Institut für Wissenschaft und Forschung
Frischer Wind in alten Gemäuern
Das Institut für Wissenschaft und Forschung existiert seit über 20 Jahren. Linda Jakubowicz leitet das an der Sicherheitsakademie in Wien angesiedelte Forschungszentrum seit Februar 2024.
Institut für Wissenschaft und Forschung: Hanns Matiasek, Linda Jakubowicz, Martina Stöffelbauer © BMI/Gerd Pachauer
Wie wichtig das Institut für Wissenschaft und Forschung (IWF) im Gefüge des Innenministeriums ist, zeigt bereits dessen breites Aufgabengebiet. Die Forschungseinrichtung in der Wiener Marokkanerkaserne hat laut Sicherheitspolizeigesetz die Aufgabe, „alle Forschungsangelegenheiten durchzuführen, zu koordinieren und zu betreuen, die für das Innenressort bedeutsam sind“, erläutert Linda Jakubowicz, die seit Februar 2024 das IWF mit seinen 17 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern leitet.
Die Arbeitsbereiche der Forschungseinrichtung beinhalten Eigenforschung, Auftragsforschung, die Umsetzung von Forschungsprojekten für Dritte sowie die Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Forschungseinrichtungen. Aktuelle Forschungsschwerpunkte befassen sich mit Polizeiwissenschaft und Polizeigeschichte, Migration und Asyl, Kriminalpsychologie, Gewalt in der Privatsphäre sowie Sicherheitsgefühl und Kriminalitätsfurcht. Insbesondere in den Bereichen Prävention, gesellschaftspolitische Veränderungen (und deren Auswirkungen auf die innere Sicherheit) sowie Organisationskultur bringen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des IWF seit 20 Jahren ihre Fachexpertise ein. Mitunter geschieht dies durch Vorträge und Lehrveranstaltungen, aber auch in Form von eigenen Forschungsleistungen und daraus resultierenden Publikationen sowie die Konzeption und Leitung bzw. Umsetzung von Forschungsprojekten mit Dritten. Das Ziel ist es, Wissenschaft und Forschung als Grundlage evidenzbasierten Handelns für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BMI verfügbar und nutzbar zu machen.
Praktische Anwendung.
Auch die steigenden Aufnahmezahlen von Polizeischülerinnen und -schülern, die sich gegenüber dem Vergleichszeitraum Dezember 2022 und März 2023 verdreifacht haben, sind ein Resultat der vom IWF wissenschaftlich begleiteten Recruiting-Maßnahmen des Innenministeriums. „Wir führen Befragungen mit Aspirantinnen und Aspiranten sowie jungen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern durch, um zu erfahren, wer und warum sich jemand für den Polizeiberuf interessiert. Bei jenen, die die polizeiliche Grundausbildung beginnen, schauen wir, ob sich die Erwartungen der Polizeischülerinnen und -schüler erfüllt haben oder nicht bzw. wie sich Einstellung und Motivation während der Ausbildung verändert haben“, erklärt Jakubowicz.
Ein weiteres wichtiges Forschungsfeld ist derzeit die Migration. Zwischen Juni 2022 und Februar 2023 führte das IWF beispielsweise in Kooperation mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM) und dem Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) eine Umfrage in drei Wellen durch, um Vergleiche ziehen und Trends abschätzen zu können. Dabei wurden insgesamt 552 Geflüchtete aus der Ukraine in Österreich befragt. Im selben Zeitraum wurden zu allen drei Wellen 2.000 Interviews mit Bürgerinnen und Bürgern durchgeführt, um die Meinung und allgemeine Stimmung der Wohnbevölkerung in Österreich zur Ukrainekrise einzuholen und dem gegenüberzustellen.
Aufgaben und Bereiche.
„Eine zentrale Aufgabe des IWF ist die Forschungskoordination im Innenressort. Das heißt, wir führen – in enger Abstimmung mit der zuständigen Abteilung für Ressortstrategie, Sicherheitspolitik, Koordination‘ – Bedarfserhebungen in den einzelnen Sektionen durch und leiten daraus relevante Forschungsfelder ab. Auf deren Basis werden dann Vorschläge gemacht und in der Planung entsprechend berücksichtigt“, erklärt Jakubowicz. „Es ist mir ein Anliegen, das IWF nicht nur zu leiten, sondern weiterzuentwickeln und bestmöglich zu positionieren. Mein Ziel ist, die Forschungsarbeit, die im Team geleistet wird, sichtbarer und bekannter zu machen.“
Gelegenheit dazu bietet u. a. das unter der Leitung von Chefredakteur Josef Pfaffenlehner erscheinende SIAK-Journal (www.bmi.gv.at/104/Wissenschaft_und_Forschung/SIAK-Journal/start.aspx), zu dessen Abonnentenkreis Bibliotheken und Forschungseinrichtungen im In- und Ausland zählen. Die „Zeitschrift für Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis“ feiert heuer ihr 20-jähriges Bestehen und versteht sich „als verbindende Plattform zwischen den Vertreterinnen und Vertretern der Scientific Community und dem operativen Praxisgeschehen.“
Neue Strukturen, mehr Service.
Auch die Bibliothek des BMI, mit Standort Traiskirchen, die in den Aufgabenbereich des IWF fällt, erfährt sukzessive Digitalisierungsschritte und wird beispielsweise auf E-Medien umgestellt. „Künftig sollen Kolleginnen und Kollegen dadurch unkomplizierter und zeit- sowie ortsunabhängig auf den archivierten ,Wissensschatz’ des Ressorts zurückgreifen können“, sagt die IWF-Leiterin. Dies entspricht dem Selbstverständnis der 44-Jährigen: „Wir wollen noch mehr Informationen direkt für BMI-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter nutzbar machen und das IWF stärker als Service- und Infodrehscheibe in Forschungsbelangen etablieren.“
Künftig soll das IWF in drei Teams für die Bereiche „Forschung und Wissenschaftliche Unterstützungsleistungen“, „Wissensmanagement im Forschungsbereich und Koordination“ sowie „Publikationen und Wissensvermittlung“ Inhalte generieren, aufbereiten und vermitteln. „Forschung ist eine wesentliche Grundlage, um als Innenministerium den Herausforderungen der Zukunft bestmöglich begegnen zu können“, ist Jakubowicz überzeugt.
Jürgen Belko
Zur Person
Mag. Dr. Linda Jakubowicz ist seit mehreren Jahren Mitarbeiterin des Instituts für Wissenschaft und Forschung (IWF) und wurde mit 1. Februar 2024 zur Leiterin des Instituts bestellt. Die promovierte Wirtschafts- und Sozialhistorikerin (Universität Wien) ist Trägerin des Theodor-Körner-Preises und forscht seit 2006 am IWF zu Migration, Extremismus sowie den gesellschaftlichen Zusammenhalt und sozialen Frieden. Darüber hinaus leitete sie zahlreiche Forschungsprojekte.
Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 5-6/2024
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