Kriminalgeschichte
Jagd auf den „Bauernschreck“
Vor 100 Jahren wurde auf der Koralpe der Gewalttäter Philipp Eberl erschossen. Er hatte die Bewohner im steirisch-kärntnerischen Grenzgebiet zwei Jahre lang in Furcht und Schrecken versetzt.
Revierinspektor Franz Groß und Patrouillenleiter Johann Schüch vom Gendarmerieposten Schwanberg streiften am 2. September 1924 im Koralpengebiet. Sie waren auf der Suche nach dem 34-jährigen Philipp Eberl, einem Einbrecher, Wilderer und Gewalttäter, der seit zwei Jahren die Bewohner dieser Region in Furcht und Schrecken versetzt hatte.
Auf der Garanasalpe unterhalb des Großen Speikkogels, des höchsten Gipfels der Koralpenregion, sahen die beiden Gendarmen im Morgengrauen leichten Rauch aufsteigen. Sie schlichen sich heran und sahen, dass der Rauch aus einer Höhle kam. Die Exekutivbeamten stellten sich mit dem Gewehr im Anschlag vor die beiden Höhleneingänge. Plötzlich trat ein Mann aus der Höhle, mit einer Pistole in der Hand. Als er Schüch sah, zielte er auf den Gendarmen und drückte ab. Der Schuss ging aber nicht los. Schüch schoss daraufhin in Notwehr auf den Täter und traf ihn in die rechte Brust. Der Mann fiel nieder und starb kurz darauf.
Beim Toten handelte es sich um den lange gesuchten Philipp Eberl. Er wurde aufgrund seiner Tätowierungen an Brust und Armen identifiziert. Eberl wurde in Tageszeitungen als „Bauernschreck von der Koralpe“ bezeichnet.
Philipp Eberl, genannt „Lipperl“, wurde am 27. April 1890 in St. Vinzenz geboren. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen bei seiner Großmutter auf, arbeitete als Halterbub für Bauern auf der Soboth und später als Holzknecht. Eberl war ein rauer Geselle, beging schon als Jugendlicher Straftaten und war immer wieder in Raufereien verwickelt. Am 12. August 1909 kam er in der Pogglohütte in St. Vinzenz ob Ettendorf mit einem anderen Holzknecht in einen heftigen Streit. Die Männer stachen mit Messern aufeinander ein, beide erlitten schwere Verletzungen. Im Ersten Weltkrieg war Philipp Eberl an der Italienfront eingesetzt, wurde verwundet und dreimal mit Kriegsmedaillen ausgezeichnet.
Bluttat beim Kirchtag.
Bei einem Heimaturlaub 1918 besuchte er in Uniform eine Kirchtagsfeier im Gasthaus Marold in Weißenberg in Kärnten. Nach einem heftigen Streit stach Eberl mit einem Bajonett auf Maria Hubmann, vulgo Findenig am Gundisch, Gemeinde St. Georgen ein. Die Mutter von drei Kindern verblutete am Tatort. Der Täter stach danach ihrem Mann in den Oberschenkel und dem Stiefsohn des Wirten zweimal in den rechten Arm. Auch ein 19-jähriger Knecht, der den Opfern helfen wollte, wurde durch Messerstiche schwer verletzt. Der Mörder flüchtete und kehrte zu seiner Artillerieeinheit nach Italien zurück. Ein Feldgericht in Trient verurteilte ihn wegen des Mordes und der Mordversuche zu sechs Jahren schweren Kerkers. Eberl wurde in die Militärstrafanstalt Möllersdorf bei Wien eingeliefert und kam in den politischen Wirren nach Kriegsende 1918 frei.
Nach der Besetzung Südkärntens durch südslawische Truppen wurde Eberl gefangen genommen und in das Gericht in Bleiburg gebracht. Am 11. September 1919 wurde er an das Landesgericht Klagenfurt und zwei Tage später an das Divisionsgericht Friesach überstellt. Eberl musste seine Kerkerstrafe erneut antreten.
Nach der vorzeitigen Haftentlassung aus der Justizanstalt Graz-Karlau im Jahr 1922 kam Eberl in seine Heimatregion zurück und arbeitete fallweise als Holzknecht. Er verübte zahlreiche Diebstähle und Einbrüche, meist in Alm- und Schutzhütten und in Bauernhöfe.
Mehrmals geflüchtet.
Nach einem Einbruch in Niederhof wurde Philipp Eberl festgenommen und in das Bezirksgericht St. Paul im Lavanttal eingeliefert. In der Nacht gelang es ihm, die Mauer der Arrestzelle durchzubrechen und zu flüchten. Im Frühjahr 1923 konnte Eberl neuerlich verhaftet werden. Ein Ettendorfer Gendarm eskortierte den mit einer Kette gefesselten Verbrecher zum Gericht. Vor dem Gerichtseingang gelang es Eberl zu entkommen. Am 14. Mai 1924 wurde er nach einem Einbruch in Goding von einem Gendarmen auf der Flucht eingeholt und festgenommen. Eberl gestand ihm die Straftat und sagte, er werde den Gendarmen zum Versteck der Beute führen. Auf dem Weg dorthin riss sich Eberl los und rannte davon.
Anfang Juni 1924 erfuhren Gendarmen des Postens Rojach, dass Eberl öfters in einer Keusche am Steinberg übernachtet habe. Die Gendarmen fanden in der Hütte einen Sack mit Diebsbeute, darunter Kleidungsstücke, Wäsche und Geschirr. Die Ermittler verhafteten die Pächter der Keusche. Nach einer Woche in Haft gaben die Pächter den Aufenthaltsort Eberls bekannt – es handelte sich um eine Erdhöhle. Die Gendarmen stellten viele Gegenstände sicher, die aus Einbrüchen in Hütten und Bauernhäuser stammten. Eberl hatte gedroht, die Bewohner niederzuschießen und ihre Höfe anzuzünden, sollten sie ihn bei der Gendarmerie verraten. Fallweise beteiligten sich ein, zwei Burschen an den Raubzügen. In Eberls Begleitung befand sich oft seine Geliebte Anna.
Schuss auf den Jäger.
Dass Philipp Eberl gewaltbereit und sehr gefährlich war, zeigte sich bei einem Zwischenfall mit Jägern. Ein Förster und der Revierjäger Max Krainer aus St. Oswald bei Eibiswald trafen am 6. Juni 1924 auf der Glitzalpe im Koralpengebiet nahe der Kärntner Grenze in einer Felsenhöhle auf den Gesuchten, der sofort davonrannte. Neun Tage später traf Krainer am Hirschkogel neuerlich auf Eberl. Dieser schoss mit einem Gewehr auf den Revierjäger. Das Projektil drang durch den Hut Krainers, verletzte ihn aber nicht. Eberl flüchtete, der Revierjäger schoss ihm zweimal nach, verfehlte ihn aber.
Knapp drei Monate später war die Fahndung nach dem „Bauernschreck“ zu Ende, als er von den Gendarmen am 2. September 1924 in der Felsenhöhle aufgespürt wurde.
Volksstück.
Die dramatische Geschichte des gefährlichen Gauners Philipp Eberl diente als Vorlage für ein Volksstück, das im September 2023 in der Schlosstenne Burgstall erstmals aufgeführt wurde. Das Stück „Der Koralmschreck. Volkskulturelle theatralische Theater-Collage mit Musik“ stammt von Wolfgang Fasching von der Kulturinitiative „Theater im Kürbis“ in Wies; die Recherchen erfolgten von der Historikerin Alexandra Kofler.
Werner Sabitzer
Quellen/Literatur:
Raufexzess mit blutigem Ausgange. In: Grazer Tagblatt, 14. August 1909, S. 8
Entsetzliche Bluttat. In: Kärntner Zeitung, 12. Juli 1918, S. 6
Überstellung eines Mörders. In: Kärntner Zeitung, 17. September 1919, S. 4
Ein neuer „Bauernschreck“ auf der Koralpe. In: Grazer Tagblatt, 18. Juni 1924, S. 7
Der neue „Bauernschreck“ im Koralpengebiet. In: Grazer Tagblatt, 22. Juni 1924, S. 6
Der Hütteneinbrecher Eberl erschossen. In: Grazer Volksblatt, 3. September 1923, S. 6
Phantom versetzte Koralm in Angst und Schrecken. In: Kleine Zeitung, 3. September 2023, S. 28
Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2024
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