Forum I/A
Erfolgreich Führen
Jeder kennt es, viele fürchten es: das Aufkommen von Angst. Kriminalpsychologe Thomas Müller plädierte in einem Vortrag am 14. März 2023 im Innenministerium für mehr Gelassenheit und Offenheit.
„Was ist wissenschaftlich nachgewiesen die größte Angst von Männern?“ Mit dieser Frage eröffnete Dr. Thomas Müller beim fünften BMI-Forum I/A, am 14. März 2023 seinen Vortrag zum Thema „Angst“ – und lieferte als Antwort: „Vor Publikum zu sprechen“. Völlig angstfrei, dafür umso herzlicher fiel das Eingangsstatement des Initiators des Forums, Gruppenleiter Dr. Wilhelm Sandrisser, aus. „Es freut mich besonders, dass Professor Thomas Müller seine Expertise zu diesem wichtigen Thema mit BMI-Führungskräften teilt, die auch an der Gestaltung des neuen BMI-Führungskräfteprogramms ,Erfolgreich Führen – Reflektieren, Erkennen, Weiterentwickeln‘ mitwirken. „Der Umgang mit Ängsten ist dabei aus meiner Sicht ein wichtiger Aspekt“, sagte Sandrisser.
Wissen ist Macht.
„Um dem Phänomen Angst die Giftzähne zu ziehen, ist es wichtig, seine Ängste zu kennen“, stellte Müller fest. Angst sei „überlebensnotwendig“ und weder gut noch schlecht. „Man braucht im Leben nichts zu fürchten, man muss nur alles verstehen“, zitierte der Kriminalpsychologe die verstorbene Nobelpreisträgerin Marie Curie und plädierte für eine interdisziplinäre Annäherung an das Thema. „Angst ist wie ein Spielball, den man drehen und von mehreren Seiten aus betrachten muss.“ Sie schütze uns vor „Unüberlegtheit“; wenn sie allerdings zu groß wird und uns hemmt, „muss man etwas dagegen tun“, sagte Müller. Einer breiten Öffentlichkeit ist er durch seine kriminalpsychologische Mitarbeit in den Fällen Jack Unterweger und des Briefbombenattentäters Franz Fuchs bekannt geworden.
Wichtig sei die Konfrontation mit den eigenen Ängsten. „Eine hemmende Angst entsteht nicht einfach von heute auf morgen, sie ist der Schlusspunkt eines Prozesses“, sagte Müller. Den größten Fehler, den man machen könne, sei, seinen Ängsten „aus dem Weg zu gehen“ und „unangenehme Situationen“ zu meiden. Als Beispiel führte der Buchautor und Vortragende Kinder von sogenannten Helikoptereltern an, die behütet aufwachsen. Ihnen würde in späteren Jahren das „psychologische Enzym“ fehlen, um mit Problemen umzugehen und sich Herausforderungen zu stellen. Das Resultat: Angst zu scheitern und Scham.
Angst vor der Angst.
„Scham spielt in diesem Kontext eine wichtige Rolle. Sie drückt uns nieder“, betonte Müller. Als Gegenrezept empfiehlt er, „sich anderen Menschen anzuvertrauen und offen über eigene Ängste zu sprechen“. „Wer nicht kommuniziert, empfindet Ungewissheit und diese führt zu Angst und oftmals zu Aggression“, sagte Müller. Darüber hinaus sei die „Objektivierung“ subjektiver Ängste durch Sachinformation ein entscheidender Faktor – „und damit meine ich nicht eine Anfrage an Dr. Google“. „Stellen Sie sich selbst die Frage, wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass meine Ängste in den kommenden 48 Stunden Realität werden?“, empfiehlt der Psychologe, der zu mehr Gelassenheit rät. „Es ist nicht die Tatsache, die uns Angst macht, sondern die Vorstellungen davon“, zitierte er den Stoiker Seneca.
Gelungene Kommunikation.
Was heißt das für potenzielle Führungskräfte? „Führen heißt kommunizieren“, bringt es Müller auf den Punkt. Führungskräfte müssten verstehen, wie wichtig Kommunikation sei und darin entsprechend geschult werden. Man müsse allerdings unterschiedliche Ebenen unterscheiden: Elektronische Formen wie E-Mails, WhatsApp oder Skype sind laut Müller „keine Kommunikation, sondern ein Informationsaustausch“. Darüber hinaus betonte der Experte, dass Geschwindigkeit auf Kosten der Qualität eines Gesprächs gehe. „Geben Sie als Führungskraft Mitarbeitern, die etwas brauchen, nie das Gefühl, keine Zeit für sie zu haben“, warnte Müller. Kommunikation setze eine wertschätzende Face-to-Face-Atmosphäre voraus. „Kommunizieren Sie, werten Sie nicht und haben Sie stets ein offenes Ohr für die Anliegen Ihrer Mitarbeiter“, gab Müller zum Abschluss seines Vortrags den Zuhörerinnen und -hörern mit auf den Weg.
Jürgen Belko
Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 5-6/2023
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