Ausgabe 4/2014


Demografische Alterung und Sicherheit.

Ausgewählte Aspekte eines aktuellen Themas

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Hanns Matiasek

Demografischer Wandel, d.h. die Veränderung der Bevölkerung in ihrer Zahl und Struktur, ist seit einigen Jahren auf der politischen, medialen und wissenschaftlichen Agenda. Auch Unternehmen und Organisationen identifizieren immer häufiger den demografischen Wandel, im Besonderen die zunehmende Alterung, als Herausforderung und adaptieren ihre Strategien, um "zukunftsfit" zu bleiben. Die Polizeibehörden bilden dabei keine Ausnahme. Demografischer Wandel und demografische Alterung weisen drei wesentliche Eigenschaften auf, die für Akteure, wie z.B. Unternehmen und Behörden, im Rahmen ihrer langfristigen Strategieentwicklung und Maßnahmenplanung einzukalkulieren sind: (1) Langfristigkeit: Demografischer Wandel als Phänomen ist nichts rasch "Vorübergehendes". Es handelt sich um eine Herausforderung mit profunden Auswirkungen, die sich auf Grund ihrer Natur über Jahrzehnte erstrecken und dabei stetig wachsen wird. (2) Abschätzbarkeit: Es handelt sich um eine Herausforderung, die – im Gegensatz zu den meisten anderen Herausforderungen, mit denen eine Organisation konfrontiert ist – hinsichtlich ihres Ausmaßes und ihrer Richtung langfristig mit verhältnismäßig großer Präzision abschätzbar ist. (3) Fehlende Steuerungsmöglichkeit: Darüber hinaus entzieht sich die demografische Entwicklung, wie auch andere Bereiche (Technologie, Kommunikation) in einer freien Gesellschaft zunehmend der staatlichen Steuerung. Der vorliegende Artikel zeigt wesentliche, möglicherweise auch weniger bekannte Eigenschaften der demografischen Alterung auf und gibt Hinweise auf die Bedeutung im polizeilichen Kontext. Daran anschließend wird der Themenkomplex der Sicherheit älterer Menschen, deren Sicherheitsgefühl sowie deren Furcht vor Kriminalität beleuchtet und der manchmal vergessene Einfluss des Faktors Gesundheit erörtert.

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„Lässig bleiben?!“

Respektlosigkeiten und Autoritätsverlust im Erleben von uniformierten Streifenpolizisten

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Ulf Bettermann

Wir sind es gewohnt, dass uns Polizisten im Fernsehen oder auf der Kinoleinwand immer wieder dadurch begeistern, dass sie mit besonderer Schlagfertigkeit, einer coolen Geste oder einem viel sagenden Blick den respektlosen Ganoven in seine Schranken weisen. Wir bewundern die verschiedenen Fernsehermittler dafür, dass sie für jede Provokation, die darauf abzielt, ihre Autorität in Frage zu stellen, die passende Antwort parat haben. Trotz ihrer unterschiedlichen Herangehensweisen – das Ergebnis in den Krimis bleibt immer das gleiche: Der schlagfertige Kommissar schafft es mit einer schnellen, zumeist witzigen Erwiderung die ambivalente Situation aufzulösen – sein stets souveränes Auftreten ermöglicht ihm einen angemessenen, legalen Umgang mit der Grauzone der straflosen Provokation, die sich zumeist in einer unmittelbaren Respektierung seiner Person und Funktion widerspiegelt. Wie schwer ist es aber, in der Realität diesen Zustand zu erreichen? Wie leicht ist es für den "echten" Polizeibeamten, lässig zu bleiben? Was passiert, wenn der Bürger versucht, den Beamten lächerlich zu machen, ihm unverhohlen die Autorität aberkennt, ohne dabei die Schwelle zur Straftat zu überschreiten? Uniformierte Streifenpolizisten werden bei der Verrichtung ihres Dienstes mit den unterschiedlichsten Situationen konfrontiert, die häufig durch eine hohe Emotionalität der Betroffenen gekennzeichnet sind. Souveränität im Umgang mit diesen Ausnahmesituationen, insbesondere unter dem Vorzeichen des unbeteiligten Dritten, erfordert die Zubilligung einer Problemlösungskompetenz, aber auch die Anerkennung der Polizei als ein offizielles, weisungsbefugtes Korrektiv. Innerhalb der hier vorgestellten Forschungsarbeit sollte untersucht werden, welche Wirkung Respektlosigkeiten auf Schutzpolizisten der Landespolizei Hamburg haben, insbesondere ob es dabei zu einem empfundenen Autoritätsverlust bei den Befragten kommt.

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Einbruchdiebstahl und Desistance – gesagt, getan

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Martin Kitzberger

Einbruchdiebe weisen neben Begehern von anderen Eigentumsdelikten laut Hellfelddaten höchste Rezidivraten auf. Im Sinne der kriminologischen Rückfallforschung wird in dieser qualitativ-empirischen Studie untersucht, warum Einbrecher, als Repräsentationsgruppe für primär nicht-expressiv-gewalttätige Eigentumsdelinquenten (ebenso wie Diebstahl, Betrügerei, Hehlerei u.a.), ein derartig persistentes deviantes Verhalten zeigen. Deshalb wurde auf Verläufe von inhaftierten und entlassenen österreichischen Mehrfacheinbruchdieben fokussiert, auch weil Einbruchdiebstähle in Österreich im letzten Jahrzehnt unverhältnismäßig stark zugenommen haben, auf hohem Niveau stagnieren, die Aufklärungsquote niedrig ist und betroffene Opfer oftmals psychosozialer Hilfe bedürfen. Die Auswertung erfolgte gemäß der Grounded Theory. Mit Blick auf eine praxisorientierte Rückfallprävention konnten mehrere abgrenzbare Problembereiche, die Rückfälligkeit begünstigen, evaluiert werden. Eine wichtige Erkenntnis ist, dass die Täter – trotz massiver Probleme – von sich aus wenig Veränderungswillen verspüren, dazu neigen, ihre Probleme zu bagatellisieren und zu verleugnen. So bleiben wesentliche psychosoziale Maßnahmen in Bezug auf einen möglichen Desistance-Prozess (Resozialisierung im umfassenden Sinne), der bereits während der Haft starten müsste und eines stringenten Fortgangs bedürfte, bei dieser großen Delikt- und Rückfallgruppe in der Regel aus. Dies ist problematisch, weil, wie gezeigt werden kann, Desistance ein stark dynamischer Prozess mit vielen Facetten ist und somit gut flankiert gehörte. Die aktuell hohe Anzahl an Eigentumsdelinquenten in Haft sowie die hohe Rückfallsrate dieser Klientel würden verlangen, so die Haupthypothese, dass auch für diese Tätergruppe (wie für Sexual- und Gewaltstraftäter, Jugendliche, Drogenabhängige oder psychisch kranke Täter) ein systematisches Desistance-Management in der Haft und ein ebensolches in der Nachsorge betrieben wird.

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Korruptionsrisiken in der niedersächsischen Polizei

Vom Wissen, Wollen und wissen wollen – eine repräsentative Dunkelfeldstudie

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Ruth Linssen, Ilka Kammigan, Hartmut Pfeiffer

Seit 2011 wird innerhalb einer Kooperation der Fachhochschule Münster mit der Kriminologischen Forschungsstelle (KFSt) im LKA Niedersachsen das Phänomen Korruption in der Polizei untersucht. Ziel des Forschungsprojekts ist die Ausweitung der Prävention z.B. durch verbesserte Aus- und Fortbildungsangebote innerhalb der Polizei. Korruptionsprävention staatlicher Organisationen ist gesellschaftspolitisch wichtig, besonders für die Polizei als sichtbarer und einschreitender Teil der Staatsgewalt. Die Polizei genießt als Institution nach dem Verfassungsgericht das höchste Vertrauen unter den Bürgern. Deshalb wird folgerichtig innerhalb der Polizei dem Thema Korruption und ihrer Prävention auf Bundes- und Landesebene große Aufmerksamkeit gewidmet. Fast jede größere Behörde hat inzwischen Anti-Korruptionsrichtlinien oder -einrichtungen.

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Polizei und Jugendliche in multiethnischen Gesellschaften

Ergebnisse einer vergleichenden Jugendbefragung in deutschen und französischen Großstädten

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Dietrich Oberwittler, Anina Schwarzenbach

Das deutsch-französische Forschungsprojekt POLIS ("Police and Adolescents in Multi-Ethnic Societies") untersucht das Verhältnis zwischen Polizei und Jugendlichen in deutschen und französischen Großstädten auf der Basis systematischer, empirischer Erhebungen, um den Ursachen der Spannungen und Protestpotenziale im Verhältnis Polizei-Jugendliche auf den Grund zu gehen. Die zentralen Ergebnisse einer Schülerbefragung mit mehr als 20.000 Befragten weisen auf einen Kontrast zwischen Deutschland und Frankreich in Bezug auf Einstellungen Jugendlicher zur und Erfahrungen mit der Polizei hin. Für Jugendliche in deutschen und französischen Großstädten sind teils auch mehrfache Kontakte zur Polizei nichts Ungewöhnliches. In Deutschland werden Jugendliche mit Migrationshintergrund jedoch nicht häufiger von der Polizei angesprochen oder kontrolliert als einheimische Jugendliche, und die überwiegende Mehrheit der Befragten empfindet die Behandlung durch die Polizei als fair und hat großes Vertrauen in die Polizei. In Frankreich unterscheiden sich die Erfahrungen einheimischer und insbesondere afrikanischstämmiger Jugendlicher drastisch. Die Befragungsergebnisse deuten auf eine diskriminierende und unfaire Behandlung dieser Minderheit durch die Polizei hin, was mit einem gestörten Vertrauen seitens der betroffenen Jugendlichen einhergeht.

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Von der Nothilfe zur stadtverträglichen Drogenpolitik

Zur Rolle der Zusammenarbeit von Suchthilfe und Polizei im Spiegel drogenpolitischer Entwicklungen in der Schweiz

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Astrid Wüthrich, Christian Schneider

Die Schweizer Drogenpolitik gilt als vorbildlich. Dies ist hauptsächlich auf die erfolgreiche Implementierung der so genannten Vier-Säulen-Politik zurückzuführen, die sich nicht nur an den Paradigmen der Abstinenz und der Verbote orientiert, sondern für die betroffenen Individuen und die Gesellschaft Maßnahmen der Schadensminderung vorsieht. Die erfolgreiche Umsetzung dieser Politik ist wesentlich mit einer etablierten Zusammenarbeit zwischen Suchthilfe und Polizei, zwischen den Säulen der Schadensminderung und der Repression, wie die strafrechtliche Umsetzung des Drogenverbots im drogenpolitischen Jargon der Schweiz heißt, verbunden. Erst die Überwindung der Gegensätze zwischen Suchthilfe und Polizei in der Praxis konnte die Akzeptanz der Drogenpolitik in der Schweiz derart erhöhen, dass sich das Stimmvolk in mehreren Abstimmungen klar hinter die Vier-Säulen-Politik stellte. Dieser Artikel will mit Blick auf Schweizer und internationale Studien an konkreten Beispielen die Etablierung erfolgreicher Zusammenarbeit zwischen Polizei und Suchthilfe aufzeigen und stellt sich der Frage, wie die Zusammenarbeit verstetigt und heutigen Verhältnissen gleichermaßen entsprechen kann. Es zeigt sich, dass sich diese Zusammenarbeit stets an der Schnittstelle zwischen Fachlichkeit, Politik und dem Wissen um, also wissenschaftlicher Erkenntnis bewegt.

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Das Delikt des Diebstahls im „klassischen“ islamischen Recht

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Christoph Zehetgruber

Der Islam und das islamische Recht, insbesondere das Strafrecht, stellen für viele Menschen immer noch eine "terra incognita" dar. Aufsehenerregende Fälle von Strafverfolgung in islamisch geprägten Staaten mit Österreichbezug, wie der Fall eines Arztes, der wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts angeklagt und verurteilt wurde, oder die Geschehnisse rund um eine Österreicherin, die sich nach einem von ihr angezeigten Sexualdelikt gleichfalls der Strafverfolgung in Dubai ausgesetzt sah, zeichnen in der medialen Berichterstattung ein oftmals einseitiges Bild eines dem westlichen Betrachter fremden Rechtssystems und seiner nationalstaatlichen Derivate. Der Beitrag möchte in diesem Zusammenhang anhand der Darstellung des Straftatbestands des koranischen Diebstahls ("sariqa") zum einen aufzeigen, dass den häufig wiederkehrenden, klischeehaften Ausführungen zum islamischen Strafrecht und dessen vermuteter Rigidität nicht unwidersprochen gefolgt werden kann und zum anderen einen knappen Einblick in die Systematik des klassischen islamischen Rechts bieten. Dabei bleibt festzuhalten, dass die folgenden Darstellungen ein Konglomerat verschiedener Ansichten überwiegend sunnitisch geprägter Juristen darstellen und nicht ein Teilaspekt eines staatlichen Strafrechts, sondern die koran- und sunnabasierte Grundlage und deren nähere Ausformung durch islamische Juristen aller Epochen hinsichtlich "sariqa" im Blickpunkt stehen soll.

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