Sicherheitskonferenz Krems
Autonome Arbeitsplätze?
Unter dem Titel „Smart Safety – Der digitalisierte Mensch im Blickwinkel der Arbeitswelt“ fand am 18. Oktober 2023 die 21. Sicherheitskonferenz der Universität für Weiterbildung Krems in Kooperation mit dem Bundesministerium für Inneres und dem Kompetenzzentrum Sicheres Österreich statt.
Keine Technik hat jemals so umfassend und vielseitig in jeden Lebensbereich der Menschen eingegriffen wie die Digitalisierung, die allerdings keine Erfindung des 21. Jahrhunderts ist. Vor knapp 90 Jahren wurden die ersten elektronischen Rechner eingesetzt. Der deutsche Techniker Konrad Ernst Otto Zuse schuf mit seinen Modellen Z1, Z3 und Z4 eine wichtige Grundlage der deutschen Computertechnik. Parallel dazu beschäftigte sich das US-amerikanische Unternehmen International Business Machines Corporation, besser bekannt als IBM mit der Entwicklung von Lochkartenmaschinen und später mit Großrechnern sowie den dafür nötigen Programmen. Diese riesigen Apparate benötigten damals ganze Hallen oder zumindest große Räume und wurden ausschließlich von Behörden und einigen Unternehmen genützt. Die ersten Heimcomputer etablierten sich ab 1980 in privaten Haushalten. Die Entwicklung der Software umfasste neben Schreibprogrammen, bald auch Technologien zur Aufnahme und Bearbeitung von Audio- und Videodateien. Der technologische Schulterschluss mit der Mobilfunktechnik im 1. Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts eroberte weitere Einsatzbereiche, die immer eigenständiger wurden.
Gefahren und Herausforderungen.
Mit der vielfältigen Entwicklung der künstlichen Intelligenz (KI) wurden insbesondere in der Arbeitswelt neue Ebenen erreicht und Veränderungsprozesse eingereicht. Nikolaus Forgó vom Institut für Innovation und Digitalisierung an der Universität Wien skizzierte die Anstrengungen der EU gesetzliche Rahmenbedingungen für diese Technologien zu schaffen. Durch die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten von Programmen, die auf künstlicher Intelligenz basieren, erobert die Digitalisierung in nahezu allen Lebensbereichen eine Ebene, die aus heutiger Sicht nicht kalkulierbare Risiken enthält, was sicherheitstechnische Strukturen sowie legistische Rahmenbedingungen betrifft. „Im Herbst 2022 startete Chat GPT. Innerhalb von 5 Tagen wurde die erste Million an Nutzern generiert. Aus der Million wurden mit Stand Juni 2023 1,6 Milliarden Anwender“, führte der Rechtsgelehrte aus. Die durchschnittliche Verweildauer auf dieser Seite beträgt 7,5 Minuten. Dieses System machte Furore, manche, so wie auch der Vortragende selbst, sprechen von einem „I-Phone-Moment“.
Die Verwendung von Google Lens, eines KI-basierten Dienstleisters, bei dem beispielsweise Fotos von unbekannten Gebäuden, die man während einer Städtereise fotografiert, erklärt werden, wird 8 Milliarden Mal pro Monat eingesetzt. Google Lens erweiterte und spezialisierte die Einsatzmöglichkeiten beispielsweise bei der Hautkrebserkennung. Auf dem Videoportal You-Tube werden pro Minute weltweit Inhalte im Umfang von 500 Stunden hochgeladen. Ähnliche Werte gelten auch für andere soziale Netzwerke. „Es wird noch mehr werden. Denn ein durchschnittlicher Jugendlicher verbringt 7,5 Stunden online. Ungefähr die Hälfte der US-amerikanischen Jugend sagt, dass sie ,almost constantly online‘ sind“, berichtete der Universitätsprofessor, und ergänzte, dass junge Menschen auf Social-Media-Plattformen wie Tik Tok etwa 96 Minuten täglich verbringen. „2022 war Tik Tok die am schnellsten wachsende App unter Jugendlichen. Auch in Österreich nutzten über 70 Prozent der jungen Menschen diese Applikation“, klärte Nikolaus Forgó auf.
Unberechenbare Eigendynamik der künstlichen Intelligenz.
Mit dem Erscheinen von Chat GPT wurden die bisherigen Anwendungsmöglichkeiten gewissermaßen revolutioniert. Dieser „I-Phone-Moment“, wie ihn der Vortragende bezeichnete, wurde vielfach auch von den Medien analysiert. Den Grund dafür entbietet zunächst der Begriff „Open AI“, also freie künstliche Intelligenz, die eine optimalere Demokratisierung durch die bessere Verfügbarkeit von Daten ermöglichen würde. Doch laut Forgó stimmt diese Behauptung nicht: „Nichts an ,Open AI‘ ist ,offen‘, nichts trägt hier zu einer demokratischen Entwicklung bei“, warnte der Institutsvorstand für Technologie- und Immaterialgüterrecht an der Universität Wien.
Meinungsmonopol der Social-Media-Betreiber.
Seit dem Ausbruch des Nahostkrieges am 7. Oktober 2023 versuchen nicht nur Journalisten einen Überblick darüber zu bekommen, welche Informationen tatsächlich glaubwürdig sind. Kanäle wie früher Twitter, jetzt X, entpuppten sich als Teil einer Desinformationsstruktur, in der viele Social-Media-Plattformen eingebunden sind, um politische Meinungen zu „machen“. „Die europäische Politik antwortet dann in einer sehr bemerkenswerten Weise, die auch in die europäische Rechtsgeschichte eingehen wird“, klärte der Jurist auf. Einer der zuständigen Kommissare der Europäischen Kommission, Thierry Breton, zuständig für den „Digital Services Act“, reagierte auf dieses Desinformationsdesaster so, dass er an den Eigentümer des Unternehmens X, Elon Musk, einen Brief schrieb, wo er ihn erinnerte, er möge sich in diesem Zusammenhang an europäisches Recht halten. Der Brief wurde dann auch auf diesem Medium veröffentlicht. Musk antwortete dem Politiker: „Schreib mir keine Briefe, sondern kommuniziere mit mir auf meiner Plattform.“
Nikolaus Forgó führt sein Auditorium noch kurz in das Jahr 1968, sein Geburtsjahr. „Niemand, der damals einen Computer sah, fürchtete sich vor der Macht dieser Maschinen. In Europa ist es seit 1968 immer so gewesen, dass man mit diesen Geräten zweierlei verbunden hat: Auf der einen Seite ungeheure Chancen und andererseits ungeheure Gefahren“, brachte es der Wissenschaftler auf den Punkt.
Das Zusammenspiel von Mensch und Maschine.
Viktorijo Malisa, Maschinenbautechniker und Präsident des Vereins zur Förderung der Automation und Robotik, beleuchtete als Fachorgan der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) in seinem Vortrag nicht nur die mannigfaltigen Einsatzmöglichkeiten automatisierter Arbeitsprozesse, sondern präsentierte ebenso die Risiken der gegenwärtigen Entwicklung in diesem Bereich. Als Spezialist für Automatisierungstechnik zeigte er die Gefahren automatisierter Produktionsprozesse auf, die den strengen Richtlinien der Effizienz gehorchen müssen. Der technische Aufbau und die Entwicklung dieser komplexen technischen Anlagen erfordert beim Personal eine umfassende Einschulung auch im Hinblick auf die Arbeitsplatzsicherheit. Der Vortragende präsentierte Grafiken von vollautomatischen Produktionsinseln, die durch Roboter verbunden sind, die diese beispielsweise mit für die Fertigung bestimmter Waren relevanten Rohstoffen versorgen. Die Vorreiterrolle in der vollautomatischen Produktion von Industrieartikeln, ebenso wie von Lebensmitteln, Medikamenten sowie Druckerzeugnissen haben seit etwa 20 Jahren asiatische Länder wie Japan, Südkorea und gegenwärtig auch immer stärker China inne. Fabriken in denen bestimmte Produktionsprozesse in den jeweiligen Stockwerken abgewickelt werden, bedienen sich mobiler Roboter, die völlig selbstständig über eigene Lifte die Produktionsstraßen mit halbfertigen Erzeugnissen beliefern.
Automatische Arbeitsprozesse.
In der „Smart Factory“ (intelligenten Fabrik) läuft ein Großteil der Prozesse entsprechend den Produktionszielen ab, die bei Bedarf auch rasch umgestellt werden können. Wesentliche Elemente, die den reibungslosen Ablauf garantieren, sind Navigations- und Leitsysteme. Der Mensch übt in diesem Gefüge eine Kontrollfunktion aus, die mechanische Wartungs- und Reparaturarbeiten ebenso einschließt, wie Softwareupdates und das Einspielen neuer Funktionsprogramme. Um komplexe Arbeitsprozesse problemlos umzusetzen, müssen diese vorher durch Simulationen getestet werden. „Was passiert jedoch, wenn ein Roboter im Produktionsgefüge Fehlleistungen erbringt und beispielsweise falsche Materialen zu bestimmten Produktionsmodulen bringt? Wie sicher ist die Situation nun für einen Menschen, einen Techniker, der den Roboter vor Ort reparieren muss?“, hinterfragte Automatisierungsspezialist Malisa. Es müsse Sicherheitsvorkehrungen geben, die im Falle eines teilweisen oder gänzlichen Produktionsausfalles umgesetzt werden und Mitarbeiter des Betriebes gefahrlos zu den Maschinen kommen und an ihnen arbeiten.
Sicherheit für Bedienstete.
Die Technologien für den Mitarbeiterschutz sind vielfältig. Anzüge mit Sensoren, die dem Träger von Informationen über das Umfeld sowie auch rechtzeitig über Gefahrensituationen vermitteln, werden bereits eingesetzt, ebenso virtuelle Brillen, die einen Mitarbeiter, der sich in einer Gefahrenzone befindet, mit wichtigen Daten und Fakten versorgt. „Der Mensch muss immer im Mittelpunkt stehen. Die Technik ist zwar da, soll aber gezielt eingesetzt werden“, bekräftigte Viktorijo Malisa.
Arbeitsplatz im trauten Heim.
Eine neue Form der Leistungserbringung von Menschen in einem Arbeitsverhältnis kristallisierte sich während der Covid-19-Pandemie heraus: Homeoffice oder Telearbeit. Ein Begriff, der an sich nicht neu ist und in den USA bereits ein Beschäftigungsmodell war, das erst Jahre später auch in Deutschland praktiziert wurde. Im Wesentlichen bleibt die Arbeit von zu Hause aus ein Leis tungsmodell, das sich für viele Arbeitgeber und -nehmer rechnet. Für den Arbeitgeber entfallen Kosten, begonnen von Büromieten bis zur Einsparung von Strom und verschiedenen Sozialleistungen. Der Arbeitnehmer kann sich die Zeit in der er seine berufliche Tätigkeit vollbringt, frei einteilen.
Chancen und Risken.
Noella Edelmann ist an der Universität für Weiterbildung in Krems im Departement für E-Governance in Wirtschaft und Verwaltung als Senior Scientist tätig. In ihrem Vortrag „Wirtschaftspsychologische Sicht“ – Erwartungen der Mitarbeiter an die digitale Arbeitswelt – Herausforderungen für die Führung?“ setzte sich die Wissenschaftlerin mit dem vielschichtigen Thema der mobilen Arbeitswelt auseinander. Diese bietet für die Organisationsentwicklung Betrieben viele Chancen, wie Arbeitsleistungen sowohl für die Bediensteten der Unternehmen aber auch für die Entscheidungs- und -Verantwortungsträger gewinnbringend umgesetzt werden können. Neben den rechtlichen Rahmenbedingungen wirft auch der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) Fragen auf, in welchen Bereichen und in welchem Umfang diese zum Einsatz kommen soll und dürfen. Im Modell „New Ways of Working“ (NWW) werden grundsätzlich keine Vorgaben hinsichtlich zeitlicher und räumlicher Bedingungen bezüglich eines Arbeitsverhältnisses gemacht. Wesentlich bei diesem Modell ist eine mannigfaltige Einbindung der Mitarbeiter vor allem in den Bereichen Planung, Umsetzung sowie Evaluation.
Digitalisierung militärischer Informationsbereiche.
Die elektronische Verarbeitung und Übermittlung von Daten und Informationen der Landesverteidigung gehören zu den sensibelsten Ebenen innerhalb der staatlichen Verwaltung. Die Präsentation „Digitalisierung: Human-centered in der Führungsausbildung und Einsatzvorbereitung“ von Johannes Göllner und Clemens Strauß bot Einblick, wie in der Zentraldokumentation der Landesverteidigungsakademie des Bundesministeriums für Landesverteidigung Fachinformationen für alle Dienststellen aufgearbeitet werden. Zu den wesentlichen Aufgaben gehören der Auf- und Ausbau interner Datenbanken sowie die Umsetzung eines Fachthesaurus, in dem fachrelevante Begriffe verbunden werden, um damit Ausbildungsunterlagen zu spezifischen Inhalten zu erarbeiten. In diesem Zusammenhang werden auch Anwendungsmethoden mitentwickelt.
Einblicke in die militärisch-wissenschaftliche Arbeit.
Moderne Such- und Analysetechnologien professionalisieren den Umgang mit verschiedenen Wissensgebieten, die für die Erkennung und Darstellung von Bedrohungslagen eine wichtige Grundlage bildet. Die Vielschichtigkeit der Gefahren, mit der auf digitaler Ebene staatliche Sicherheitsstrukturen konfrontiert werden können, bedingen die Ausbildung von IT-Spezialisten und Analytikern, die im Bedarfsfall Entscheidungsgrundlagen liefern müssen. Mit dem Cyber-Dokumentations- und Forschungszentrum verfügt das Bundesheer über eine Dienststelle, die sich auf die Erkennung und Abwehr digitaler Angriffe auf Behörden und Repräsentanten der Republik Österreich spezialisiert hat.
Der Informationsvorteil bei Bedrohungen.
Das Wissensmanagement hat einen hohen Stellenwert. Der Einfluss technischer und wissenschaftlicher Innovationen stellt willkommene Herausforderungen für die Ausbildner als auch für die Auszubildenden auf allen Ebenen dar.
Johannes Göllner beschäftigte sich in seinem Teilvortrag einerseits mit der Durchführung einer bedarfsgerechten, angewandten Forschung und Entwicklung, einschließlich der Steuerung sowie Durchführung von Wissensmanagement-Projekten und andererseits mit den Aufgaben im Bereich des dokumentationsorientierten Wissensmanagements im Bundesheer einschließlich aller diesbezüglichen Projektportfolios seit dem Jahr 2008. Clemens Strauß befasste sich mit den Tätigkeiten des Institutes für Militärisches Geo-Wesen, in dem Informationsprodukte wie Karten und Geodaten für bestimmte Institutionen innerhalb des Bundesministeriums für Landesverteidigung. Die Erfassung und Bearbeitung der geografischen Lage, die militärstrategischen Anforderungen gerecht wird, bedeutet für deren Gestalter neben dem umfangreichen Know-how die ständige Bereitschaft der Wissenserweiterung einhergehend mit der Verwendung neuester digitaler Technologien.
„Dabei wurde festgehalten, dass die Arbeitswelt sich in einem unaufhaltsamen Wandel befindet. Es bleibt das oberste Gebot, kritisch zu hinterfragen, gemeinsam, Mensch mit Maschine, zu agieren“, fasste die wissenschaftliche Leiterin der Konferenz Ingeborg Zeller zusammen.
Die 22. Sicherheitskonferenz Krems ist bereits in Planung und wird am 23. Oktober 2024 stattfinden. Weitere Informationen dazu finden sich unter – www.donau-uni.ac.at/sicherheitskonferenz .
Michael Ellenbogen
Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 1-2/2024
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