Kriminaltechnik
Grenzmengen bestimmen
Mitarbeiter des Referats Chemie der Kriminaltechnik im Bundekriminalamt analysieren jährlich Tausende Proben illegaler Suchtmittel. Ein Großteil davon entfällt auf die bekannten Suchtgifte wie Cannabis, Heroin, Kokain und Amphetamine.
In der Kriminaltechnik werden pro Jahr ca. 4000 Suchtgiftproben analysiert. Ein Großteil davon entfällt auf die bekannten Suchtgifte wie Cannabis, Heroin, Kokain und Amphetamine. Aufgrund der Analyse wird ein guter Überblick über durchschnittliche Gehalte und Konzentrationsbereiche der einzelnen Suchtgifte erhalten. Seit einigen Jahren werden die Daten der Suchtmittelkonzentrationen Staatsanwält/-innen und Richter/-innen in der österreichischen Richterzeitung zur Verfügung gestellt und diese können die Werte für ihre Arbeit nutzen.
Die Notwendigkeit zur Gehaltsbestimmung resultiert aus dem Suchtmittelgesetz. Darin wurden die Vorgaben der Suchtgiftkonvention umgesetzt und werden laufend angepasst. Zu den aufgelisteten Suchtgiften definierte das Gesundheitsministerium „Grenzmengen“ in der Suchtgift-Grenzmengenverordnung. Diese Grenzmengen beziehen sich auf die Reinsubstanz des Wirkstoffs. Somit ist es notwendig, den Gehalt eines Suchtgiftes (z. B. Kokain) in einem Gemenge zu bestimmen, um feststellen zu können, ob die Grenzmenge überschritten wurde und in welchem Ausmaß.
Grenzmengen.
Mit dem Wissen um die Konzentration eines Suchtmittels und der Masse kann die Menge an reinem Suchtmittel berechnet werden. Von der Überschreitung der Grenzmenge hängt es gemäß dem Suchtmittelgesetz ab, ob eine Vorbereitung zum Suchtgifthandel nach § 28, ein Suchtgifthandel nach § 28a oder ein unerlaubter Umgang mit Suchtgiften nach § 27 vorliegt. Aus diesem Grund sind die Werte für die Staatsanwälte/-innen und Richter/-innen interessant. Mit diesen Daten lässt sich abschätzen, ob bei einer Aufgriffsmenge die Grenzmenge überschritten werden kann. Diese Zahlenangaben werden auch herangezogen, um die Grenzmengenüberschreitung zu beurteilen, wenn kein physisches Material sichergestellt werden konnte, aber anderweitig eine Masse an Suchtmitteln abgeleitet wurde (z. B. durch Aufzeichnung, etc.). Auch bei polizeilichen Ermittlungen ist es oft notwendig, die möglichen Gehalte der Suchtmittel zu kennen, um die Wahrscheinlichkeit einer Grenzmengenüberschreitung abschätzen zu können.
Suchtgift |
Anzahl Proben |
Gehalt min in % |
Gehalt max in % |
Mittelwert in % |
Median in % |
Amphetamin |
238 |
0,42 |
73,24 |
15,66 |
10,23 |
Kokain |
506 |
0,14 |
95,73 |
59,00 |
64,01 |
Heroin |
761 |
0,12 |
57,09 |
16,32 |
12,35 |
MDMA |
159 |
0,82 |
76,81 |
39,28 |
34,88 |
Methamphetamin |
145 |
0,08 |
83,34 |
63,44 |
76,11 |
THC-Gesamt (Blüten) |
1348 |
0,04 |
68,40 |
9,72 |
10,65 |
THC-Gesamt (Harz) |
100 |
0,05 |
45,18 |
17,04 |
17,06 |
Suchtmittel-Untersuchungen 2021: Die Proben weisen eine hohe Spannweite auf.
Heroin dominiert in Wien.
Im Westen Österreichs, in Tirol und in Vorarlberg, machen die Proben an Amphetaminen ein Drittel der Gesamtmenge aus den jeweiligen Bundesländern aus. Währenddessen ist Wien bei den Heroinproben mit über einem Drittel der eingelangten Proben zur Untersuchung Spitzenreiter. Hier weicht die Anzahl an eingelangten Cannabisproben mit unter einem Drittel vom österreichweiten Gesamtschnitt ab. Auch die Hälfte aller Suchtmittelproben zur Untersuchung stammt aus Wien. Österreichweit sind die Hälfte der einlangenden Proben Cannabis. Die restlichen Drogenarten – Kokain, Heroin und Amphetamine – teilen sich die andere Hälfte jeweils annähernd zu einem Drittel.
Suchtgiftproben.
Im Bundeskriminalamt erfolgten 2021 24.000 Einzeluntersuchungen. Die Tabelle Seite 23 zeigt, dass die ans Referat Chemie im Bundeskriminalamt eingesendeten Proben eine hohe Spannweite haben. In vielen Bereichen finden sich Konzentration zwischen 0 und 80 Prozent. Aus diesem Grund ist der Mittelwert über all diese Proben nicht aussagekräftig. Ein besserer Wert, um die häufigste Konzentration abzuschätzen, ist der Median. Das ist jener Wert, der in der Mitte der Datenverteilung liegt. Das bedeutet, dass jeweils die Hälfte der Zahlenangaben unterhalb und oberhalb dieses Wertes liegt.
MDMA.
Bei den Auswertungen von MDMA fließen in die Angaben alle Daten ein, sowohl jene der Tabletten als auch der aufgegriffenen pulverförmigen Proben. Eine Auswertung der MDMA-haltigen Ecstasy-Tabletten gibt bei einer Probenmenge von österreichweit 71 Untersuchungsanträgen einen Minimumgehalt von 88,1 bis Maximum 204,9 mg MDMA pro Tablette. Der Mittelwert und der Median liegen bei 137,1 bzw. 141,6 mg MDMA pro Tablette. Bezüglich der durchschnittlichen Gehalte der Suchtmittel gibt es aus den Bundesländern kaum Abweichungen zu den für ganz Österreich angegebenen Werten. Einzig Oberösterreich sticht mit einem geringeren Durchschnittsgehalt bei Kokain mit 48,2 % (Median: 47,7 %) heraus. Aus einigen Bundesländern ist die Anzahl an übermittelten Proben bei manchen Suchtmitteln zu gering, um eine eigene Statistik führen zu können.
Suchtmittelsicherstellungen.
Am häufigsten sichergestellt wurden Cannabis, Heroin, Kokain und Amphetamine. Cannabis (Marihuana) ist eine pflanzliche Droge, die auch in Form von Pflanzenteilen, hauptsächlich der Blüten, konsumiert wird. Cannabis unterliegt der Suchtgiftverordnung, „wenn den Blüten- oder Fruchtständen das Harz nicht entzogen worden ist. Bei der Bestimmung des Gehalts an Tetrahydrocannabinol (THC) wird festgestellt, ob ein Suchtgift vorliegt. THC ist eine psychoaktive Substanz, die zu den Cannabinoiden zählt. Ausgenommen sind die Blüten- oder Fruchtstände jener Hanfsorten, die im gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten gemäß Artikel 17 der Richtlinie 2002/53/EG des Rates vom 13. Juni 2002, ABl. Nr. L 193/2002 S. 1, oder in der österreichischen Sortenliste gemäß § 65 Saatgutgesetz 1997, BGBl. I Nr. 72/1997, in der geltenden Fassung, angeführt sind und deren THC-Gehalt 0,3 % nicht übersteigt. Produkte aus Nutzhanfsorten, die im ersten Spiegelstrich angeführt sind, sofern der THC-Gehalt 0,3 % vor, während und nach dem Produktionsprozess nicht übersteigt und daraus nicht leicht oder wirtschaftlich rentabel Suchtgift in einer zum Missbrauch geeigneten Konzentration oder Menge gewonnen werden kann, sowie die nicht mit Blüten- oder Fruchtständen vermengten Samen und Blätter der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen“. Cannabis wird geraucht, oder in Keksen oder Kuchen eingebacken, da nur bei einer thermischen Behandlung die physiologische Wirkung entfaltet wird.
Kokain wird aus dem Koka-Strauch in einem aufwendigen Extraktionsprozess gewonnen. Über eine Salzbildung als Kokainhydrochlorid kann Kokain sehr sauber produziert werden. Reinheitsgehalte über 90 Prozent als Hydrochlorid sind häufig zu beobachten. Neben Kokain lassen sich andere Verunreinigungen aus der Kokapflanze wie Benzoylecgonin, Norcocain und Cinnamoylcocaine finden. Hochreine Kokaingemenge eignen sich gut für den Schmuggel, da die höchste Menge an Kokain in das geringste Gewicht/Volumen gepackt wird. Für den Weiterverkauf und Konsum werden oft andere Substanzen beigemischt, einerseits um die Gewinnspanne zu erhöhen, andererseits um das Dosieren für den Konsum zu erleichtern. Viele Suchtgifte wirken bereits in geringen Mengen, sodass sie in reiner Form schwer zu dosieren sind.
Streckmittel.
Häufige Streckmittel bei Kokain sind Lactose, Zucker und auch Lidocain. Lidocain ist ein Lokalanästhetikum. Bei einem schnellen Test des Aufbringens des Pulvers auf die Lippen oder Zahnfleisch könnte das eine bessere Qualität der Kokainmischung vortäuschen. Eine weitere Besonderheit ist die Beimengung des Entwurmungsmittels Levamisol, das nur für tierische Anwendungen zugelassen ist. Levamisol findet sich bereits in den hochreinen Kokaingemengen und wird offenbar in den Produktionsstätten beigegeben. Einer Studie der Medizinischen Universität Wien zufolge wandelt sich das Levamisol im Körper zu Aminorex um. Dieses löst kokain- und amphetaminähnliche Effekte aus, die etwas verzögert eintreten. Somit wird angenommen, dass Levamisol zugesetzt wird, um die Wirkung des Kokains zu verlängern. Kokain wird hauptsächlich geschnupft.
Heroin wird aus Mohn gewonnen. Das Morphin darin wird über chemische Synthesen zu Heroin (auch Diacetylmorphin) umgesetzt. Man spricht von teilsynthetischen Drogen. Üblicherweise finden sich in den Heroinproben Verunreinigungen aus der Mohnpflanze wie Codein, Morphin, Papaverin und Noscapin sowie Nebenprodukte der chemischen Synthese oder Abbauprodukte wie Monoacetylmorphin und Acetylcodein. Als Streckmittel werden Mischungen von Paracetamol und Koffein eingesetzt. Das Besondere daran ist, dass auch Lebensmittelfarben zugesetzt werden, damit die Mischung eine ähnliche bräunliche Färbung erhält wie die ursprüngliche konzentriertere Heroinmischung. Dadurch wird eine hohe Qualität suggeriert. Heroin wird hauptsächlich gespritzt.
Amphetamine, darunter fallen Methamphetamin und Methylendioxymethamphetamin (MDMA). Sie sind chemisch hergestellte Suchtmittel. Abhängig vom Syntheseweg finden sich Verunreinigungen und Nebenprodukte der Reaktionen in den Suchtmitteln. Das häufigste Streckmittel bei den Amphetaminen ist Lactose. Bei Amphetaminmischungen findet sich oft auch Koffein. Ein besonderes Streckmittel findet man in Methamphetamin. Das Salz von Methamphetamin, auch als Crystal bezeichnet, kann große, klare Kristalle bilden. Je intensiver die Kristallausbildung, desto eher nimmt man eine bessere Qualität an. Dimethylsulfon bildet ebenso klare Kristalle, die sich vom Crystal auf den ersten Blick nicht unterscheiden, und es wird deshalb immer wieder als Streckmittel zur Erhöhung der Gewinnspanne Methamphetamin zugegeben. In den letzten Monaten kam es immer wieder zu Produktwarnungen und Rückrufen von Moet Chandon Champagner. In einigen Flaschen wurde Ecstasy gefunden. Wie das flüssige Ecstasy in die Champganer-Flaschen gelangte, konnte von der Polizei noch nicht geklärt werden. Wenn aus den Amphetaminen noch keine Salze gebildet werden, sind diese Substanzen gelbliche, ölige Flüssigkeiten. Amphetamin und Methamphetamin werden meist geschnupft, manchmal geraucht. MDMA wird hauptsächlich in Tablettenform geschluckt. Bei den Ecstasy-Tabletten muss aufgepasst werden, da sich in diesen oft neue psychoaktive Substanzen finden.
Wolfgang Greibl
Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2022
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