Verkehrsrecht
Straßenverkehr und Recht
Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs zu den Themen Ausnahmebewilligung für zeitlich uneingeschränktes Parken in Kurzparkzonen, Befristung der Lenkberechtigung nach gehäuftem Suchtmittelmissbrauch sowie Prüfung der Zuverlässigkeit für wiederkehrende Begutachtungen (§ 57a KFG 1967)
Ausnahmebewilligung für Kurzparkzonen
Der Magistrat der Stadt Wien versagte der späteren Mitbeteiligten eine Ausnahmebewilligung für ein zeitlich unbeschränktes Parken in Kurzparkzonen (§ 45 Abs. 4 StVO) für Wien-Leopoldstadt („Parkpickerl“) in Bezug auf ihr in Deutschland zugelassenes Fahrzeug. Er begründete dies damit, dass die Mitbeteiligte zwar sowohl in Wien-Leopoldstadt als auch in Deutschland über einen Wohnsitz verfüge. Angesichts ihres Arbeitsortes in Deutschland und der Auslandszulassung des Fahrzeugs habe sie ihren Lebensmittelpunkt entgegen § 45 Abs. 4 StVO aber nicht im parkraumbewirtschafteten Bezirk. Einer Ausnahmebewilligung stehe zudem entgegen, dass die Verwendung des im Ausland zugelassenen Fahrzeugs in Österreich unzulässig ist, denn entgegen § 82 Abs. 8 KFG 1967 sei es schon seit mehr als einem Monat ohne Vornahme einer inländischen Zulassung in Österreich eingebracht gewesen.
Das Verwaltungsgericht Wien (VwG) gab der Beschwerde statt und erteilte die Ausnahmebewilligung. Gehe man von dem glaubhaften Vorbringen der Mitbeteiligten aus, dass sie sich an ihren beiden Wohnsitzen zu etwa gleichen Teilen aufhält und zwischen diesen pendelt, um dort ihren jeweiligen Erwerbstätigkeiten nachzugehen, so spreche nichts dagegen, auch für Wien-Leopoldstadt von einem Lebensmittelpunkt im Sinn des § 45 Abs. 4 StVO auszugehen. § 82 Abs. 8 KFG 1967 könne ihr nicht entgegengehalten werden, denn diese Bestimmung setze voraus, dass der Zulassungsbesitzer ausschließlich oder überwiegend im Inland seinen Wohnsitz nimmt, was bei der Mitbeteiligten gerade nicht der Fall sei. Die Revision des Magistrats war erfolgreich. Aus der Begründung des Verwaltungsgerichtshofs: § 45 Abs. 4 StVO verlangt, dass der Antragsteller erstens seinen Wohnsitz und zweitens den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen im jeweiligen parkraumbewirtschafteten Gebiet hat, und geht davon aus, dass stets nur ein Mittelpunkt von Lebensinteressen existieren kann. Der Magistrat hat sowohl den Arbeitsort in Deutschland als auch die Auslandszulassung als Anhaltspunkte dafür gewertet, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen außerhalb der Leopoldstadt liegt. Diesen Erwägungen ist die Mitbeteiligte nie entgegengetreten. In Verkennung des § 45 Abs. 4 StVO geht das VwG nun davon aus, dass mehrere – hier: zwei – Lebensmittelpunkte vorliegen können und demgemäß die Kriterien für eine Ausnahmebewilligung nach § 45 Abs. 4 StVO erfüllt seien. Damit belastet es das Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit.
Soweit sich der Antrag der Mitbeteiligten auch auf jene Verkehrsflächen bezog, die die Gemeinde Wien im eigenen Wirkungsbereich verwaltet, war das VwG zur Entscheidung über die Beschwerde nicht zuständig. Da die StVO den innergemeindlichen Instanzenzug in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinde nicht ausschließt, wäre vor einer Beschwerde an das VwG eine Berufung an den Wiener Berufungssenat zu erheben gewesen.
Wegen der primär aufzugreifenden inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses kam es auf diese Zuständigkeitsfrage allerdings nicht mehr an.
VwGH 2023/02/0004
15.6.2023
Befristung der Lenkberechtigung
Gemäß § 24 Abs. 1 Z 2 des Führerscheingesetzes (FSG) iVm § 14 Abs. 5 der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung (FSG-GV) befristete das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) dem Lenker eines Kraftfahrzeugs dessen Lenkberechtigung im Rechtsmittelweg mit der Auflage, dass er der Führerscheinbehörde innerhalb bestimmter Fristen zwei Haarproben abzugeben, eine fachärztliche psychiatrische Stellungnahme vorzulegen und überdies eine amtsärztliche Nachuntersuchung zu absolvieren hatte.
Dies begründete das LVwG damit, dass im Dezember 2021 eine beim Lenker bei einer Lenkerkontrolle durchgeführte Blutuntersuchung auf einen länger zurückliegenden Cannabiskonsum und eine abklingende Cannabiswirkung habe schließen lassen. Sodann habe eine im Jänner 2022 vorgenommene Haaranalyse gelegentlichen Kokainkonsum und eine „gelegentliche, mitunter einmalige“ Einnahme von Midomafetamin (MDMA) ergeben. Eine weitere Haaranalyse vom Juni 2022 habe keinen Nachweis von Kokain oder Cannabis mehr erbracht. Obwohl der Lenker, so das LVwG in der Begründung, seinen schädlichen, der Lenkeignung jedenfalls abträglichen Suchtmittelkonsum inzwischen glaubhaft beendet habe, sei in seinem kürzlichen Konsumverhalten ein gehäufter Missbrauch von Suchtmitteln zu erblicken. Gemäß § 14 Abs. 5 FSG-GV habe dies die Befristung der Lenkberechtigung zur Folge.
Die Revision des Lenkers war erfolgreich. Aus der Begründung des Verwaltungsgerichtshofs: Gemäß § 14 Abs. 5 FSG-GV ist Personen, die alkohol-, suchtmittel- oder arzneimittelabhängig waren oder damit gehäuften Missbrauch begangen haben, eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 nur nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen befristet zu erteilen oder wiederzuerteilen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs gilt § 14 Abs. 5 FSG-GV sinngemäß, wenn – wie hier – die Einschränkung einer bereits erteilten Lenkberechtigung in Frage steht. Hat ein Lenker demnach in jüngerer Vergangenheit gehäuften Suchtmittelmissbrauch getrieben, so ist ihm seine Lenkberechtigung nur unter der Auflage – näher zu präzisierender – ärztlicher Kontrolluntersuchungen und nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme befristet zu belassen.
§ 14 Abs. 5 FSG-GV setzt einen häufigen Suchtmittelmissbrauch binnen relativ kurzer Zeit voraus. Ein bloß gelegentlicher, wenn auch wiederholter Missbrauch genügt dafür nicht. Die Feststellungen des LVwG Oberösterreich, denen zufolge der Lenker „mehrmals“ und „wiederholt“ bestimmte näher genannte Suchtmittel missbraucht habe, sind zu unbestimmt, um von einem gehäuften Suchtmittelmissbrauch im Sinn des § 14 Abs. 5 FSG-GV ausgehen zu können. Dafür wären vielmehr konkrete Feststellungen zu Zeitraum, Frequenz und Menge des Suchtmittelkonsums des Lenkers nötig gewesen. Da das angefochtene Erkenntnis solche Feststellungen vermissen lässt und dennoch eine Befristung der Lenkberechtigung gemäß § 14 Abs. 5 FSG-GV ausspricht, war es wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
VwGH Ro 2023/11/0002
13.3.2023
Zuverlässigkeit für Begutachtungen
Eine Transportunternehmens-GmbH mit etwa 300 Mitarbeitern und etwa 400 eigenen Kraftfahrzeugen beantragte die Erteilung einer Ermächtigung zur wiederkehrenden Begutachtung von Fahrzeugen gemäß § 57a Abs. 2 des Kraftfahrgesetzes (KFG) 1967.
Die Landeshauptfrau von Niederösterreich wies den Antrag ab, weil der GmbH mit Blick auf 32 verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen ihres handelsrechtlichen Geschäftsführers die für solche Begutachtungen nötige Vertrauenswürdigkeit fehle. Die Vormerkungen betrafen größtenteils Übertretungen sozialversicherungs-, straßenverkehrs-, kraftfahr- und ausländerbeschäftigungsrechtlicher Vorschriften in den letzten sechs Jahren.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) wies die hiergegen erhobene Beschwerde ab. Es ging davon aus, dass die GmbH künftig überwiegend ihre eigenen Fahrzeuge begutachten wolle. Ein nach § 57a Abs. 2 KFG 1967 Ermächtigter übe indessen Hoheitsgewalt gegenüber dem Zulassungsbesitzer des zu begutachtenden Fahrzeugs aus. Dies bedeute, dass Ermächtigter und Zulassungsbesitzer voneinander verschieden sein müssen und einem Antragsteller nicht die Ermächtigung zur wiederkehrenden Begutachtung eigener Fahrzeuge erteilt werden kann. Bereits deshalb sei die Ermächtigung zu versagen; auf den Einwand der GmbH, die verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen ihres handelsrechtlichen Geschäftsführers hätten auf die Vertrauenswürdigkeit keinen Einfluss, weil ohnehin ein gewerberechtlicher Geschäftsführer die Begutachtungen abwickeln werde, sei daher nicht näher einzugehen.
Die GmbH erhob außerordentliche Revision, weil zu der vom LVwG als entscheidungswesentlich behandelten Frage, ob der nach § 57a Abs. 2 KFG 1967 Ermächtigte und der Zulassungsbesitzer des zu begutachtenden Fahrzeugs voneinander verschieden sein müssen, Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle. Die Revision hatte keinen Erfolg. Aus der Begründung des Verwaltungsgerichtshofs:
Ein Antragsteller ist im Sinn des § 57a Abs. 2 KFG 1967 vertrauenswürdig, wenn die Kraftfahrbehörde fallbezogen davon ausgehen kann, dass er seine Aufgaben entsprechend dem Schutzzweck des Gesetzes – nämlich sicherzustellen, dass nur verkehrs- und betriebssichere sowie nicht übermäßig emissionsgeneigte Fahrzeuge am Verkehr teilnehmen – erfüllen wird. Bei juristischen Personen ist die Vertrauenswürdigkeit des Vertretungsorgans, bei einer GmbH also die Vertrauenswürdigkeit des handelsrechtlichen und nicht des gewerberechtlichen Geschäftsführers maßgeblich.
Angesichts der Vielzahl an aktenkundigen, während eines noch nicht lang zurückliegenden Zeitraums begangenen Verwaltungsübertretungen des handelsrechtlichen Geschäftsführers ist es eindeutig, dass die GmbH, die er vertritt, nicht vertrauenswürdig ist. Von der Lösung der Rechtsfrage, ob ein nach § 57a Abs. 2 KFG 1967 Ermächtigter und der Zulassungsbesitzer des Fahrzeugs voneinander verschieden sein müssen, hängt die Revision somit nicht ab. Sie war daher als unbegründet abzuweisen.
VwGH Ra 2022/11/0025
23.2.2023
Bernhard Krumphuber
Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2023
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