Interview
„Kooperation mit Herkunftsländern“
Mag. Elisabeth Wenger-Donig übernahm am 1. Juni 2024 die Leitung der Gruppe V/B im Bundesministerium für Inneres, die für die Bereiche integrierte Grenzverwaltung, Fremdenpolizei, Asyl, Grundversorgung und Rückkehr verantwortlich ist.
Können Sie einen Überblick über Ihren bisherigen Werdegang geben? Was waren die prägendsten Stationen?
Ich bin gebürtige Kärntnerin, habe in Graz Jus studiert und begann meinen beruflichen Werdegang als Assistentin im Europäischen Parlament, was mir früh Einblicke in die europäische Politik ermöglichte. Zurück in Österreich, führte mich diese Erfahrung 2001 ins Innenministerium, wo ich als Referentin für europäische und internationale Angelegenheiten begann. Meine erste Führungs- und Krisenerfahrung sammelte ich als Referatsleiterin für Internationale Katastrophenhilfeangelegenheiten – eine sehr spannende Zeit, in die auch der Tsunami 2004 fällt.
Im Jahr 2005 übernahm ich die Leitung der neu gegründeten EU-Abteilung und verantwortete mit einem großartigen Team die EU-Ratspräsidentschaft Österreichs 2006 für das BMI. Bereits zu dieser Zeit standen die Migrationsagenden im Zentrum meines Wirkungsbereichs und persönlichen Interesses. 2014 folgte der Schritt in die operative Steuerungs-Ebene und ich durfte als Vizedirektorin am Aufbau des neuen Bundesamts- für Fremdenwesen und Asyl (BFA) in zentraler Rolle mitwirken und zur Bewältigung der Migrationskrise 2015 beitragen. Im Jahr 2019 übernahm ich die Leitung der Abteilung für Rückkehr, Reintegration und Qualitätsentwicklung.
Sie haben die Flüchtlingskrise im Jahr 2015 erwähnt. Wie haben Sie im BFA diese kritische Phase erlebt?
Das neue Amt war noch in der Aufbauphase, mitten im Veränderungsprozess, und dann kam die europäische Migrationskrise. Die enormen Asylantragszahlen erforderten einerseits laufende Anpassungen der Abläufe innerhalb der Behörde und anderseits eine ständige Abstimmung mit Partnern, vor allem mit der Exekutive und dem Grundversorgungsbereich. In täglichen Krisenstäben erfolgte der wichtige Austausch und die Festlegung weiterer Maßnahmen. Wir haben versucht, uns auf die Kernthemen zu konzentrieren und den Überblick zu bewahren. Der ehemalige Direktor des BFA stellte den Vergleich an, dass die gesamte Crew monatelang hart am Wind segelte und diesem standhielt, während zeitgleich anderen Staaten bereits attestiert wurde, den Überblick zu verlieren. Diese Zeit zählt jedenfalls zu den prägendsten und lehrreichsten Abschnitten meiner Laufbahn.
Ein Schwerpunkt Ihrer Arbeit lag und liegt immer noch auf dem Bereich der Rückkehr. Welche Veränderungen haben Sie in diesem Bereich initiiert, um den Prozess zu optimieren?
Ein zentraler Aspekt meiner Arbeit war die Neugestaltung des Rückkehrbereichs, als zentrale Säule eines gesamthaften Migrationssystems. Ziel ist immer die eigenständige, freiwillige Ausreise. Sprich, dass Personen ihrer Ausreiseverpflichtung eigenständig nachkommen. Geschieht dies nicht, bereitet das BFA die als Konsequenz folgende Abschiebung vor. Wir haben daher ein Unterstützungssystem für die freiwillige Rückkehr geschaffen: Dazu zählt eine flächendeckende Rückkehrberatung, gestaffelte Rückkehrunterstützung – von der Organisation der Heimreise bis zu einer finanziellen Starthilfe – oder Reintegrationsangebote im Herkunftsland. In rund 40 Staaten bieten wir mit Partnern vor Ort individuelle Unterstützung an, beispielsweise bei der Gründung eines Kleinunternehmens in den Bereichen Handel, Dienstleistungen oder Landwirtschaft. Ziel ist es, den Rückkehrern eine realistische Perspektive zu bieten und ihnen die Reintegration im Heimatland zu erleichtern. Ich bin stolz, dass ich mit meinem engagierten Team ein europäisches Best-Practice-Beispiel etablieren konnte.
Welche Rolle spielen Ihrer Erfahrung nach internationale Kooperationen und wie wichtig sind diese für eine erfolgreiche Migrationspolitik?
Die Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitstaaten ist entscheidend, um Migration effektiv und nachhaltig zu steuern – im Interesse Österreichs. Als wesentlichen Faktor sehen wir eine partnerschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Hier war Österreich zuletzt mit Marokko, Indien und dem Irak sehr erfolgreich und es konnte eine Kooperation in der Rückübernahme etabliert werden – somit finden jetzt auch laufend Abschiebungen statt. Mit jedem Staat ist es anders und wir versuchen maßgeschneiderte Kooperationsformen zu finden. Wesentlich bleibt immer eine gute Gesprächsbasis und ein vertrauensvoller sowie direkter Austausch mit den Herkunftsländern. So treffe ich mich regelmäßig, oft auch gemeinsam mit dem Außenministerium, mit Botschaftern und Vertretern aus verschiedenen Ländern.
Wie sehen Sie Ihre Rolle als Frau in einer Führungsposition?
Ich halte es für äußerst wichtig, Frauen in Führungspositionen zu fördern. Ich habe das Privileg, dass ich selbst früh Führungsverantwortung übernehmen durfte. Schon damals war es mir wichtig, mich mit Frauen in ähnlichen Positionen auszutauschen. In der Anfangsphase meiner Laufbahn war ich eine der wenigen Frauen in Führungsrollen im Innenministerium, was manchmal eine Herausforderung darstellte. Ich bin fest davon überzeugt, dass diverse Teams – also eine gute Mischung aus Frauen und Männern – für moderne Organisationen wesentlich sind und zu besseren Ergebnissen führen. Frauen bringen oft andere Perspektiven und Kommunikationsfähigkeiten in Führungsrollen ein, was für eine ausgewogene Entscheidungsfindung in allen Gesellschaftsbereichen und der Weiterentwicklung des Arbeitsumfeldes entscheidend ist.
Was würden Sie als Ihre wichtigsten Ziele in Ihrer neuen Position nennen und welche speziellen Herausforderungen sehen Sie für die nächsten Jahre?
Ein wichtiger Fokus bleibt weiterhin auf asyl- und fremdenrechtlichen Maßnahmen bei straffälligen Fremden. Eines der neuen zentralen Themen in der Gruppe ist die Umsetzung des kürzlich beschlossenen Europäischen Asyl- und Migrationspakts, der zehn Rechtsakte umfasst. Das ist eine große Aufgabe. Wir haben daher ein Projekt mit erfahrenen und ausgewiesenen Expertinnen und Experten aus dem BMI und dem BFA aufgesetzt. Ich sehe den Pakt als Chance, das Asyl- und Migrationssystem effizienter zu gestalten. Der zweite große Fokus liegt auf dem Grenzmanagement, wo wir gerade dabei sind, neue Technologien und Prozesse zu implementieren, wie das Europäische Einreise- und Ausreisesystem (Entry-Exit-System). Diese Themen sind von großer Bedeutung und ich sehe darin die Möglichkeit, positive Veränderungen zu bewirken und einen Beitrag zur Bekämpfung der illegalen Migration zu leisten.
Was ist Ihnen persönlich im Bereich Asyl und Migration ein Anliegen?
Mir ist es wichtig, dass wir ein effizientes, ausgewogenes und gerechtes System haben – eine rasche Statusfeststellung, ob eine Person schutzbedürftig ist oder nicht, ist dabei ganz wesentlich. Zudem möchte ich auch weiterhin dazu beitragen, dass die eigenständige Rückkehr forciert wird sowie dass die Zusammenarbeit mit wesentlichen Herkunftsstaaten aus- und aufgebaut wird.
Interview: Michaela J. Löff
Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2024
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