Interview
„Voller Einsatz“
Mag. Eva Gollubits übernahm am 1. Mai 2024 die Leitung der Gruppe I/A (Chefärztlicher Dienst, Psychologischer Dienst, Sicherheitsakademie) im Innenministerium. Sie folgt auf Dr. Wilhelm Sandrisser, der nach knapp zwei Jahrzehnten in dieser Funktion seinen Ruhestand angetreten hat.
Wie gestaltete sich Ihr beruflicher Werdegang und Ihr Weg ins BMI?
Ich hatte das große Glück, stets in Traumjobs arbeiten und dabei vielfältige Erfahrungen sammeln zu dürfen, die mich allesamt wirklich gut für meine jetzige Aufgabe vorbereitet haben. Nach der Schule begann ich im Bereich der Medien- und Öffentlichkeitsarbeit zu arbeiten und studierte nebenberuflich Rechtswissenschaften. Mein erster Chef war mein nunmehriger Vorgänger Dr. Wilhelm Sandrisser, er hat mein erstes Vorstellungsgespräch geführt – das schließt für mich den Kreis wirklich schön. Anschließend war ich in der Gewerkschaft öffentlicher Dienst tätig, wo ich den damaligen Vorsitzenden Fritz Neugebauer unterstützen durfte – insbesondere auch in der internen und externen Öffentlichkeits- und Marketingarbeit. Mit Fritz Neugebauer wechselte ich auch für mehr als 5 Jahre in die Parlamentsdirektion.
Anfang 2014 holte mich die damalige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner ins BMI und damals wie heute ist die Arbeit in diesem Ressort etwas ganz Besonderes, vor allem, was den Umgang untereinander, die Kameradschaft und die Zusammenarbeit betrifft. Zu Beginn war ich im Kabinett tätig, zuständig für Parlament, Ministerrat, Koordinierung und Legistik, zudem betreute ich eine Reihe von Sonderprojekten. Die Jahre 2014 bis 2017 waren – wie das im BMI immer der Fall ist, aber für mich war es neu – besonders spannend, geprägt von der auch in Europa auftretenden Terrorlage und natürlich vor allem der Flüchtlingskrise.
Meine ehemalige Chefin holte mich Ende 2017 schließlich nach Niederösterreich, um dort ein ganz besonderes Verwaltungsreformprojekt aufzusetzen: Die Umwandlung der Bundesbehörde Landesschulrat in die gemischte Behörde Bildungsdirektion. 2018 wurde ich ins Bundeskanzleramt geholt, wo ich einerseits die Leitung des Ministerratsdienstes, also des „Büros der Bundesregierung“ übernehmen und andererseits im Kabinett die heute übliche zentrale Regierungskoordination etablieren durfte, auch zur Zeit der Expertenregierung, was natürlich im Hinblick auf die Koordination innerhalb der Regierung und auch mit dem Parlament oder der Präsidentschaftskanzlei ganz besonders spannend war. Parallel dazu bewarb ich mich erfolgreich als stellvertretende Generaldirektorin der Pensionsversicherungsanstalt.
Wie haben Sie die Zeit in dieser Funktion erlebt?
Mein Beginn fiel fast zeitgleich mit dem Ausbruch der Pandemie zusammen, was so ein großes Unternehmen mit starkem persönlichen Kundenservice und uns als gesamtes Team natürlich vor enorme Herausforderungen stellte, für mich aber auch eine hervorragende Gelegenheit bot, mich zu beweisen. Es gab viel zu tun und die Krise wirkte wie ein Katalysator, der viele Prozesse beschleunigte und neue Handlungsfelder aufzeigte. Dadurch konnten wir digitale Arbeitsmethoden voranbringen oder neue Wege im Kundenservice gehen: Die Einführung eines digitalen Terminvereinbarungssystems, die Etablierung intelligenter Warteschleifen oder eine Neugestaltung der Kundenzonen. Besonders stolz bin ich auf das Projekt, Bescheide in „einfacher Sprache“ zu entwickeln, das nun ausgerollt werden soll.
Ende 2021 wechselte ich als Kabinettchefin ins Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungsministerium. Die Herausforderungen im öffentlichen Dienst – Recruiting des richtigen Personals, Fortbildung, Generationenmanagement und anderes – sind in vielen Bereichen ähnlich und erfordern kontinuierliche Aufmerksamkeit und Anpassung.
Worin besteht Ihr aktueller Aufgabenbereich und wie ist Ihre Gruppe aufgestellt?
Ich weiß, dass es im BMI eigentlich nur Zukunftsbereiche gibt – wir dürfen aber wirklich mittendrin, unmittelbar an der Zukunft des Ressorts arbeiten und nehmen das auch sehr ernst. Wir, die Gruppe I/A, sind als multidisziplinäres Expertinnen- und Expertenteam dafür zuständig, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Polizei und Verwaltung körperlich fit aufgenommen werden und im Dienst Wert auf Gesundheitsförderung legen können, dass sie psychisch resilient und für die zu erfüllenden Aufgaben geeignet sind und über das Wissen und Können verfügen, das sie brauchen, um ihre vielfältigen Aufgaben bewältigen zu können. Dies reicht vom Bedienstetenschutz über psychologische Supportleistungen bis hin zur Aus-, Fort- und Weiterbildung oder Sicherheitsforschung. Die Herausforderung liegt insbesondere darin, zukünftige Anforderungen frühzeitig zu erkennen und in die Aus-, Fort- und Weiterbildung zu integrieren. Daher arbeiten wir eng mit allen Organisationseinheiten des BMI zusammen, um keine Entwicklungen zu verpassen.
Was stellt sich derzeit als größte Herausforderung dar?
Eine der größten Herausforderungen liegt in der erheblich gestiegenen Anzahl von Ausbildungsteilnehmerinnen und -teilnehmern. Bis vor wenigen Jahren waren im Schnitt um die 2.000 Aspirantinnen und Aspiranten in der Polizeigrundausbildung – derzeit sind es etwa 3.500. In der Ausbildung von dienstführenden Polizeibediensteten stieg die Teilnehmerzahl von rund 300 im Jahr 2015 auf derzeit 600. Diese Zunahme erfordert eine sorgfältige Organisation der Bildungszentren und eine Anpassung der Ausbildungsprozesse.
Zusätzlich zu der erhöhten Teilnehmerzahl müssen wir neue Aufnahmebedingungen integrieren und sicherstellen, dass alle medizinischen, psychologischen und wissensbasierten Tests optimal mit der Ausbildung verknüpft sind. Unser Ziel ist es, den Prozess von Aufnahmen und Fort- und Weiterbildungsauswahlprozessen mit allen beteiligten Organisationen im Haus zu durchleuchten, um effizient und reaktionsschnell auf Praxiserfahrungen eingehen zu können und die Ausbildung kontinuierlich zu verbessern.
Gibt es ein Herzensprojekt das gerade am Tisch liegt?
Derzeit liegen viele Projekte auf dem Tisch, vor allem den Aufnahme- und Grundausbildungsbereich betreffend. Es gibt Herausforderungen im Bereich Resilienz und der baulichen Gestaltung der Bildungszentren, ein bedeutendes Projekt ist der Neubau des Bildungszentrums Absam/Wiesenhof mit einem Einsatztrainingszentrum der Landespolizeidirektion Tirol. Der psychologische Dienst hat einen neuen Supervisions-Erlass herausgegeben und im betrieblichen Gesundheitsmanagement sowie Bedienstetenschutz stehen wir vor großen Aufgaben, vor allem im Zusammenhang mit den zahlreichen Umbauten und Umsiedelungen in der Zentralleitung.
Eines meiner Herzensanliegen ist die Verbesserung der Gesamtschau: Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei der Auswahl und Befähigung von Personal, sowohl für Verwaltung als auch Exekutive. Unser Ziel ist es, dass das BMI weiterhin als zielorientiertes, gut strukturiertes Ressort wahrgenommen wird, auch im Hinblick auf den Generationenwechsel und das veränderte Aufgabenprofil.
In den vergangenen zwei Monaten habe ich mehr als die Hälfte der Bildungszentren persönlich besucht und werde bis Anfang September alle 12 besucht haben. Dabei suche ich nicht nur das Gespräch mit Lehrerinnen und Lehrern, sondern auch mit Aspirantinnen und Aspiranten, um ihre Erwartungen und Perspektiven zu verstehen. Wir haben viele großartige Persönlichkeiten mit den unterschiedlichsten Hintergründen bei uns – auch mit den verschiedensten Herangehensweisen und Stärken.
Was sind Motivationen, heute Polizist oder Polizistin werden zu wollen?
Die Motivationen sind so unterschiedlich wie die Lebensgeschichten der Kolleginnen und Kollegen. Manche kommen direkt nach der Schule zu uns – viele bringen aber schon berufliche und private Erfahrungen mit, nehmen auch vieles in Kauf, um ihren Traumjob ergreifen zu können Eine Kollegin, die ursprünglich aus Deutschland stammt und die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen hat, wollte immer zur Polizei. Als Alleinerzieherin und Marketingfachfrau sah sie lange keine Möglichkeit, die Ausbildung zu absolvieren. Nun, da ihre familiäre Situation es zulässt, hat sie ihren Job aufgegeben und mit einem zweieinhalbjährigen Kind die Ausbildung abgeschlossen. Man sieht: Mut beweisen viele unserer neuen Kolleginnen und Kollegen schon, wenn sie sich ganz darauf einlassen, wieder auf die Schulbank zu wechseln.
Wie wichtig sind Frauen bei der Polizei und als Führungskräfte?
Es ist entscheidend, die Vielfalt der Gesellschaft in der Organisation abzubilden. Frauen sind im BMI und in Führungspositionen genauso wichtig wie Männer. Teams sollten unterschiedliche Fähigkeiten und Perspektiven vereinen. Vorbilder sind wichtig, egal ob männlich oder weiblich.
Das Wesentliche ist, dass Führungskräfte gut zusammenarbeiten und einander vertrauen. Im Bildungsbereich, wo ich die letzten Jahre tätig war, sind Frauen in Führungspositionen bereits in der Mehrheit, es werden in vielen Bereichen Männer gezielt gesucht. Im BMI ist es umgekehrt.
Für mich ist es nichts Besonderes, dass Frauen Abteilungs-, Gruppen- und Sektionsleiterinnen sind, ich habe von Chefs viel gelernt und von Chefinnen ebenfalls. Jede Persönlichkeit bringt ihre eigenen Stärken ein, unabhängig vom Geschlecht. Es sollte alltäglich sein, dass Frauen und Männer in Führungspositionen vertreten sind. Ich freue mich sehr auf meine neue Aufgabe.
Es gibt viel zu tun, und um einen Fußballvergleich zu ziehen: Es erfordert vollen Einsatz, nicht nur in den regulären 90 Minuten, sondern auch in der Nachspielzeit.
Interview: Michaela J. Löff
Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2024
Druckversion des Artikels (PDF 290 kB)