Verbindungsbeamte
„Leute zusammenbringen“
Der in Wien stationierte rumänische Polizeiattaché spielt eine wichtige Rolle in der polizeilichen Zusammenarbeit beider Länder. Dadurch konnten mehrere internationale Kriminalfälle gelöst werden.
Oberst Dr. Cristian Ionuş ist Diplomat, Jurist, Polizist, Kampfsporttrainer – und Vermittler. „Ich sehe meine Aufgabe als Attaché für innere Angelegenheiten darin, die Leute zusammenzubringen. Auf der operativen Schiene geht es um die Kooperation der österreichischen mit der rumänischen Polizei, auf der politischen um die Vorbereitung von Politikertreffen und um Verträge für den Austausch von Polizeibeamten“, sagt Ionuş.
Der Schwerpunkt der österreichisch-rumänischen Zusammenarbeit liegt auf der Bekämpfung der organisierten Kriminalität mit Bezug zu beiden Ländern sowie auf der Sicherung des EU-Innenraums und der EU-Außengrenzen. Zu konkreten Fällen finden gemeinsame Ermittlungen statt, die Polizeibehörden stehen in einem regen Informationsaustausch. Allein im Jahr 2022 wurden mehr als 450 Anfragen von Österreich an Rumänien gestellt bzw. umgekehrt. Dazu kommen Projekte internationaler Organisationen wie Frontex, Europol und Interpol, an denen sich Österreich und Rumänien beteiligen.
In diesem Bereich kann Ionuş auf reiche Erfahrungen zurückblicken. Nach Absolvierung der Polizeiakademie in Bukarest und dem Dienst als uniformierter Polizist war er von 2007 bis 2012 Referatsleiter im rumänischen Innenministerium und dabei als Projektmanager für EU-Projekte zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität in Südosteuropa zuständig. Dazu zählten die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit durch den Ausbau der Einheiten für die Koordination der internationalen Rechtsdurchsetzung (ILECUs), die Southeast European Cooperative Initiative (SECI) sowie ihr Nachfolgeprojekt Southeast European Law-Enforcement-Center (SELEC).
Sprachkenntnisse.
Attaché Cristian Ionus fungiert auch als Dolmetscher bei Kriminalfällen mit rumänischsprachigen Verdächtigen
© Bernhard Elbe
2013 trat Ionuş in den diplomatischen Dienst ein, war in Berlin Attaché für innere Angelegenheiten und übt diese Funktion seit 2021 in Wien aus. Zugute kommen ihm dabei seine ausgezeichneten Deutschkenntnisse, die er durch den Besuch einer deutschsprachigen Schule bei Sibiu erworben hat. Diese tragen dazu bei, durch rasches Übersetzen Ermittlungen in Kriminalfällen mit rumänischsprachigen Tätern zu erleichtern und zu beschleunigen.
Auch bei einem seiner ersten Fälle, mit denen er in Österreich befasst war, übernahm Ionuş die Rolle des Dolmetschers. 2021 beging ein rumänischer Lkw-Lenker Fahrerflucht, nachdem er in Rumänien einen Mann überfahren hatte. Er setzte seine Fahrt über Ungarn nach Österreich fort. Die rumänische Polizei kontaktierte die österreichischen Kollegen, die den Lenker bei Schwechat stoppten und DNA-Spuren von den Rädern des Lkw sicherten. Der Lenker wurde einvernommen, wobei Ionuş übersetzte, und gestand nach vier Stunden die Tat.
Schlepper und Schmuggler.
Im Bereich der organisierten Kriminalität handelt es sich im Zusammenhang mit rumänischen Tätergruppen vor allem um Schlepperei, Suchtgifthandel und Betrug. 2022 gelang es der Polizei, einen internationalen Schlepperring zu zerschlagen. An den Ermittlungen waren die Landeskriminalämter Niederösterreich und Burgenland sowie internationale Vertreter und Verbindungsbeamte, darunter Ionuş, beteiligt. 205 Personen in Österreich, Ungarn, Tschechien, Rumänien und der Slowakei wurden festgenommen und mehr als 80 Schlepperfahrzeuge sichergestellt.
„Bei Suchtgiftschmuggel dient Österreich häufig als Transitland. Im September 2022 ist ein Bus aufgrund technischer Probleme aufgefallen. Die Polizei hat bei der Kontrolle des Fahrzeugs verschiedene Drogen gefunden, die in einem Plastikbehälter verpackt waren. Der Fahrer und der Beifahrer, beide rumänische Staatsbürger, sind festgenommen worden“, schildert Ionuş. Für Drogen aus den Niederlanden oder aus Spanien, die für den Verkauf in Bars und Diskotheken an der Schwarzmeerküste bestimmt sind, heuern kriminelle Gruppen oft rumänische Fahrer an, die eine Route über Österreich wählen.
Im Vorjahr führte die Polizei in Kärnten einen Präventions- und Kontrollschwerpunkt in Bordellen durch, in den der Ermittlungsbereich 10 Menschenhandel/Schlepperei des Landeskriminalamts Kärnten involviert war. „Die Region ist eine Transitzone, in der es mehrere Bordelle gibt. Die Kunden stammen zum Großteil aus Italien, wo Bordelle verboten sind, und aus Slowenien. Viele Prostituierte sind Rumäninnen“, beschreibt Ionuş, der die Beamten bei den Kontrollen begleitete. Ein wesentliches Anliegen war es, den Frauen zu vermitteln, dass sie sich jederzeit an die Polizei wenden können, wenn sie Hilfe brauchen.
Räuber und Betrüger.
Für Schlagzeilen sorgte 2022 die Zerschlagung einer rumänischen Tätergruppe, die sich auf Rip-Deals spezialisiert hatte. Ihren Opfern aus mehreren Ländern, darunter Österreich, versprachen die Betrüger für Investitionen Gewinne in Millionenhöhe und kassierten dafür Provisionen von mehreren 100.000 Euro. Ionuş vermittelte zwischen den Polizeibehörden in Österreich und Rumänien, die in den Fall involviert waren.
Heuer im Februar endete eine Home-Invasion anders, als die Räuber geplant hatten. Drei Rumänen drangen in das Haus eines älteren Ehepaares im niederösterreichischen Würnitz ein und attackierten die beiden Bewohner. In Notwehr schoss der Mann auf einen der Täter, woraufhin alle drei flüchteten. Zwei von ihnen entkamen, der angeschossene Täter wurde festgenommen. Ionuş leitete das Foto, das die niederösterreichische Polizei von dem Räuber gemacht hatte, an seine Kollegen in Rumänien weiter, die den Täter binnen Minuten identifizierten.
Austausch.
Innenminister Gerhard Karner traf seinen rumänischen Amtskollegen in Wien
© Jürgen Makowecz
Am 23. August 2023 traf Innenminister Mag. Gerhard Karner seinen rumänischen Amtskollegen Cătălin Marian Predoiu in Wien zu einem Arbeitsgespräch über die Migrationslage in Europa und den gemeinsamen Kampf gegen die organisierte Kriminalität. Der rumänische Botschafter in Wien Dr. Emil Hurezeanu weist auf die Erfolge der Kooperation der beiden Länder hin: „Die Zusammenarbeit auf operativer Ebene zwischen unseren Polizeiorganisationen stellt für die Bekämpfung der international agierenden Gruppierungen, insbesondere im Bereich der illegalen Migration, den Eckpfeiler unserer sehr guten Ergebnisse in den letzten Jahren dar.“
Ebenfalls 2023 fand ein Erfahrungsaustausch zur Medienarbeit der Polizei statt. Die Pressesprecher der rumänischen und der Bukarester Polizei trafen einander in Wien mit Vertretern der Pressestellen von Innenministerium und Landespolizeidirektion Wien. Für die rumänischen Kollegen von besonderem Interesse waren der Umgang mit sozialen Medien und die Kommunikationsstrategie während eines Großeinsatzes – etwa, wenn noch nicht klar ist, ob an einem Anschlag mehrere Terroristen beteiligt sind oder es sich um einen Einzeltäter handelt. Das wurde am Beispiel des Terroranschlags vom 2. November 2020 in Wien besprochen. Im Zuge des Austauschs von Polizeibeamten kam die rumänische Polizeiinspektorin Bianca Calciu aus Timisoara nach Wien. Sie ist derzeit in der Sektion V Migration und Internationales des Innenministeriums im Rahmen der Joint Coordination Platform (JCP), einer Plattform zum Thema illegale Migration, tätig. Ihre Aufgabe besteht in der Analyse von Migrationsbewegungen auf der östlichen Mittelmeerroute.
Prävention.
Im Vorjahr initiierte Kontrollinspektor Cristian Gruia-Dumbrava, Sicherheitskoordinator im Stadtpolizeikommando Innere Stadt, das Präventionsprojekt „GEMEINSAM.SICHER mit der rumänischen Gemeinschaft“. Der Beamte mit rumänischen Wurzeln hatte sich zum Ziel gesetzt, den Kontakt zwischen der Wiener Polizei und der rumänischen Community in der Bundeshauptstadt zu intensivieren. Der Schwerpunkt des noch laufenden Projekts liegt auf der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, an der sich auch Ionuş beteiligt. Als Selbstverteidigungstrainer zeigt er den unter Zwölfjährigen, wie sie sich bei einem Angriff verhalten sollen – und wie sie bei Konflikten zur Deeskalation beitragen können.
Rosemarie Pexa
Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 5-6/2024
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