Forschungsprojekt
Die Exekutive während der NS-Zeit
Zum BMI-Forschungsprojekt „Die Polizei in Österreich: Brüche und Kontinuitäten 1938 – 1945“ fand am 24. Juni 2022 im Innenministerium ein Symposium mit Expertinnen und Experten statt. Intention des Projekts ist die Erforschung der Rolle der Exekutive während der NS-Diktatur.
Die Geschichte der österreichischen Polizei von 1938 bis 1945 war bis dato größtenteils unbekannt. In Schriftmaterial überging man üblicherweise diesen Zeitraum und schwieg so gut es ging. Das Forschungsprojekt „Die Polizei in Österreich: Brüche und Kontinuitäten 1938 – 1945“ wurde im Frühjahr 2021 im BMI initiiert, um die Rolle der Polizei und Gendarmerie im „Dritten Reich“ umfassend zu beleuchten und Klarheit in die vorher bestandene Ungewissheit zu bringen. Seitdem arbeitet ein internes Projektteam mit Historikern aus dem Fachzirkel für Exekutivgeschichte in Kooperation mit Forschungspartnern der Universität Graz, dem Ludwig-Boltzmann-Institut für Kriegsfolgenforschung, dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes und dem Mauthausen Memorial.
„Die Geschichte der österreichischen Polizei im Nationalsozialismus ist geprägt von zahlreichen menschlichen Schicksalen. Jenen von Tätern, Opfern und Mitläufern – wie auch in der restlichen Bevölkerung. Für eine Organisation, die wie keine andere in unserem demokratischen Rechtsstaat die Grund- und Freiheitsrechte zu gewährleisten hat, ist es daher von besonderer Bedeutung, sich mit ihrer Vergangenheit im nationalsozialistischen Terrorregime auseinanderzusetzen“, sagte Innenminister Gerhard Karner am Vorabend des Symposiums.
Dimensionen.
Das Symposium wurde mit der Absicht abgehalten, die Dimensionen des Forschungsfeldes unter Einbindung international renommierter Wissenschafterinnen und Wissenschafter abzustecken und Forschungsfragen für die weitere Aufarbeitung zu formulieren. Nach Statements des Projektleiters, Gerald Hesztera, und Barbara Stelzl-Marx von der Universität Graz wurde eine Podiumsdiskussion eröffnet. Daran nahmen unter Moderation von Gregor Holzinger vom Mauthausen Memorial weiters Gerhard Baumgartner vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes und Barbara Glück, Leiterin der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, teil.
Übergänge.
In Panels wurde das Forschungsthema beleuchtet. Im ersten Panel zum Thema „Polizei am Übergang zum Nationalsozialismus“, gab es Vorträge von Kurt Bauer zu „Exekutive und nationalsozialistischer Juliputsch 1934“, Gerald Hesztera sprach zum Thema „Zwischen Paralyse und Verbrechen: Die Polizei im März 1938“ und Erziehungswissenschafter Hans-Christian Harten zu „Weltanschauliche Schulung der Polizei im Nationalsozialismus“.
Mittendrin.
Im zweiten Panel stand das Thema „Polizei im Nationalsozialismus“ im Fokus. Mark Lewis vom College of Staten Island – The City University of New York – sprach über „The Viennese Police under Nazism 1938 – 1945“, Wolfgang Neugebauer von der Universität Wien zu „Die Gestapo Wien 1938 – 1945“, Vizeleutnant i. R. Professor Gernod Fuchs über „Die Polizeiorganisationen im ehemaligen Österreich“ und Dagmar Lieske von der Gedenkstätte Deutscher Widerstand Berlin über „Die ‚vorbeugende Verbrechensbekämpfung‘ der Kriminalpolizei und die Konstruktion des ‚Berufsverbrechers‘ im Nationalsozialismus“.
Ahndung und Abschluss.
Im dritten Panel „Nachkriegsjustiz und Umgang“ machte Claudia Kuretsidis-Haider den Einstieg mit „Polizeiangehörige und die justizielle Ahndung von NS-Verbrechen in Österreich“. Darauffolgend referierte Harald Knoll vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Kriegsfolgenforschung über die „Sowjetische Strafjustiz gegenüber ehemaligen Polizisten“. Dirk Götting, Direktor der Forschungsstelle für Polizei- und Demokratiegeschichte der Polizeiakademie Niedersachsen, berichtete über das Ausstellungsprojekt „Ordnung und Vernichtung – Die Polizei im NS-Staat“ als Medium des Wissenstransfers, wonach Florian Wenninger von der Universität Wien das wissenschaftliche Panel mit Fragen und Perspektiven interdisziplinärer Polizeiforschung abschloss.
„Die Ergebnisse dieses Forschungsprojekts werden nach dem Abschluss der Öffentlichkeit präsentiert. Wir setzen durch die Vorstellung des Forschungskonsortiums den ersten Schritt dazu“, sagte Gerhard Karner. Dieses Projekt sei zu wichtig, um dessen Ergebnisse „in einem vielleicht nie gelesenen Geschichtsbuch“ enden zu lassen, betonte er. Mit diesem Projekt möchte der Innenminister den Polizistinnen und Polizisten eine vorbildliche Ergänzung für ihre tägliche Arbeit bieten. Die Forschungsergebnisse werden in die Grundaus- und Fortbildung für sämtliche Angehörige der Polizei aufgenommen. Eine Wanderausstellung sowie eine invariante Ausstellung unterstützen neben einem Sammelband dabei, die Ergebnisse einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen und so einer erkenntnisreichen Aufarbeitung dienlich zu sein.
Nicole Felicitas Antal
Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2022
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