Europäische Union
Zentrales Entscheidungsgremium
Der Rat für Justiz und Inneres (JI-Rat) der Europäischen Union beschäftigt sich mit den Angelegenheiten des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, der im AEU-Vertrag vorgesehen ist.
Oft liest man in den Medien Schlagzeilen wie: „EU-Innenminister beraten sich in Brüssel“, „EU-Innenminister debattieren über Asyl und Migration in Brüssel“, „EU-Innenminister: Zehn-Punkte-Plan für Flüchtlingskoordination“. Was sich auf den ersten Blick nach einer hochrangigen Konferenz anhört, ist eines der wichtigsten Gremien der Europäischen Union. Gemeinsam mit dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission entscheidet der Rat „Justiz und Inneres“ (JI-Rat) über die Legislativvorschläge der Europäischen Union in den Bereichen Justiz, Migration und Sicherheit.
Der Rat „Justiz und Inneres“ tagt mindestens sechsmal im Jahr, davon zweimal in Luxemburg, zweimal in Brüssel und zweimal in jenem EU-Mitgliedstaat, der gerade im halbjährlichen Zyklus den Ratsvorsitz innehat (informelles Treffen der Ministerinnen und Minister für Inneres und Justiz). Verlangen es die politischen Gegebenheiten, obliegt es dem Ratsvorsitzland, sogenannte Sonderräte, kurzfristig einzuberufen. Dies war zum Beispiel zur Beratung angesichts der russischen Aggression gegen die Ukraine im Februar 2022 der Fall.
Eine Tagung ist meist in den Teil „Justiz“ und den Teil „Inneres“ unterteilt. Österreich wird in diesem Gremium beim Teil „Inneres“ von Innenminister Gerhard Karner vertreten. Doch bevor er beim Doorstep in Brüssel sein Statement abgibt und die österreichische Position zu den jeweiligen Tagesordnungspunkten vertritt, absolviert das EU-Team der Abteilungen V/A/3 (EU- und internationale Angelegenheiten) und V/A/5 (Migrationsangelegenheiten EU und Internationales) des BMI einige der heißesten Arbeitswochen im Jahr.
Tagesordnung.
Einige Wochen vor dem Rat wird die Tagesordnung veröffentlicht. Aus der Tagesordnung ist ersichtlich, welche Fachabteilungen im BMI von den Themen betroffen sind und dass deren Input für die Vorbereitung der österreichischen Positionierung maßgeblich sein wird. Zu den jeweiligen Tagesordnungspunkten bereitet der Vorsitz in der Regel ein Hintergrundpapier vor. Dieses soll die Diskussionen unterstützen und enthält meistens entsprechende Fragen an die Ministerinnen und Minister.
Organisatorische Vorbereitungen.
Angefangen von frühestmöglichen Flugreservierungen und -buchungen, über Check-ins, Hotelreservierungen, Erstellung eines Ablaufplans bis hin zum Druck der Mappen für die Delegation – alles wird teils unter großem Druck und zu später Stunde vom EU-Team erledigt. Dazu kommen viele andere organisatorische Details. Jede und jeder im Team helfen zusammen und unterstützen einander, um einen reibungslosen Ablauf zu garantieren.
Sprechnotizen.
Zu jedem beim Rat behandelten Thema bereitet die Abteilung V/A/3 eine Unterlage vor. Diese enthält einen Wortmeldungsvorschlag (oder die Sprechnotiz) sowie detailreiche Hintergrundinformationen. Die Unterlage soll dem Innenminister die Vorbereitung für den Rat erleichtern und auf einen Blick ermöglichen, sich im Thema wiederzufinden und die wichtigsten Positionierungen der Fachabteilungen bzw. anderer Ressorts zusammenzuführen. Der Wortmeldungsvorschlag, der zugleich die österreichische Positionierung darstellt, wird auf Basis des Inputs der Fachabteilungen erstellt.
Eine der Besonderheiten der Ministersprechnotiz ist die Zwei-Zeilen-Regel: ein Satz sollte aus nicht mehr als zwei Zeilen bestehen. Der Grund liegt darin, dass die Redezeit der Ministerinnen und Minister beim Rat auf maximal drei Minuten pro Tagesordnungspunkt beschränkt ist. Es ist daher notwendig, das Wichtigste in Kürze und auf übersichtliche Weise vorzubringen. Die Erstellung der Sprechnotiz nach der Zwei-Zeilen Regel kann herausfordernd sein – vor allem, wenn es um komplizierte technische Themen geht. Genau das ist die Kunst, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abteilung V/A/3 beherrschen: komplizierte und politisch sensible Themen kurz, einfach und verständlich darzustellen. „Jede Ministersprechnotiz ist das Gesicht der Abteilung“, lautet das Credo der V/A/3.
Interministerielle Besprechungen und Botschafterbriefing.
Damit auch alle anderen Ressorts über die beim Rat geplanten Positionierungen informiert werden und ihren Input geben können, organisiert die Abteilung V/A/3 interministerielle Besprechungen. Bei diesen werden die Themen des Rates kurz vorgestellt und Fragen anderer Ministerien beantwortet sowie deren Input in der Sprechnotiz berücksichtigt. Auch die anderen EU-Mitgliedstaaten sind an den österreichischen Positionen interessiert. Aus diesem Grund lädt die Abteilung V/A/3 auch die Botschafterinnen und Botschafter der EU-Mitgliedstaaten in Wien zu einem Briefing ein.
Die Augen des Innenministeriums in Brüssel.
Bei der Vorbereitung eines Rates ist es notwendig, über die Pläne des Ratsvorsitzes informiert zu sein. Manchmal gibt es kurzfristige Änderungen der Tagesordnung oder des Ablaufplanes des Rates. Auf diese muss rasch reagiert werden. Das BMI-Büro in Brüssel ist ein Bindeglied zu den EU-Akteuren wie dem Ratsvorsitz oder der Europäische Kommission. Die „Brüsseler sind die Augen der Abteilung V/A/3 vor Ort. Sie versorgen die „Wiener“ mit den aktuellsten Informationen aus der Hauptstadt der Europäischen Union. Die „Brüsseler“ übernehmen einen beträchtlichen Teil der Vorbereitungen der Räte im ständigen Austausch mit der Abteilung V/A/3, die Begleitung und Betreuung der Ministerdelegation beim Rat selbst und sind auch für die Berichterstattung nach Wien zuständig. Ein gutes Zusammenwirken zwischen Wien und Brüssel ist ein Muss, damit ein Rat gut über die Bühne geht.
Bilaterale Termine.
Der Rat bietet auch die Möglichkeit für Innenminister Gerhard Karner, sich mit seinen Amtskolleginnen und Amtskollegen in bilateralen Gesprächen auszutauschen. Es werden dabei bilaterale Anliegen besprochen, aber auch die Positionierungen zu den Themen des Rates ausgetauscht und abgestimmt. Immerhin werden bei den Räten auch wichtige Rechtsakte verhandelt, sodass es gut ist, Verbündete („Like-Mindeds“) zu haben. Mit Unterstützung der Brüsseler Kolleginnen und Kollegen koordiniert und bereitet die Abteilung V/A/3 die bilateralen Termine des Innenministers bei einem Rat vor. Zudem wird ein detaillierter Ablaufplan für den Rat erstellt.
Nach dem Rat ist vor dem Rat.
Geht der Rat vorbei, wird er nachbereitet. Das BMI-Büro in Brüssel kümmert sich um die Verfassung eines Berichtes. Dieser wird hausintern und interministeriell versendet. Auch die Öffentlichkeit muss informiert werden. Als Mitglied der Bundesregierung berichtet Innenminister Gerhard Karner gemeinsam mit Justizministerin Alma Zadić über den Rat „Justiz und Inneres“ an den österreichischen Ministerrat. Dafür wird von der Abteilung V/A/3 ein Ministerratsvortrag vorbereitet, in dem kurz die Ergebnisse des Rates „Justiz und Inneres“ enthalten sind. Dieser ist auf der Homepage des Bundeskanzleramtes zu finden. Nach dem Rat beginnen die Vorbereitungen für das nächste Treffen der EU-Ministerinnen und Minister für Justiz und Inneres.
Yana Pfleger/Elisabeth Puchner
Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2023
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