz nach kurzer Beratung einstimmig schuldig gesprochen. Im psychiatrischen Gutachten war vermerkt, dass der Angeklagte ein „unbeherrscht triebhafter Mensch“ mit geistigen Defekten sei, aber nicht geistesgestört und damit voll zurechnungsfähig. Fünf weitere Männer wurden als Mittäter und Hehler angeklagt. Der Angeklagte wurde wegen meuchlerischen Raubmordes in sechs Fällen, zweifachen Mordversuchs sowie versuchten und vollbrachten Raubes zum Tod durch den Strang verurteilt. Ein Mittäter wurde zu einer langen Kerkerstrafe verurteilt. Löcker lachte nach der Verkündung des Todesurteils wie schon mehrmals bei der Verhandlung. Sein Verteidiger meldete Berufung an. Das Oberlandesgericht verwarf sie und bestätigte das Todesurteil. Bundespräsident Karl Renner lehnte ein Gnadengesuch ab.
Franz Löcker, der schlimmste Serienraubmörder der Zweiten Republik in der Steiermark, starb am 14. Juli 1949, um fünf Uhr früh, im Hof des Straflandesgerichts Graz auf dem Galgen. Er war der letzte Kapitalverbrecher, der in der Steiermark hingerichtet wurde. Mit 1. Juli 1950 wurde die Todesstrafe in Österreich abgeschafft.
Werner Sabitzer
Quellen/Literatur:
Breitegger, Hans: Die letzte Hinrichtung. In: Ders.: Die großen Kriminalfälle der Steiermark. Styria Verlag, Graz/Wien/Köln, S. 17-24
Feyerer, Gustav; Mai 1946: Waffengebrauch in Neusetz, Bezirk Feldbach. In: Polizei Steiermark, Nr. 2/2006, S. 37
Sabitzer, Werner: Lexikon der inneren Sicherheit. Neuer Wissenschaftlicher Verlag, Wien, 2008
Schusswaffengebrauch von zwei Hilfsgendarmen des Gendarmeriepostens Tieschen. In: Chronik des LGK Steiermark, Eintragung v. 5. Mai 1946
Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2024
Druckversion des Artikels (PDF 143 kB)