Ausgabe 1/2020


Die Kölner Silvesternächte 2015-2018. Ein Praxisbericht zum Umgang der Kölner Polizei mit Gewalt durch Gruppen

Volltext (1,3 MB)  Zitation (2,6 KB) 

Carsten Dübbers

Wenige Ereignisse haben einen so starken kriminalpolitischen und gesellschaftlichen Einfluss gehabt wie die Kölner Silvesternacht 2015/2016. Die massenhaften und gemeinschaftlich begangenen Eigentumsdelikte, die zum Teil tateinheitlich mit sexuellen Übergriffen von Gruppen junger Männer mit nordafrikanischem oder arabischem Erscheinungsbild begangen wurden, haben den Blick auf den sexualstrafrechtlichen Schutz von Frauen und den Umgang mit Flüchtlingen aus dem nordafrikanischen und nahöstlichen Raum, insbesondere den sog. Maghreb-Staaten, gelenkt. Die Kölner Polizei stand wegen mangelnder Sensibilität für die Opfer und insbesondere wegen eines taktischen Versagens in der Kritik, wobei die justiziellen und parlamentarischen Untersuchungen den letzteren Vorwurf ausgeräumt haben. Im Folgejahr reduzierte die Kölner Polizei das Risiko für die Feiernden in der Silvesternacht 2016/2017 durch hohen Kräfteeinsatz, eine niedrige Einschreitschwelle und eine intensive Kontrolle unter den zahlreich angereisten Gruppen mit jungen Männern mit nordafrikanischem und arabischem Erscheinungsbild. Dies führte zusammen mit der Verwendung des Begriffs "Nafri" auf Facebook und Twitter zur Kritik des Polizeieinsatzes, insbesondere zum Vorwurf des "racial profling". Um die sich darbietenden grundsätzlichen Fragestellungen aufzuarbeiten und das Gesamtphänomen der Gewalt durch Gruppen zu erhellen, gründete das Polizeipräsidium Köln die "Arbeitsgruppe Silvester", welche mit Unterstützung wissenschaftlicher Experten den Umgang mit diesen Gruppen neu gestaltete. Dieser Artikel beleuchtet den praktischen Umgang der Kölner Polizei mit dem zu Silvester 2015/2016 aufgetretenen Gewaltphänomen und den Beitrag, den die Wissenschaft dazu leistete. Die wissenschaftliche Diskussion als solche soll nicht dargestellt werden. Als Quelle dienen, neben den diesem Format geschuldeten wenigen Literaturhinweisen, insbesondere eigene Erkenntnisse der Kölner Polizei.

zurück zur Übersicht


Haftbedingungen und Polizeiarbeit in Polizeianhaltezentren. Ergebnisse aus dem Projekt MOMA

Volltext (1,4 MB)  Zitation (2,8 KB) 

Katharina Miko-Schefzig, Veronika Hofinger, Cornelia Reiter, Walter Fuchs, Karin Sardadvar, Hannah Reiter

Polizeianhaltung ist eine österreichische Form der Haft, die in Polizeianhaltezentren (PAZ) vollzogen wird und bei der Polizistinnen und Polizisten die Angehaltenen betreuen und beaufsichtigen. Mit Verwaltungsstrafhaft, Schubhaft und Verwahrungshaft fallen gesellschaftlich höchst relevante Haftformen in den Bereich der Polizeianhaltung. Dennoch gibt es nur wenig Forschung, die sich mit dem Polizeianhaltewesen beschäftigt. Der vorliegende Beitrag präsentiert die Ergebnisse des KIRAS-Sicherheitsforschungsprojekts „MOMA – Modernes Management im Polizeianhaltewesen: Safe & Healthy Prisons“, umgesetzt vom Kompetenzzentrum für empirische Forschungsmethoden der Wirtschaftsuniversität Wien, dem Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie (IRKS) sowie dem Forschungsbüro queraum.kultur- und sozialforschung in Kooperation mit dem Bundesministerium für Inneres (BMI). In diesem Projekt wurde ein umfassendes Bild von der Situation in den Polizeianhaltezentren erarbeitet. Dabei wurden die Erfahrungen und die Sichtweisen der betroffenen Personengruppen, also Angehaltener einerseits und Beschäftigter andererseits, ins Zentrum gestellt. Die Ergebnisse zeigen, dass vor allem die Möglichkeit, miteinander zu kommunizieren sowie ein wechselseitiger respektvoller Umgang den Alltag im PAZ erleichtern. Wo Kommunikation erschwert ist sowie Respekt vermisst wird – so erleben es beide Gruppen in der Schubhaft –, ist der Alltag belastender und konflikthafter. Demgemäß stellt die Arbeit im PAZ hohe Anforderungen an kommunikative, soziale und personale Kompetenzen der Polizistinnen und Polizisten. Angehaltene belastet es vor allem, wenn sie keinen Sinn in der Anhaltung sehen, wenn sie ihre Situation als ungewiss erleben und ihnen die Bedürfniserfüllung im PAZ fremd ist. Dies nehmen Schubhäftlinge in weit größerem Maß wahr als Verwaltungsstrafhäftlinge. Dass pro Jahr weit mehr als doppelt so viele Haftepisoden in PAZ anfallen wie in der Justizhaft, unterstreicht die Bedeutung des hochkomplexen und herausfordernden Feldes des Polizeianhaltewesens.

zurück zur Übersicht


Die Entstehung von Blutspuren nach Kopfverletzungen. Gross, Piotrowski und der erste Schlag

Volltext (1,3 MB)  Zitation (1,3 KB) 

Silke M. C. Brodbeck

Die Entstehung von Blutspuren nach Kopfverletzungen zeigt alle möglichen Blutspurenmuster und ist multifaktoriell. Die frühesten systematischen Publikationen bzgl. Blutspuren finden sich bei Hans Gross (Gross 1893, 1) und Eduard Piotrowski (Piotrowski 1895, 2), wobei sich die Arbeit von Piotrowski gezielt mit Kopfverletzungen an Kaninchen beschäftigt. 126 Jahre nach der Arbeit von Hans Gross und 124 Jahre nach der Arbeit von Eduard Piotrowski muss mit der fortschreitenden Entwicklung der Blutspurenmusteranalyse und der Neurochirurgie eine erneute Betrachtung bzgl. der Fragestellung, wann und von welchen Faktoren abhängig Blutspuren in Fällen von Kopfverletzungen entstehen, erfolgen. Diesem Zweck dient diese Arbeit. 

zurück zur Übersicht


Pluralisierung lokaler urbaner Sicherheitsproduktion. Einblicke in das Forschungsprojekt PluS-i und erste Forschungsergebnisse am Beispiel des ehrenamtlichen Polizierens

Volltext (1 MB)  Zitation (1,8 KB) 

Nathalie Hirschmann, Frauke Reichl

Im folgenden Artikel wird das Forschungsprojekt "Pluralisierung lokaler urbaner Sicherheitsproduktion – interdisziplinäre Analysen für ein kontextadäquates, legitimes, effizientes und effektives plurales Polizieren (PluS-i)" näher vorgestellt. Das vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte fünfjährige Projekt befasst sich dabei aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen schwerpunktmäßig mit dem Thema des pluralen Polizierens. Um dem nach wie vor bestehenden negativen Klischee von der "Wissenschaft im Elfenbeinturm" entgegenzuwirken, sieht das Forschungsdesign einen regelmäßigen Erfahrungs- und Ergebnisaustausch mit der Praxis sowie einen praxisgerechten Wissenstransfer im fünften Projektjahr vor. In diesem Artikel werden deshalb neben der Projektvorstellung auch erste Ergebnisse vorgestellt, wobei auf die Ausgestaltung des ehrenamtlichen Polizierens in Freiwilligen Polizeidiensten und deren Auswirkungen auf polizeiliches Handeln fokussiert wird.

zurück zur Übersicht


Entwicklung der EU-Migrations- und Asylpolitik (2014-2019). Ein Beitrag basierend auf den Jahresberichten des Europäischen Migrationsnetzwerks (EMN) mit Fokus auf Österreich

Volltext (721,2 KB)  Zitation (1,9 KB) 

Saskia Heilemann

Dieser Beitrag zeigt ausgewählte Schritte in der Entwicklung der EU-Migrations- und Asylpolitik auf, die in den Zeitraum der "Juncker-Kommission" (2014-2019) und dessen Priorität einer "neuen Migrationspolitik" fallen. Ein besonderer Fokus liegt auf der beispielhaften Darstellung einzelner Maßnahmen der österreichischen Migrations- und Asylpolitik, die im Kontext der EU-Entwicklungen zu sehen sind. Es zeigt sich, dass die Juncker-Kommission bis Ende ihres Mandats 2019 im Bereich Rückkehr und der Sicherung der EU-Außengrenzen teilweise erfolgreich gewesen ist. Andere Vorhaben, wie die Schaffung von Solidarität bei der Aufnahme von Asylsuchenden und die Harmonisierung des Zuwanderungssystems für hochqualifizierte Arbeitskräfte, wiesen weniger Fortschritte auf. Im Bereich Rettung von Menschenleben wurden erste Schritte gesetzt. Der Beitrag kommt zu dem Schluss, dass es sowohl für die neue Europäische Kommission als auch die neue österreichische Regierung einige Ansatzpunkte gibt, wie sie die Migrations- und Asylpolitik weiter entwickeln können.

zurück zur Übersicht


Islamist and Right-Wing Extremist Propaganda. A literary analysis on the mechanisms and impact of violent extremist narratives online

Volltext (579,9 KB)  Zitation (2,3 KB) 

Victoria Steinek, Birgit Zetinigg

The fundamental aim of this article is to critically examine the mechanisms and impact of extremist propaganda on the Internet. This will be done by mapping the frames and identity concepts portrayed online as they occur in radicalization processes among individuals who are in some way engaged in Islamist and right-wing extremist scenes. A literature review will be conducted in order to provide a better understanding of ways in which narratives with an emphasis on violent extremism work, and why and to what extent they cause an impact on the target audience being exposed to extremist content on social media platforms. Taking into consideration a number of concepts and evidencebased studies from recent years, alleged parallels and differences between Islamist and right-wing extremist narratives in German-speaking countries will be discussed, including their key messages and media strategies of disseminating propaganda material and mobilizing potential members online. It will be argued that not only the inner workings and dynamics of co-existing narratives between these two forms of violent extremism share fundamental commonalities, but also reinforce and complement each other by promoting the sense of an enemy through the other group and giving credibility to their extremist narratives in the process. This analysis has been carried out by the authors in the context of the project DECOUNT ("Promoting democracy and fighting extremism through an online counter narratives and alternative narratives campaign"), which is funded by the European Union’s Internal Security Fund-Police.

zurück zur Übersicht


Führen in Krisenlagen. Die Grenzöffnung in Berlin 1989. Teil 2

Volltext (552 KB)  Zitation (2,7 KB) 

Peter Veleff

Vor 30 Jahren hatten höchste, mittlere und subalterne Führungskräfte der bewaffneten Sicherheitskräfte der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) – Polizei, Staatssicherheit, Nationale Volksarmee (NVA) und Grenztruppen – schwerwiegende Entscheidungen mit teils historischen Auswirkungen zu fällen. Während im ersten Teil dieses Beitrages (Veleff 2019) die rasch anschwellenden politischen Unruhen im Herbst 1989 im Vordergrund standen, die von den Entscheidungsträgern auf Bezirksebene mangels Instruktionen aus Berlin Entschlüsse von großer politischer Tragweite erforderten, werden im vorliegenden zweiten Teil Abläufe der Grenzöffnung in Berlin dargestellt. Auf sich alleine gestellte DDR-Grenzbeamte hatten unter dem Druck immer größerer Menschenansammlungen die Grenzübergänge zu Westberlin geöffnet. Die Beamten verfügten über keine diesbezüglichen Weisungen oder Handlungsanleitungen. Für ihre Dienstverrichtung galt damals der Befehl Nr. 11/89 des Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates (NVR) der DDR über Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung in den Bezirken der DDR, unterzeichnet vom neuen Generalsekretär Egon Krenz und damit gültig für alle Sicherheits- und Ordnungskräfte der gesamten DDR. Darin enthalten war ein grundsätzliches Verbot der Anwendung von Schusswaffen im Zusammenhang mit Demonstrationen und es bestand die Anweisung, ein allfälliges Eindringen von Demonstranten in das Grenzgebiet bzw. Grenzdurchbrüche durch Anwendung körperlicher Gewalt oder sonstiger geeigneter Mittel zu verhindern. Die Grenzöffnung in Berlin wird im vorliegenden Beitrag vor dem Hintergrund der Abläufe innerhalb des Führungsapparates der DDR dargestellt. Dies als Folge operativer Entscheidungen von auf der Straße eingesetzten Offizieren, die sich in außergewöhnlicher Lage durch die Sprachlosigkeit der politischen Staatsführung zu einem selbstständigen Handeln mit großer Tragweite veranlasst sahen. Dass es in jenen Tagen zu keiner Eskalation mit unabsehbaren Folgen kam, ist zahlreichen, überlegt handelnden Menschen, vom einfachen Demonstranten bis hin zu hohen Staatsfunktionären, zu verdanken.

zurück zur Übersicht